Der lachende Dritte?

Während die demokratischen Vorwahlen zunehmend zu einer Schlammschlacht entgleisen, holt der republikanische Präsidentschaftskandidat landesweit an Stimmen auf. Woher rührt sein Erfolg?

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Vor kurzem fand in Philadelphia die vorerst letzte TV-Debatte der beiden demokratischen Rivalen, Hillary Clinton und Barrack Obama, statt – und wurde aufgrund der tendenziösen Fragestellungen der beiden Moderatoren zu einer viel kritisierten Farce. Dem TV-Sender ABC, in dessen Programm die Debatte stattfand, wurde Voreingenommenheit gegen Obama vorgeworfen. „Wäre ich ein Bürger einer der Nationen, in die Amerika versucht ‚Demokratie zu exportieren’ und hätte ich diese Debatte gesehen“, schrieb der Journalist Will Bunch, „hätte ich wahrscheinlich gesagt ‚Nein, danke.’ Dies war keine Methode, Demokratie voranzutreiben“.

Bild: United States Congress

Obamas letzter „Fehltritt” bestand in der Bemerkung, dass es nicht überraschend wäre, wenn Menschen in Zeiten großer wirtschaftlicher Probleme verbittert reagierten, sich an Waffen, Religion oder an Vorurteilen gegenüber anderen Menschen klammern würden. Diese nicht ganz unbegründete – wenngleich unglücklich formulierte – Feststellung war selbstverständlich eine Steilvorlage für Frau Clinton, die ihrem innerparteilichen Gegner postwendend vorwarf, mit seinen Bemerkungen gläubige Menschen zu „erniedrigen“ sowie „elitäre und realitätsfremde“ Standpunkte zu vertreten.

John McCain, der republikanische Kandidat, griff Clintons Kritik flink auf und wiederholte sie, was Obama wiederum zu der Vermutung verleitete, dass Frau Clinton ihm sicher einen Gefallen tun wolle, indem sie die Kritikpunkte der Republikanische Partei im Vorfeld der Wahl im November diesen Jahres vorweg nehmen würde. Währenddessen zeigt eine Umfrage, durchgeführt von Associated Press und Yahoo, wie sich die generelle Dynamik des Wahlkampfes verändert hat: Obgleich noch im Herbst vergangenen Jahres eine deutliche Mehrheit der befragten Amerikaner einen demokratischen Präsident einem Republikaner vorzogen (40% vs. 27%), liegt John McCain nun leicht vor Obama und Clinton.

McCain Medienstar

Die Gründe für die Aufholjagd McCains sind sicherlich vielfältig. Eine Rolle spielt der harte demokratische Vorwahlkampf, der inzwischen selbst die New York Times, die Hillary Clinton noch im Januar ihre Unterstützung ausgesprochen hatte, zu einem Kommentar veranlasste, in dem Clinton vorgeworfen wurde, die Chancen der Demokraten für die Präsidentschaftswahl im November diesen Jahres durch ihre Wahlkampftaktik ernsthaft zu gefährden.

Ein weiterer Grund dürfte jedoch in der Milde bestehen, mit der McCain in den letzten Monaten von den klassischen amerikanischen TV- und Printmedien behandelt wurde. Wenn beispielsweise auf CNN unterstellt wurde, Obama würde Zitate von McCain aus dem Zusammenhang reißen, ohne dass CNN den Beleg dazu liefert, kann man dies durchaus als tendenziös bezeichnen. Die gleiche Mitarbeiterin von CNN und auch die Washington Post kritisierten Obamas inkonsequente Haltung bezüglich der Frage der Wahlkampf-Finanzierung, ignorierten aber im selben Atemzug aber die Verstöße McCains gegen die Richtlinien der (öffentlichen) Wahlkampffinanzierung.

Dies sind nur einige der Beispiele, die den Eindruck erwecken, dass McCain eine Sonderbehandlung seitens des Medien-Mainstreams erfährt. Eine Studie des ‚Project for Excellence in Journalism’ hatte im Februar diesen Jahres bereits gezeigt, dass die Berichterstattung im angegebenen Studien-Zeitraum eindeutig McCain bevorteilte – und zwar durch seine dominante Medienpräsenz.

Das Buch "Free Ride: John McCain and the Media" zeigt diesbezüglich weitere Beispiele auf und kommt zu einem Urteil, welches einer schallenden Ohrfeige für Reporter gleichkommt: Obgleich McCain seine Beziehung zu Medienvertretern ausgiebig gepflegt hat – was sein gutes Recht ist – liegt die Verantwortung für die befangene Berichterstattung ausschließlich bei den Journalisten, die selbst auf die Wahrung einer gewissen beruflichen Distanz achten müssten – eine Feststellung, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Christlicher Nationalismus

Ein weiteres Beispiel für eine „weichgespülte“ Berichterstattung über John McCain ist der mediale Umgang mit seinen Unterstützern. Während die Kontroverse über Barrack Obamas Prediger, Reverend Wright (siehe Eine Frage des Patriotismus?), wochenlang die Medien bewegte, verlor kaum eine der großen Zeitungen des Landes oder der landesweiten TV-Stationen mehr als einige spärliche Worte über die Unterstützung, die McCain durch zwei umstrittene Prediger erfuhr.

Lange Zeit schien es Konsens in den US-Medien, dass McCain große Probleme haben würde, sich im Falle einer Bewerbung um die Kandidatur zur Präsidentschaft der Unterstützung der religiösen Rechten zu versichern, die eine starke Basis in der republikanischen Partei haben. Während einige prominente Figuren aus dem Feld der konservativen Christen immer noch Schwierigkeiten haben, McCain zu akzeptieren – schließlich hatte er noch im Jahr 2000 den erzkonservativen TV-Prediger Jerry Falwell als „Makler der Intoleranz“ bezeichnet – schart sich die Mehrheit inzwischen hinter ihm.

Doch warum ist dem so? Möglicherweise liegt es daran, dass der McCain des Jahres 2008 ganz andere Töne anschlägt, als der des Jahres 2000. In einem Interview äußerte er unter anderem die Meinung: „Die US-Verfassung begründete die Vereinigten Staaten von Amerika als christliche Nation“. Ein Kommentar, den man genauer betrachten sollte: Auch wenn McCain sich Mühe gab, seine Aussage unverfänglich aussehen zu lassen („Ich meine dies im weitesten Sinne“) und nachträglich festhielt, er wolle in keiner Weise bestimmte religiöse Präferenzen unterstützen, stimmt seine Behauptung doch nachdenklich. Denn in der US-Verfassung ist aus guten Gründen keinerlei religiöse Tradition festgehalten und McCain gab mit seinem Kommentar eine oft wiederholte Behauptung christlicher Fundamentalisten wieder. Das er diese Aussage im Wortlaut auch nicht korrigieren wollte, mag darauf hindeuten, dass die Formulierung seiner Aussage wohl berechnet war.

McCain und die Prediger

Ende Februar diesen Jahres nun äußerte Reverend John Hagee seine Unterstützung für McCain. Hagee, Gründer der freikirchlichen Cornerstone Church in San Antonio, Texas, ist auch Gründer der Washingtoner Lobby-Organisation „Christians United for Israel“ (CUfI). In dieser Eigenschaft ist er gewissermaßen berüchtigt für seine Anwendung alttestamentarischer Zitate und Prinzipien auf die aktuellen Zustände im Nahen Osten. In seinen Augen verrichtet Israel „die Arbeit Gottes“ in einem „Krieg zwischen Gut und Böse“. Auch daran, gegen wen dieser Krieg exakt geführt wird lässt er keine Zweifel:

Dies ist ein Krieg, den der Islam nicht gewinnen kann und nicht gewinnen darf.

Kein Wunder also, dass rechte Israelis wie der Vorsitzende des Likud, Benjamin Netanjahu, Hagee und dessen Anhänger als „beste Freunde Israels“ loben.

Doch auch andere christliche Konfessionen kommen bei Hagee nicht unbedingt besser weg. So bezeichnete er den Katholizismus als eine „gottlose Lehre des Hasses“. Und obgleich sich der bekennende christliche Zionist Hagee aus angeblich so hehren Motiven für Israel einsetzt, sind viele jüdische Menschen eher besorgt über dessen Einfluss. Der Vorsitzende der größten jüdischen Denomination in den Vereinigten Staaten, Rabbi Eric Yoffie, nannte Hagee unlängst einen „Extremisten“ und drängte andere Rabbis, die Unterstützung durch CUfI abzulehnen. Ein Grund dafür dürfte auch die fragwürdigen Ansichten Hagees über Juden selbst sein, denen er in seinem Buch „Jerusalem Countdown: A Prelude to War“ vorwarf, durch ihre „ihre eigene Rebellion [gegen Gott, d.A.]“ die „Samen des Antisemitismus“ selbst gesät zu haben (S.92f; Paperback-Ausgabe).

Auf einem Wahlkampfauftritt daraufhin angesprochen, verwahrte sich McCain dagegen, Hagees Unterstützung im Wahlkampf abzulehnen. Hagee würde unterstützen, wofür er einstehe und er wäre stolz auf die spirituelle Führerschaft des Predigers für dessen 17000 Menschen starke Gemeinde, ließ er wissen – obgleich er nicht mit allen einverstanden sein müsse, die seinen Wahlkampf unterstützten. In einem Radiointerview wenige Tage später missbilligte er jedwede intoleranten Äußerungen Hagees, den er trotzdem weiterhin verteidigte, da dieser ihm zugesichert hätte, dass seine Worte aus dem Zusammenhang gerissen worden wären.

Ein weiterer Geistlicher, der McCain unterstützt, ist Rod Parsley, Prediger der World Harvest Church in Columbus, Ohio und Vorsitzender des Center for Moral Clarity. Der selbst ernannte „Christokrat“, der unter anderem Ehebruch strafrechtlich verfolgen lassen möchte, ist außerdem der Meinung, die Christenheit solle einen „Krieg“ gegen die „falsche Religion“ des Islam führen, um sie zu zerstören.

Schweigen im Blätterwald

In beiden Fällen ist das Schweigen der amerikanischen Medien, mit Ausnahme einiger weniger unabhängiger und progressiver Magazine, geradezu ohrenbetäubend. Verglichen mit der erschöpfenden Berichterstattung über einige Äußerungen von Barack Obamas Pastor drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Reverend Wright hatte unter anderem erklärt, dass die Anschläge des 11.09.01 eine Reaktion auf die Exzesse amerikanischer Außenpolitik seien und mehrmals wiederholt, dass Gott die USA für deren Missetaten verdammen solle. Das diese Formulierungen anschließend innerhalb mehrerer Wochen ständig wiederholt und mit Barack Obama in Zusammenhang gebracht wurden, hatte diesem schließlich doch Verluste bei den Wählerstimmen eingebracht. Somit wurden die Äußerungen Wrights erfolgreich mit Barrack Obamas Wahlkampagne verknüpft.

Im Fall McCains und dessen geistlicher Unterstützung hingegen ist von derlei negativer Berichterstattung nichts zu hören. Bill Kristol, der neokonservative Herausgeber des „Weekly Standard“, führt als Erklärung dafür an, dass Wright eben Obamas Pastor gewesen sei, hingegen Hagee und Parsley nur „Individuen“ seien, die McCain ihre Unterstützung zugesagt haben. Das also Obama sich für Predigten, an denen er laut eigener Aussage nicht teilgenommen hatte, rechtfertigen muss – während McCain nicht ernsthaft mit Fragen „belästigt“ wird, obgleich er einen geistigen Brandstifter wie Rod Parsley als „moralischen Kompass und spirituellen Führer“ bezeichnete, und laut eigenem Bekunden "stolz" auf Hagees Unterstützung sei, ist laut Kristol (der seit Anfang des Jahres Kolumnist der New York Times ist) ganz normal.

Der „Rove-Effekt“?

Möglicherweise hängt McCains Rolle als Darling der Medien auch damit zusammen, dass ein alter Bekannter aus George W. Bushs Wahlkämpfen nun den inoffiziellen Berater für McCain gibt – Karl Rove. Der auch als „Bush’s Brain“ bekannte Rove ist berüchtigt für schmutzige Tricks in Wahlkämpfen, die in erster Linie auf der persönlichen Verunglimpfung gegnerischer Kandidaten basieren. Rove, der gleichzeitig als Analyst für Rupert Murdochs FOX-News tätig ist, soll McCains Kampagne mit Informationen für den Wahlkampf versorgt haben.

Ob er allerdings auch dafür verantwortlich ist, dass McCains Wahlkampfteam unlängst eine Verbindung zwischen Barack Obama und der palästinensischen Hamas gezogen hatte, kann hier nicht beantwortet werden. Sicher ist nur, dass McCain sich am nächsten Tag genötigt fühlte, mehr Respekt voreinander im Wahlkampf zu fordern.

Wird es ausreichen, mit einer Biographie als Kriegsheld, dem Ruf eines „Straight Talk Express“ und der willfährigen Unterstützung vieler Medienvertreter die Wahl im November zu gewinnen? Dies lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht sagen. Fakt ist, dass McCain eigentlich eine Menge Steilvorlagen für Kritik bietet, da sich seine innenpolitischen Grundsätze – zum Beispiel seine Opposition gegenüber Steuerkürzungen für Wohlhabende und Unternehmen – im Rahmen seines Präsidentschaftswahlkampfes ins Gegenteil verkehrt haben. Von Kommentaren wie „einhundert Jahre [Besatzung im Irak, d.A.] sind für mich in Ordnung“ ganz zu schweigen. Es dürfte interessant sein, zu sehen ob und wie sein demokratischer Gegner – wenn er oder sie denn feststeht – in der Lage sein wird, McCains medialen „Schutzschild“ zu durchbrechen.