Der politische Nutzen des Urheberrechts

Im Sommer sollen die Chaostage in München stattfinden, eine diesbezügliche Website übernahm das Design der CSU-Website, was der Partei des Kanzlerkandidaten aber nicht gefiel

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Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet München soll im Sommer dieses Jahres zur Kulisse für die Chaostage werden, die allerdings schon eher zum Mythos geworden sind. Um über das denkwürdige Ereignis in der Stadt, in der Kanzlerkandidat Stoiber residiert, zu informieren, wurde Ende des letzten Jahres die Website www.chaostage-muenchen.de gestartet, die ähnlich wie die der CSU gestaltet war. Das aber gefiel der CSU nicht, die jetzt mit einer Unterlassungserklärung wegen Urheberrechtsverletzung konterte.

Gegen die Website selbst lässt sich direkt nichts machen, auch wenn sie vermutlich der CSU nicht gefällt. Die Verantwortlichen, die "Initiative Freie Medien" wollte angeblich damit eine Plattform schaffen, auf der alle Positionen zu den Chaostagen rückhaltlos sich darstellen können: "Wir verstehen diese beiden Webseiten als offene Informationsplattformen, auf denen jeder, der Hinweise und Gedanken zum Thema beisteuern möchte, diese auch veröffentlichen kann. Selbstverständlich distanzieren wir uns von Chaos-Tagen und solchen Gewaltexzessen, wie wir sie leider allzu oft bei den Chaos-Tagen in der Vergangenheit beobachten mussten."

Und weil man so "seriös, offen und schnell über die geplanten Chaos-Tage berichten" und einen "fruchtbaren Dialog" unterstützen wollte, lehnte man sich zur Gestaltung der Website an das CSU-Layout an: "Unsere Grafiker haben hier versucht, die seriös-konservative Gestaltung der CSU-Webseite mit unserem schnellen und komfortablen Redaktionssystem zu verbinden, um auch auf dieser Webseite mit der größtmöglichen Effizienz zu arbeiten." Das war angeblich alles ganz leicht als Satire zu erkennen, und auch im Impressum habe man das deutlich gemacht.

Aber dann kam der Münchner Merkur, machte am 8. April auf die Website aufmerksam und schürte die Empörung bei der CSU: "Ausgerechnet mit dem Webseiten-Layout der Unionspartei wirbt derzeit die Punk-Bewegung im Internet für Randale am ersten Augustwochenende." Besser wäre es dann doch wohl gewesen, so kann man daraus schließen, sie hätte das Layout der SPD oder der Grünen genommen. Weil hier "relativ offen ... zu einer Neuauflage der Chaos-Tage von 1995 in Hannover aufgerufen" werde, habe auch der Verfassungsschutz die Website schon länger unter Beobachtung. Allerdings bekennt der Münchner Merkur im Verein mit dem Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutzes, dass man derzeit trotz der Website nicht wisse, "ob und wie viele Punks und Chaoten im August nach München kommen werden".

In dem Artikel hieß es, dass die CSU bereits eine Anwaltskanzlei eingeschaltet habe, um rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen für die Website einzuleiten. Das wurde denn auch in Form eines Briefes an denjenigen gemacht, der sich als Verantwortlicher für die Website hat registrieren lassen. Offensichtlich hat man für eine schnelle Reaktion nur ein Mittel gefunden, das an sich wenig politisch ist, aber schon des längeren eingesetzt wird, um gegen Kritiker anzugehen: das Urheberrecht.

"Wie unsere Mandantschaft kürzlich feststellen musste, verwenden Sie für die Internet-Homepage 'chaostage-muenchen.de' das identische Webseiten-Layout wie unsere Partei für die Homepage 'csu.de'. Dies betrifft vor allem die Aufteilung des Bildschirms, die Farbgestaltung, die Benutzerführung einschließlich der Verwendung des CSU-Logos für 'PUNK - näher am Menschen'."

Ob sich allerdings der Dreh, unter dem Deckmantel des Urheberrechts gegen die Website vorzugehen, wirklich als lohnend erweisen wird, darf bezweifelt werden, zumal ihr darüber als einer Art indirekter Werbung vermutlich noch mehr Aufmerksamkeit zukommen dürfte. Aber man ist im Land der Bayern unerbittlich: "Die CSU Bayern e.V. ist nicht bereit, Ihr rechtswidriges Verhalten sanktionslos hinzunehmen." Und auch wenn die Gestaltung der Website nur satirisch gemeint sei, so werde durch das Plagiat "gleichwohl in die Rechte unserer Mandantschaft eingegriffen".

Es wäre möglicherweise interessant, dies juristisch zu klären, auch wenn die Website natürlich die Erwartungshaltung auf die Chaostage weckt. Aber kleine Davids haben es gegen die Goliaths dieser Welt schwer - auch im Land, in dem Laptops irgendwie mit Lederhosen verbunden sein sollen. So sollte der Verantwortliche schnellstens die Website einstellen und eine Unterlassungs-/Verpflichtungserklärung unterschreiben. Bei einer Zuwiderhandlung würden 5.100 Euro Vertragsstrafe und die Kosten für die Einschaltung der Rechtsanwälte für einen "Gegenstandswert von EUR 25.000,00" drohen. Anstatt es auf einen teuren Prozess ankommen zu lassen, zog der Verantwortlich das Layout zurück, weswegen wir jetzt nicht erfahren werden, wo die Grenzen der Satire verlaufen.