Deutsche Wälder unter Stress

Baumsterben in Sachsen-Anhalt. Foto: Mksg1 (2019) / CC-BY-SA-4.0

Die Anzahl der gesunden Bäume nimmt kontinuierlich ab. Nicht jede Art von Aufforstung ist sinnvoll – nötig wären mehr Mischwälder mit anpassungsfähigen heimischen Laub- und Nadelbäumen

Mitte März wurde in Mitteldeutschland und in vier weiteren Kreisen Sachsen-Anhalts die zweithöchste Waldbrandgefahrenstufe ausgerufen. In weiten Teilen Sachsens wie in Görlitz, Bautzen und Dresden herrschte sogar Warnstufe 4. Glaubt man dem Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, so hat sich in weiten Teilen Sachsen-Anhalts, im Norden Sachsens und Thüringens, aber auch in weiten Teilen Mecklenburgs seit 2018 ein Wasserdefizit von einem halben bis zu einem Meter Bodentiefe aufgebaut – und bis heute nicht aufgelöst.

Auch in Bayern – insbesondere in Niederbayern und in der Oberpfalz – stieg die Brandgefahr durch trockene Böden, trockenes Gras und anderes herumliegendes brennbares Material um ein Vielfaches. Im Landkreis Passau etwa brannte es mehrfach. Dank gefüllter Wasserspeicher vom Vorjahr stellte die Trockenheit für die meisten Bäume jedoch keine Gefahr dar Monokulturen mit gleichen Wachstums- und Altersstrukturen – das macht die Wälder besonders anfällig gegen Trockenheit und Hitze.

Überall, wo große Fichtenbestände an ungeeigneten Orten stehen, sind die Bäume von Trockenheit, Insektenbefall und Stürmen bedroht, erklärt Dr. Frank Thonfeld vom Earth Observation Center des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Ihm zufolge werde die Waldbrandgefahr künftig steigen.

Die Gründe für die hohen Baumverluste zwischen 2017 und 2020 sind vielfältig: Zu den trockenen Böden und zunehmenden Waldbränden kamen Stürme und Hitzewellen. Geschwächt durch die Trockenheit, wurden die Bäume leichter vom Borkenkäfer und anderen Insekten befallen. Während vor allem Fichten von dieser fatalen Kombination betroffen sind, können sich Laubwälder besser regenerieren, weil sie andere Schutzmechanismen haben, erklärt der Wissenschaftler vom Earth Observation Center des DLR. Allerdings leiden inzwischen auch Laubbäume immer stärker unter der andauernden Trockenheit.

Baumsterben geht von Osten nach Westen

Kürzlich untersuchten Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Hilfe satellitengestützter Erdbeobachtungsdaten, wie viel Baumbestand in den letzten Jahren verloren ging.

Die Ergebnisse der im Januar dieses Jahres veröffentlichten Studie sind alarmierend: Von Januar 2018 bis einschließlich April 2021 wurden in Deutschland auf rund 501.000 Hektar Fläche Baumverluste verzeichnet. Der Verlust entspricht fast fünf Prozent der gesamten Waldfläche und ist damit erheblich höher als bisher angenommen. Als Auslöser gelten vor allem die ungewöhnlich starken Hitze- und Dürreperioden in diesen Jahren, die wiederum den Befall durch Schadinsekten begünstigten.

Als Baumverluste gelten sowohl abgestorbene als auch noch stehende sowie bereits entnommene Bäume. Wegen der hohen Datenmenge konnten die Forscher Baumverluste nur im Monatsrhythmus und in einer räumlichen Auflösung von zehn Metern erfassen. Diese Zahl umfasst sowohl kahle Flächen, in denen keine oder nur noch vereinzelt Bäume stehen, als auch stehengelassenes Totholz.

Bezüglich Region und Baumart gab es große Unterschiede. In einem Gürtel, der sich durch die Nadelwälder in Mitteldeutschland zieht, der von der Eifel über den Westerwald, das Sauerland und den Harz bis in die sächsischen Mittelgebirge hineinreicht, zeichnen sich die Verluste am deutlichsten ab, erklärt Dr. Frank Thonfeld. In einigen Landkreisen betrugen die Nadelbaumverluste sogar bis zu zwei Drittel. Allein von 2018 bis 2020 seien insgesamt 277.000 Hektar Waldfläche geschädigt worden, die wieder bewaldet werden müsse, wie es hieß.

Dem Waldbericht der Bundesregierung für 2021 zufolge wiesen nahezu alle Hauptbaumarten Vitalitätseinbußen und Schadsymptome auf. So lag der Anteil der Bäume ohne Kronenverlichtung (Blatt- oder Nadelverlust der Baumkrone) bei nur 21 Prozent. Beim Kronenzustand gab es gegenüber dem Vorjahr zwar leichte Verbesserungen, eine Entwarnung ist jedoch nicht absehbar.

Viele der geschädigten Bäume sterben ab oder müssen gefällt werden. Die Veränderungen begannen 2018 in Sachsen und Sachsen-Anhalt und seien in den Folgejahren kontinuierlich in die Mitte und danach in den Westen Deutschlands gewandert. So ist auf einer Karte, auf der die jährlichen Nadelbaumverluste in Deutschland im Verhältnis zur gesamten Nadelwaldfläche dargestellt sind, zu erkennen, dass 2018 vor allem der Osten betroffen war. 2019 und 2020 traten die Baumverluste verstärkt auch in der Mitte und im Westen Deutschlands auf. 2021 waren die Werte etwas geringer, weil in diesem Jahr nur bis April gemessen wurde.

Wälder puffern Temperaturschwankungen

In europäischen Wäldern ist es in Bodennähe im Sommer im Schnitt um 2,1 Grad kühler als in der waldfreien Umgebung, im Winter ist es sogar um zwei Grad wärmer. Zu diesem Ergebnis kam ein internationales Forschungsteam, das seine Ergebnisse im Fachmagazin Global Change Biology veröffentlichte. Aufgrund dieser Erkenntnisse könne man die Auswirkungen des Klimawandels besser abschätzen, erklärt das Autorenteam um Stef Haesen von der KU Leuven/Belgien.

Im Zeitraum von 2000 bis 2020 hatten die Wissenschaftler in rund 1200 Zeitreihen an mehr als 1000 europäischen Standorten die Temperatur in offenem und windigem Terrain in zwei Metern Höhe gemessen. Die Daten kombinierten sie mit hochauflösenden Satellitenbildern zur Waldbedeckung, mit Angaben zur Topographie sowie zu den Temperaturbedingungen außerhalb der Wälder. Es zeigte sich, dass die Temperaturen innerhalb des Waldes als auch in offener Umgebung erheblich voneinander abwichen.

So lagen die Temperaturen im Wald im Frühjahr und Sommer unterhalb der Umgebungstemperatur, im Winter und Herbst jedoch darüber. Das Ausmaß der Abweichung wird drüber hinaus durch die Nähe zur Küste und die jährliche Niederschlagsmenge beeinflusst. Beide Werte beeinflussen die Feuchtigkeit des Bodens und damit auch die Temperatur in Bodennähe. Allerdings lebten viele Organismen unter Temperaturbedingungen, die deutlich von diesen Werten abwichen, räumten die Wissenschaftler ein.

Zudem beeinflusst auch das Blätterdach die Einstrahlungsintensität. Die räumliche Auflösung der Daten von 25 Metern sei noch zu grob, um einige wichtige Forschungsfragen zu klären, räumten die Wissenschaftler ein. Viele Organismen brauchen zum Überleben ein eher kleinräumiges Mikroklima. Für viele Arten seien ohnehin die mikroklimatischen Bedingungen in Bodennähe überlebenswichtig. Und einige Insekten finden nur in Sonnenflecken oder Baumlöchern geeignete Überlebensbedingungen.

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