Deutschlands Zukunft ohne Bauern? Landwirte zwischen Wettbewerb und Klima-Verträgen

Seite 3: Fragwürdiges Vorbild: Neuseeland

Das Gedankenexperiment des ARD-Podcasts endet, wie es angefangen hat: Mit einem gewissen Unverständnis für die Situation deutscher Landwirte – und der impliziten Annahme, es handle sich hier vermehrt um ein "deutsches" Problem.

Das bezeugt der Rekurs auf Neuseeland als eine Nation, die sich von dem "Schock" gestrichener Agrarsubventionen schnell erholt und andere Wege des Wirtschaftens gefunden habe. Wohin diese führen, ist jedoch problematisch.

Denn Neuseeland konnte den Subventionskahlschlag nur verkraften, weil es seinen internationalen Export massiv ausbaute. Und das gelingt eben nur großen Agrarunternehmen.

Warum der Vergleich ins Leere führt

Für kleine Familienbetriebe führt dieser Vergleich ins Leere. Und derselbe Podcast, der die deutschen Bauern für acht Prozent des hiesigen Treibhausgas-Ausstoßes und somit "für die Klimakrise mitverantwortlich" macht, vergisst zu erwähnen, dass es in Neuseeland ganze 49 Prozent sind.

Und noch eine entscheidende Frage vergisst er zu stellen: Wie viel davon ist eigentlich Bio?

Eine Antwort gibt der New Zealand Organic Sector Market Report von 2020/21. Er verzeichnet einen leichten Rückgang der zertifizierten Bio-Betriebe von rund 89.000 Hektar Fläche im Jahr 2017 auf rund 86.000 Hektar Fläche im Jahr 2020. Entscheidend ist aber vor allem das Verhältnis zur landwirtschaftlichen Gesamtfläche. Und die beträgt in Neuseeland laut dem erwähnten Bericht 10,4 Millionen (!) Hektar.

Im Bereich "Fleisch und Wolle" beträgt der Bio-Anteil lediglich 0,39 Prozent. Das klingt nicht nach einem Vorbild für Europa, mit dem Neuseeland vor Kurzem ein "historisches" Freihandelsabkommen unterzeichnet hat – das auch einen zollbefreiten Import von EU-Ware vorsieht. Dazu gleich mehr.

Der Knackpunkt: Wettbewerb, Weltmarkt und Import

Den entscheidenden Knackpunkt der Frage des internationalen Wettbewerbs spricht der Tagesschau-Podcast zwar an, die Einschätzung seiner Tragweite wirkt dabei allerdings maßlos untertrieben:

(V)ielleicht müssten wir mehr importieren. (…) da gibt es natürlich auch einige Bedenken. Also einmal ist es nicht besonders klimafreundlich, wenn wir jetzt die Lebensmittel von weiter transportieren oder sogar einfliegen.

Aber es ist auch eine Frage der Unabhängigkeit.

Tagesschau-Podcast "Mal angenommen": Keine Bauern mehr? Was dann?, 25.01.2024

Gemeint ist die Unabhängigkeit von internationalen, (auch geopolitisch anfälligen) Lieferketten, als Beispiel dient die Corona-Krise. Das ist insofern interessant, als die Bauern das gleiche Argument anführen, nur unter umgekehrten Vorzeichen.

"Ist der Bauer ruiniert, wird das Essen importiert" – Eine Parole, die so oder so ähnlich schon zigfach auf Traktoren prangte, wenn diese wieder einmal unterwegs waren, gegen die deutsche Agrarpolitik zu protestieren.

Dass die Parole keine leere Worthülse ist, dürfte sogar im Tagesschau-Podcast deutlich geworden sein. Und dass sich die Umweltauflagen "wettbewerbsschwächend" auf die Lebensmittel- und Agrarbranche auswirken, haben deren Interessenvertreter jüngst erneut beteuert, als sie öffentlich einen "Kurswechsel" von der Ampel forderten.

Eine zentrale und weitreichende Einsicht zum Thema ökologische Landwirtschaft und internationaler Wettbewerb hat der Autor dieses Artikels im Jahr 2021 bei einem Bericht für die Lokalpresse erhalten. Er findet, dass es sich lohnt, darüber zu brüten:

Das baden-württembergische Ministerium für Ländlichen Raum bestätigt solche "globalen Diskrepanzen" (bei der Tierhaltung und Umweltauflagen), weist aber darauf hin, dass die Einführung entsprechender (Import-)Beschränkungen wiederum "Verschlechterungen bei den zukünftigen Zugangsbedingungen für EU-Waren" und somit Nachteile für die exportabhängige landwirtschaftliche (und nicht nur diese, P.F.) Produktion nach sich ziehen könnte.

Badische Neueste Nachrichten, 13. Okt. 2021

Eine Frage noch, "mal angenommen" sozusagen: Handelt es sich bei der Ökologisierung der Landwirtschaft schlicht um einen zweckmäßigen trade-off, so wie Ökonomen ihn definieren? Und falls ja: wer profitiert davon, die Natur? Und die allein?