Deutsche Kryptowirtschaft

Drohende Übernahmen gefährden nationalen Geheimschutz

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Das Bundeswirtschaftsministerium hat jetzt eine Studie zur Lage der deutschen Kryptowirtschaft veröffentlicht. Erstellt vom wissenschaftlichen Institut für Kommunikationsdienste GmbH (WIK) und der GMD in Darmstadt kam die Studie zu dem Ergebnis, dass die wirtschaftlichen Aussichten bestens aussehen, aber auch die Gefahr vor ausländischen Übernahmen steigt. Damit werde auch der nationale Geheimschutz geschwächt.

Die Wachstumsraten in Deutschland betragen jährlich 30 Prozent. Das internationale Marktpotential für Kryptoware wächst voraussichtlich in den nächsten Jahren auf ein Niveau zwischen 11 und 44 Milliarden US-Dollar, weil erst starke Kryptoprodukte die Entfaltung der digitalen Wirtschaft ermöglichen.

Weltweit werden Kryptoprodukte in rund 35 Staaten hergestellt. Derzeit sind etwa 1700 Produkte erhältlich. Mehr als die Hälfte stammen allerdings von US-amerikanischen Unternehmen. Zu den Herstellern gehören alle Industrienationen, in jüngerer Zeit aber auch Länder wie Costa Rica, Estland, Island, Mexiko, Rumänien, Südkorea oder die Türkei.

Deutsche Unternehmen gehen von einer Umsatzsteigerung aus, die weit über den Wachstumsraten des Weltmarktes liegt. Die Exportquote beträgt über 50 Prozent. Die wichtigsten Exportländer sind Großbritannien, USA, Skandinavien, Frankreich und andere EU-Länder.

Zu den wichtigsten Akteuren gehören 19 deutsche Unternehmen, daneben existieren noch 40 bis 50 weitere inländische Anbieter mit geringerer Bedeutung sowie 14 wichtige Anbieter mit ausländischer Beteiligung. Der Marktanteil deutscher Unternehmen beträgt rund 50 Prozent, amerikanische Produkte kommen auf lediglich 20 bis 25 Prozent. Das Marktvolumen in Deutschland wird derzeit auf circa 575 Millionen Mark geschätzt.

Fast die Hälfte der deutschen Kryptounternehmen wurde in den letzten fünf Jahren gegründet. Sie beschäftigt derzeit zwischen 2.000 und 3.000 Mitarbeitern. Hinzu kommen 400 bis 500 Sicherheitsexperten, die für Beratungsunternehmen tätig sind. Die Kryptobranche ist in Deutschland stark mittelständig geprägt. Üblicherweise besitzen die Unternehmen die Rechtsform einer GmbH. Einige Unternehmen wie Brocat oder Utimaco sind jedoch an die Börse gegangen, um Kapital zu mobilisieren. Unternehmen wie Secunet und DICA-Technologies planen den Börsengang in nächster Zukunft.

Drohende ausländische Übernahmen

Die Studie stellt einen Trend zur Konzentration fest, wobei die kleinen und mittleren Unternehmen von Übernahmen aus dem Ausland "bedroht" sind. Dadurch werde die nationale Kryptowirtschaft, "deren Existenz für den geheimen Schutz unverzichtbar" sei, geschwächt, meinen die Autoren.

Unter den zertifizierten IT-Sicherheitsprodukten spielt Kryptoware nur einen geringen Anteil. Häufig wird der Zertifizierungsprozess nämlich als zu "zeit- und kostenintensiv" bewertet. Da das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) seit Anfang 1999 auch die Stärke der Kryptoalgorithmen prüfen kann, erwarten die Autoren davon mehr Transparenz und eine erhöhte Nachfrage nach zertifizierten Kryptoprodukten.

Open-Source-Produkte gelten als "besonders vertrauenswürdig, da sie die Option beinhalten, die Sicherheitsfunktionen wirksamen Prozessen zu unterwerfen". Die Offenlegung des Source-Codes bildet ein wichtiges Verkaufsargument. Proprietäre Lösungen spielen bei deutschen Unternehmen dennoch nach wie vor eine große Rolle, da sie in rund 30 Prozent der Produkte eingesetzt werden.

Zwar gilt Deutschland noch als einer der vorteilhaftesten Standorte der Kryptoindustrie, dennoch gibt es einige hemmende Rahmenbedingungen: In erster Linie fehlen qualifizierte Arbeitskräfte, kritisch ist aber auch das wenig ausgeprägte Sicherheitsbewusstsein bei geschäftlichen und bei privaten Nutzern. Ein Problem ist, so die Studie, dass Sicherheitsfragen in der Regel noch von Leitern der Computerabteilungen, aber nicht von den Unternehmenschefs selbst entschieden werden.

Forschung US-dominiert

Im Bereich der Kryptoalgorithmen überwiegen die US-amerikanischen Entwicklungen. Europäische Unternehmen melden Patente weniger an, da dies als zeit- und kostenaufwendig gilt. Die Unternehmen zählen daher eher zu den Lizenznehmern, als den Lizenzgebern. Der deutsche Einfluss auf Standardisierungsprozesse im internationalen Bereich wird als "zu gering" bewertet. Von den US-amerikanischen Standards, insbesondere AES, erwarten die Unternehmen jedoch einen großen Einfluss auf den Gesamtmarkt.

Im Forschungs- und Entwicklungsbereich sind in Deutschland derzeit tausend Personen beschäftigt, die Ausgaben beliefen sich 1998 auf rund 60 Millionen Mark. Die Hälfte der Unternehmen unterhält intensive Kooperationsbeziehungen zu Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Schwerpunktmäßig umfassen die Forschungsbereiche E-Commerce, elektronische Zahlungssysteme, Public-Key-Infrastrukturen, virtuelle private Netzwerke sowie die Anwendung von digitalen Signaturen in der öffentlichen Verwaltung.