Der verborgene Ozean des Titan

Unter der Oberfläche des Saturnmondes Titan liegt ein Meer aus flüssigem Wasser und Ammoniak

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Titan hüllt sich in eine dichte Atmosphäre, die seine zerklüfteten Landmaßen vor Blicken von Außen verbergen. Erst vor wenigen Jahren gelang es den Wissenschaftlern, sich durch die Cassini-Huygens Mission ein erstes Bild der Beschaffenheit des seltsamen Mondes zu machen: Schroffe Berge und tiefe Täler, gigantische Sanddünen, tiefe Krater, Flussrinnen und Seen aus flüssigem Methan. Eine neue Studie beweist nun, dass es unter der Kruste von Titan einen riesigen Ozean geben muss.

Titan geht hinter dem Saturn unter. Bild: NASA/JPL/Space Science Institute

Um den Herrn der Ringe unter den Planeten, den Saturn, kreisen zahlreiche Monde. Der größte unter ihnen ist Titan, der mit einem Durchmesser von mehr als 5.100 Kilometern selbst den Planeten Merkur übertrifft. Unter allen Monden unseres Sonnensystems ist er der Zweitgrößte und der einzige mit einer dichten Atmosphäre – der atmosphärische Druck ist sogar 1,5 Mal höher als auf der Erde. Diese Gashülle besteht zu 95 Prozent aus Stickstoff, außerdem Methan und anderen Kohlenwasserstoffen sowie Wasserstoff.

Es bedufte der 1997 gestarteten Cassini-Huygens Mission, eines Gemeinschaftsprojekts der NASA, der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der italienischen Weltraumorganisation ASI, um eine genauere Vorstellung von Titan zu gewinnen, denn die Voyager-Sonden konnten die Atmosphäre nur als solche erkennen, sie aber nicht durchdringen (Voyager 1 - Unterwegs in die Ewigkeit).

Aus Cassini-Aufnahmen von 2006 zusammengesetztes Bild des Saturnmonds Titan, Bild: NASA/JPL/University of Arizona

Der Orbiter Cassini umkreist seit 2004 den Saturn und setzte die Sonde Huygens ab, die Anfang 2005 auf dem Titan landete (Mission to Titan). Die zur Erde gefunkten Bilder zeigten eine vielfältige Topografie, und wie Felsbrocken über die Landschaft verteilte Eisblöcke. Huygens machte zudem Tonaufnahmen.

Eiskalter Mond

Paläoklimatologen und Astrobiologen gehen davon aus, dass sich Titan heute in einem Zustand befindet, der dem der Erde vor 4,6 Mrd. Jahren ähnelt. Das macht Untersuchungen dieses Saturnmondes besonders spannend. Titan kreist zwar als natürlicher Satellit um Saturn, passt aber von seinen Eigenschaften her mehr in die Kategorie der Planeten.

Die Kosmologen gehen nicht davon aus, dass heute Leben auf Titan existiert, denn dafür sind die Bedingungen auf der Oberfläche unter den dicken, orange schimmernden Wolkenschichten zu unwirtlich (es herrscht eine Temperatur von minus 180 Grad Celsius), aber sie hoffen, die Vorbedingungen erforschen zu können, die die Entstehung von Leben ermöglichen. Methan und Stickstoff-Moleküle könnten sich auf dem eisigen Mond zu komplexen organischen Materialien wie Kohlenwasserstoffen oder sogar Aminosäuren - den Grundbausteinen des irdischen Lebens - zusammenschließen.

Schon länger vermuten die Experten, dass unter der festen Oberfläche des Mondes ein Ozean vorhanden sein muss. Eine neue Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science erschinen ist, belegt das nun. Ralph Lorenz von der Johns Hopkins University und Kollegen von anderen Universitäten in den USA und Italien werteten Radardaten aus, die Cassini während Vorbeiflügen aufgezeichnet hat (Titan's Rotation Reveals an Internal Ocean and Changing Zonal Winds).

Illustration der Landung von Huygens auf Titan, Grafik: NASA/ David Seal

Die Forscher definierten 50 herausragende Landschaftskennzeichen auf Titan und deren Positionen als Referenzpunkte. Dann nahmen sie die Radaraufzeichnungen von neunzehn Cassini-Flügen zwischen 2005 und 2007 zur Hand und suchten jeweils nach diesen Bergmassiven, markanten Tälern und Seen. Dann verglichen sie die real beobachteten Positionen.

Mit seinen organischen Dünen, Seen, Kanälen und Bergen hat Titan eine der abwechslungsreichsten, aktivsten und erdähnlichsten Oberflächen im gesamten Sonnensystem. Jetzt, wo wir nachvollziehen können, wie Titan rotiert, öffnet uns das ein Fenster, um unter die Oberfläche ins Innere Titans zu spähen.

Ralph Lorenz

Die Positionsbestimmung der signifikanten Landschaftsmerkmale ergab eine Verschiebung über die Zeit um bis zu rund 30 Kilometer. Da die Berge und Seen nicht wirklich gewandert sein können, gehen die Forscher davon, dass die Eigenrotation des Mondes von den Vorhersagen abweicht.

Titan wendet – ähnlich wie unser Mond – dem Saturn immer dieselbe Seite zu. Sein Drehimpuls um die eigene Achse steht in direkter Verbindung zum Umlauf um den Planeten – allerdings gibt es die signifikante Abweichung, die nun feststeht. Die Autoren der Studie schreiben:

Die Radarbeobachtungen zeigen, dass sich die Rotationsperiode von Titan im Verlauf mehrerer Jahre geändert hat. Die Änderungen lassen sich durch einen jahreszeitlichen Austausch von Drehimpuls zwischen Oberfläche und der dichten Atmosphäre Titans erklären – aber nur, wenn die Kruste Titans durch einen inneren Ozean aus Wasser vom Kern des Mondes entkoppelt ist.

Insel auf einem See auf der Oberfläche des Titan. Bild: NASA/JPL

Das Team um Ralph Lorenz geht davon aus, dass ungefähr hundert Kilometer unter der Kruste Titans ein Ozean aus flüssigem Wasser und Ammoniak liegt, darunter bildet festes Gestein den Kern.

Titan ist nicht der einzige Mond in unserem Sonnensystem, der ein riesiges Meer in seinem Innern verbirgt, denn auch die Jupitermonde Ganymed, Callisto und Europa haben eine Flüssigkeitsschicht unter ihrer Kruste (Salzmeer auf Ganymed?).