Deutsche Islamkonferenz in der Sackgasse?

Start in die zweite Phase von heftiger Kritik begleitet

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Am Montagvormittag tagte das Plenum der Deutschen Islamkonferenz (DIK) und legte sein Arbeitsprogramm für die laufende Legislaturperiode vor. Die 2006 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble initiierte Konferenz wird von seinem Nachfolger Thomas de Maizière weitergeführt.

Tagung des fünften Plenums der Islamkonferenz. Foto: Katy Otto/Deutsche Islam Konferenz

Für die zweiten Phase der Islamkonferenz erklärte de Maizière zum Ziel, die Konferenz nun stärker auf die Entwicklung praktischer Konzepte zu konzentrieren und die Konferenzinhalte "raus auf die Straßen, in die Schulen, in die Moscheen und an die Küchentische" zu bringen. Als ein Schwerpunkt wurde die Förderung des Islams im deutschen Bildungssystem festgelegt. Ein bundesweites Modellprojekt für Islamunterricht in deutschen Schulen will man entwickeln, landes- und gesellschaftskundliche Fortbildungen für Imame sollen erarbeitet und die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Förderung von islamischen Theologielehrstühlen weiterentwickelt werden.

Als zweiter Schwerpunkt soll das Thema Geschlechtergerechtigkeit behandelt werden. Hier soll es um die Erarbeitung von Maßnahmen gehen, mit denen Behinderung persönlicher Freiheitsrechte von Frauen durch traditionelle Rollenbilder in muslimischen Familien begegnet werden kann. Aber auch Maßnahmen gegen die Diskriminierung muslimischer Frauen auf dem Arbeitsmarkt sollen erörtert werden.

Der dritte Schwerpunkt umfasst die Themen Extremismus, Radikalisierung und gesellschaftliche Polarisierung. Hier steht besonders die Jugend im Fokus. Die Islamkonferenz will über geeignete Mittel nachdenken, wie gerade junge Muslime durch Jugendarbeit und Aufklärung im Schulunterricht von islamistischem Gedankengut ferngehalten werden können. Auch soll an dieser Stelle über das Gefährdungspotential muslimischer Jugendlicher durch rechtsradikale Gruppierungen nachgedacht werden.

Die Umstände, unter denen diese Themen in die Gesellschaft hereingetragen werden und sich in praktische Fortschritte verwandeln sollen, sind denkbar schlecht. Nach der Suspendierung des Islamrats durch das Bundesinnenministeriums hat am vergangen Mittwoch der Zentralrat der Muslime in Deutschland von sich aus seine Teilnahme an der Konferenz aufgekündigt. Als Gründe nannte der Zentralrat unter anderem, dass die Konferenz nicht in der Lage sei, die drängenden Probleme der Muslime in Deutschland zu lösen und dass das Thema Islamfeindlichkeit und Rassismus keine angemessene Berücksichtigung in der Konferenz fände.

Die Ersetzung dieser Verbände durch die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken und den Zentralrat der Marokkaner in Deutschland ändert nichts an der Tatsache, dass nun zwei der vier großen muslimischen Verbände vom Dialog ausgeschlossen sind. Damit kann die Islamkonferenz dem Anspruch eines breit angelegten Dialogs mit muslimischen Organisationen und Moscheegemeinden in diesem Jahr kaum gerecht werden.

Foto: Katy Otto/Deutsche Islam Konferenz

Anerkennung als Religionsgemeinschaft

Politiker verschiedener Parteien kritisierten den Anlauf der zweiten Phase der Islamkonferenz vehement. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD, Klaus Wowereit, warnt vor einem Scheitern der Konferenz und wirft dem Innenminister verantwortungslose Politik vor: "Zu viele handwerkliche Fehler im Vorfeld und eine dilettantische Vorbereitung erwecken den Eindruck, dass Innenminister de Maizière bereit ist, ein Scheitern in Kauf zu nehmen."

Der Bundesvorsitzende der Grünen Cem Özdemir kritisierte im Vorfeld der Veranstaltung den Innenminister für seinen fehlenden Einsatz für das wichtige Interesse der muslimischen Verbände, als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden. Als formelle Richtschnur könne die Anerkennung der Alevitischen Gemeinde dienen, so Özdemir. Die Aleviten wurden bisher in fünf Bundesländern als Religionsgemeinschaft anerkannt.

Den Vorschlag des Zentralrates der Muslime in Deutschland, eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Ländern, dem Bund und muslimischen Verbänden in der DIK zu etablieren, die sich explizit mit der Frage der Anerkennung von muslimischen Religionsgemeinschaften beschäftigt, wurde vom Gastgeber der Konferenz abgelehnt.

Auch von Seiten der teilnehmenden muslimischen Verbände kam harsche Kritik an den inhaltlichen Schwerpunkten der Islamkonferenz. Der Verband islamischer Kulturzentren stellt die im Arbeitsprogramm suggerierte Existenz unterschiedlicher Rollenbilder in deutsch-muslimischen Familien zu denen der Mehrheitsgesellschaft in Frage und sieht hier althergebrachte Klischees bedient, die einer empirischen Grundlage entbehren würden. Bei dieser Mahnung bekam der Verband Unterstützung von Armin Laschet (CDU), Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen, der darauf hinwies, dass man den Integrations- und den Islamdialog auseinanderhalten müsse und man "Macho-Allüren" nicht auf eine Religion zurückführen dürfe, die schließlich auch "bei russischen, afrikanischen, griechischen, italienischen und sogar deutschen Männern" ein Problem darstellen könnten.

Das Plenum hat auf Grund dieses Streitpunktes beschlossen, eine Studie zum Thema der Geschlechtergerechtigkeit in Auftrag zu geben. Ziel ist es zu prüfen, ob es einen Zusammenhang zwischen muslimischem Glauben und dem Ausleben von Geschlechterrollen, die eine Benachteiligung von muslimischen Frauen in Deutschland bedeuten, gibt, oder hier ausschließlich Faktoren der Schichtzugehörigkeit oder kultureller Milieus eine Rolle spielen.

Die Theologin Hamideh Mohagheghi und der Politologe Hamed Abdel-Samad unterstrichen wie die Vertreter der muslimischen Verbände die Bedeutung der Bildung für die gelingende Partizipation und Integration der Muslime in Deutschland. Hierbei machten sie aber ihre verbandskritische Haltung deutlich. Eine zentrale Institutionalisierung des Islams nach dem Vorbild der Kirche sei schwierig, weil dies keine Tradition im Islam habe, bemerkte Mohagheghi. Abdel-Samad zieht zudem die theologische Kompetenz der Verbände für einen islamischen Religionsunterricht oder eine deutsche Imamausbildung in Zweifel. Hier bestehe die Gefahr, dass ausländische theologische Standpunkte aus der Türkei, Saudi-Arabien oder Ägypten importiert würden, wo Theologie und Autoritätshörigkeit miteinander verknüpft seien.

De Maizière denkt daran, das Plenum der Islamkonferenz bereits Ende dieses Jahres erneut tagen zu lassen und einen halbjährigen Sitzungszyklus statt dem bisher gepflegten Einjahresintervall anzustreben. Angesichts des turbulenten Starts in die zweite Phase der Islamkonferenz und der wichtigen Projekte, die für die Verbesserung der Teilhabe von Muslimen in Angriff genommen werden müssen, scheint dies eine gute, wenn nicht sogar alternativlose Überlegung zu sein. Aber mehr Sitzungstermine bedeuten nicht automatisch schnellere Fortschritte. Diese werden nur erreicht, wenn der Innenminister bereit ist, stärker auf die Interessen der muslimischen Vereinigungen einzugehen, die Themensetzung offen im Dialog mit den Muslimen zu gestalten und so den Weg frei für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu machen.