Deutschland sucht den Sozialklimastar

Eine Umfrage will wissen, wie groß das lokale Sozialkapital in den deutschen Gemeinden und Städten ist

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ab sofort können Bürgerinnen und Bürger im Internet anonym Vertrauen, Freundlichkeit, Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft für alle Orte Deutschland bewerten und sagen, wo ihrer Meinung nach das beste Sozialklima herrscht. Nach der Finanzkrise werden immaterielle Güter zunehmend interessant, hängt doch von ihnen das sogenannte Sozialkapital ab. Wie groß ist es eigentlich?

Wohin wir auch gehen – überall werden wir nur nach unserem Einkommen und Vermögen bewertet. Ein Konsum- und Geschäftsklimaindex, sowie die monatliche Frage nach unserem Wahlverhalten – alle nur repräsentativ, also ohne unsere eigene Stimme ermittelt - reduzieren unsere Existenz auf zwei äußerst undankbare Rollen: Als Wähler und Konsumenten werden wir auf Stimm- und Geldbeschaffer reduziert, um deren Einschaltquoten Wirtschaft und Politik konkurrieren.

Selbst die Wohlhabendsten unter uns leiden unter dieser Reduzierung. Stets daran gewöhnt, dass man ihre Stimme oder ihr Geld möchte, fühlen viele sich menschlich nicht genug gewürdigt. Das Ergebnis kann man auch als Politikmüdigkeit bezeichnen, besser aber als den Umzug aller nichtmateriellen Dinge vom öffentlichen in den privaten Raum.

Im öffentlichen Raum herrschen Geiz und Korruption. Es wird um Besitzstände und Pfründe gekämpft. Verlust dadurch bisher allein in Deutschland: rund 2 Billionen Euro.

Ganz anders die Welt im Privaten. Dort wird geschenkt und gegeben. Man schöpft aus dem Füllhorn der Gastfreundschaft und Freundlichkeit, hat Vertrauen und ist hilfsbereit. Die private Welt ist oft ein Ort des Reichtums und Überflusses. Die Gesellschaft dagegen ein Ort der Verlustangst, des Neides und des Betrugs.

Es gibt aber nur eine Welt – und deshalb sind wir innerlich gespalten in Altruisten und Egoisten, Diebe und Gönner.

Die Summe der Geschenke, die wir uns überwiegend privat reichlich zukommen lassen, nennt man auch Sozialkapital. Selten fließt dabei Geld, immer aber Kontakte und Beziehungen. Sozialkapital ist derart mobil, dass Großkonzerne verzweifelt versuchen, es für ihre Geschäfte zu nutzen. Die Nutzer von Facebook müssen ihr Sozialkapital bereits an der Garderobe an die Werbekunden abgeben. Die ziehen erst einmal ihre Provisionen ab.

Das verbleibende Sozialkapital – so behaupten manche – reicht aber immer noch, um eine Revolution in Tunesien oder Ägypten durchzuführen. Das spricht dafür, dass das Sozialkapital doch größer ist, als viele es vermuten.

Wie groß ist nun das lokale Sozialkapital in Wanne-Eickel und Kaiserslautern, in Leipzig, Wismar und Karlsruhe? Erstmals können das Bürgerinnen und Bürger nun selbst beurteilen: Indem sie in etwa fünf Minuten die Fragen des Deutschen Sozialklimaindex beantworten:

Die Fragen: Was schenken Sie eigentlich anderen? Wie bewerten Sie Gastfreundschaft, Vertrauen, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit in Ihrem Ort? Wo ist das Sozialklima am besten?

Das Ergebnis der anonymen Befragung wird in wenigen Wochen veröffentlicht werden. Auch die Volksvertreter, rund 2.100 Bundes- und Landtagsabgeordnete, wurden so befragt. Noch bis zum 10. Juni kann mitgestimmt werden. Die Ergebnisse gibt es dann auch hier bei Telepolis.