Der globale Finanzmarkt droht zusammenzubrechen

George Soros fordert Eingriffe in den Kapitalmarkt

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Am 14. und 15.9. fand ein Hearing über die internationale Wirtschaftskrise vor dem Kommittee für Banken des amerikanischen Kongresses statt. Auch George Soros, der bekannte und gefürchtete Investor und Spekulant, der sich gleichzeitig immer stärker zum Kritiker des gegenwärtigen Finanzsystems verwandelt, war eingeladen und warnte vor einem Zusammenbruch des globalen Finanzsystems und - als dessen Folge - vor dem des internationalen freien Handels, wenn man weiterhin der kapitalistischen Ideologie des freien Marktes folgt.

Für Soros ist der Einbruch am amerikanischen Aktienmarkt nur ein Symptom für tiefere Probleme der Weltwirtschaft, die mehr und mehr Länder mit sich reißen, wenn alles so weiterläuft. Das globale kapitalistische System basiert auf der freien Kapitalbewegung und ist ein "gigantisches Zirkulationssystem" geworden, das Kapital aufsaugt, in die Finanzmärkte und -institutionen im Zentrum spült und dann wieder in die Peripherie pumpt. Solange dieser Kreislauf funktioniert, gibt es einen globalen Boom, an dem sowohl das Zentrum als auch die Peripherie - die "emergent markets" - teilhaben.

Seit der Asienkrise und vor allem seit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch Rußlands ist dieser Kreislauf aber zusammengebrochen und zieht sich das Kapital aus der Peripherie zurück, was jetzt aber auch auf das Zentrum, also die USA und Europa, zurückzuschlagen beginne, während gleichzeitig deutliche geworden sei, daß die Rettungsprogramme des IWF gescheitert sind. Überdies habe der Internationale Währungsfonds kein Geld mehr. Beides führt nicht nur zu einem zunehmenden Auseinanderbrechen des globalen Systems, aus dem sich bereits Staaten wie Malaysia zurückgezogen haben, sondern auch zu einer Störung der seltsamen Psychologie der Spekulanten: Die Finanzmärkte "lehnen jeden staatlichen Eingriff ab, sind aber tief in ihrem Inneren davon überzeugt, daß die staatlichen Autoritäten eingreifen, wenn die Situation wirklich hart wird." Anders ausgedrückt: Solange man gewinnt, hält man den Staat fern und propagiert man den freien Markt, sobald eine Krise kommt, ruft man wieder nach dem Staat.

Soros fordert die Einrichtung weiterer internationaler Finanzorganisationen wie den IWF und die Weltbank, um den Kapitalmarkt stärker zu regulieren: "Es ist dringend notwendig, das globale kapitalistische System zu überdenken und zu reformieren." Vor allem ist Soros der Überzeugung, daß die kapitalistische Ideologie falsch ist, wenn behauptet wird, daß die Finanzmärkte, sofern sie sich selbst überlassen bleiben, letztlich zu einem Gleichgewicht führen. Für Soros sind sie instabil und kehren nicht wie ein Pendel zum Gleichgewicht zurück, wenn ein Boom oder ein Crash eine gewisse Schwelle überschritten hat. Da aber Gesellschaft nur ein gewisses Maß an Instabilität aushalten, sei es die vordringliche Aufgabe der Politik, Stabilität auf den Finanzmärkten herzustellen, was ohne Eingriffe nicht möglich ist.

Soros schlägt vor, nicht nur den IWF weitere Gelder zukommen zu lassen, sondern auch die Asymmetrie zwischen Geldgebern und Schuldnern zu verändern. Bislang werden den Schuldnerstaaten harte Bedingungen auferlegt, während die Banken und andere Geldgeber keine Auflagen erhalten und bei Krisen auf Hilfe zählen können. Der IWF sei weiterhin wichtig, weil Länder wie Rumänien oder Moldawien, die von der Rußlandkrise schwer in Mitleidenschaft gezogen worden seien, sich sonst an niemanden wenden könnten. Überdies müßte auch "gutes Verhalten", nicht unbedingt nur Erfolg, belohnt werden, um weitere Einbrüche zu vermeiden und den Zusammenbruch des globalen Marktes zu riskieren. Zögen sich nämlich, wie Soros meint, noch weitere Länder außer Malaysia aus dem globalen Markt zurück, so würde der Druck auch für andere Staaten wachsen, ebenfalls aus dem freien Markt auszuscheren - und das würde dann nicht nur die Peripherie betreffen, sondern auch das Zentrum.

Soros als Kritiker des kapitalistischen Systems: The Capitalistic Threat
Ivo Skoric: Onkel Soros. Der erste kapitalistische Dissident.
John Horvath: Das Soros-Netzwerk