Die Außerirdischen waren es ausnahmsweise nicht!

Was den Untergang der Maya-Kultur besiegelte

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Nicht Paläo-Astronauten à la Däniken, nicht Kriege oder akute Umweltkatastrophen, sondern ein allmählicher Klimawechsel setzte der Maya-Kultur ein Ende. Wie Wissenschaftler des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) und der ETH Zürich zusammen mit US-Kollegen im Wissenschaftsmagazin "Science" (Vol. 299, Nr. 5613, pp. 1731-1735) berichteten, brachte eine lange Trockenperiode die klassische Maya-Kultur höchstwahrscheinlich zu Fall. Im 8. und 9. Jahrhundert hätten die Mayas nicht mehr genügend Wasser für ihre angestiegene Bevölkerung speichern können.

Bild: NASA

Sie kamen aus dem Dunkel der Geschichte und verschwanden auf obskure Weise ebenso wieder. Vielleicht wäre das kulturelle Erbe der Maya-Zivilisation für alle Zeit im Strom der Zeit verloren gegangen, hätten nicht einige historische Quellen beharrlich dem nagenden Zahn der Zeit getrotzt. Hätten die inmitten des Urwalds der im nördlichen Tiefland der Halbinsel Yucatan (heutiges Mexiko, Guatemala, Belize) eingebetteten pittoresken Pyramiden, Paläste, öffentlichen Versammlungsplätze, Steinmasken, Wandgemälde, Zisternen, Keramikprodukte und Schrifttafeln als letzte Zeugen einer einst blühenden Hochkultur selbst das Zeitliche gesegnet, wäre die Epoche der Mayas in den Annalen noch nicht einmal mit einer Randnotiz bedacht worden.

Friedliches kulturell hochstehendes Bauernvolk

Doch die scheinbar stummen Relikte, die inmitten tropischer Vegetation die Zeiten überdauerten und die schon im 16. Jahrhundert die spanischen Truppen während ihrer Eroberungs- und Ausbeutezügen durch Süd- und Mitteleuropa in den Regenwäldern von Yucatan als erste Vertreter der abendländischen "Kultur" zu Gesicht bekamen, waren aufgrund ihrer bewegten Vergangenheit gesprächiger als es den Anschein hatte. Sie erzählten von einer einstmals kulturell hochstehenden, friedliebenden mit der Natur im Einklang lebenden Zivilisation, die eine Sensibilität für den Sternenhimmel hatte und wohl deshalb ein effizientes Kalendersystem kreierte, die das Ballspiel und eine höchst komplizierte Schrift erfand, aber dennoch Ende des 9. Jahrhunderts aus unerklärlichen Gründen - quasi auf dem Höhepunkt ihrer Blütezeit - plötzlich und unauffindbar aus der Geschichte verschwand.

Praktisch von einer Generation zur nächsten löste sich das Maya-Volk scheinbar in Nichts auf. Wuchs die Bevölkerungszahl im 8. Jahrhundert noch bis auf 15 Millionen Menschen an, kam es ein Jahrhundert später - zumindest aus der Sicht der Demographen - zum Kollaps.

Was zurück blieb von den einstmals blühenden Städten im Tiefland Yucatans waren neben versprenkelten kleineren Menschengruppen verlassene Ruinen und zahlreiche auf Monumenten und Keramiken verewigte Maya-Inschriften, mit denen jedoch die Archäologen, Historiker und Anthropologen lange Zeit nichts anzufangen wussten. Erst als Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts der komplizierte Code der Mayaschrift "geknackt" wurde - bis Ende 1994 konnten die Maya-Forscher ungefähr 80 Prozent der Schriftsymbole lesen und verstehen - löste sich der Mythos von den sanftmütigen und friedliebenden Mayas flugs in Luft auf.

Nach dem mühseligen Studium der Hieroglyphen-Inschriften sah es danach aus, als müssten alle Spekulationen über die wahren Gründe des Niedergangs der Maya ad acta gelegt werden. Danach hatten nicht verheerende Erdbeben, ein durch Intensivlandwirtschaft und Raubbau am Regenwald bedingter ökologischer Kollaps, eine tödliche Krankheit, plötzliche Klimaveränderungen oder gar eine Invasion von Fremden (!) den Anfang vom Ende der Mayas eingeleitet. Vielmehr waren es die Mayas selbst.

Blutrünstige Krieger

Die Entzifferung der in Stein eingravierten und auch auf Papier niedergeschriebenen Bilderschrift der Dschungel-Bewohner entzauberte den Mythos vom harmonischen Bauernvolk. Dies auf radikalste Weise. Aus der friedfertigen Gesellschaft wurde eine höchst kriegerische, dessen Alltag anno dazumal von blutigen Ritualen und grausamen Kriegen bestimmt war. Überlagert wurden die vereinzelten Kriege von einem "kalten Krieg", der zwischen den beiden Supermächten Tikal und Calakmul tobte. Zwischen den Fronten der beiden Großmächte, diesen letzten Endes aber untergeordnet, existierten 50 unabhängige Kleinstaaten, die ständig miteinander im Krieg lagen, sich dabei aber gegenseitig neutralisierten. Die beiden großen Brüder hingegen etablierten durch geschickte Allianzbildungen, Heiratspolitik und militärische Eroberungen ein Gleichgewicht der Schreckens und vermieden so lange Zeit eine direkte Konfrontation.

Alle Kriege, die wir finden, brachen zwischen zwei Kleinstaaten dieser beiden Machtblöcke aus. Das waren Stellvertreterkriege,

erklärt Nikolai Grube von der "University of Texas/Austin", einer der weltweit führenden Maya-Experten, der an der Entzifferung der Maya-Schrift maßgeblichen Anteil hatte. Solange sich die beiden Supermächte die Waage hielten, funktionierte das Ausbalancieren der Kräfte. Doch als Tikal Anfang des siebten Jahrhundert die Konfrontation suchte und über Calakmul siegte, geriet nicht nur das politisch-ökonomische Gleichgewicht aus den Fugen.

Vielmehr hatte sich Tikal schlichtweg übernommen, da seine wirtschaftlichen und politischen Strukturen nicht ausreichten, um das entstandene Riesenreich zentralistisch zu regieren und auch zusammenzuhalten. Das Maya-Reich zerfiel - nach dem neuesten Stand der Forschung allerdings nur allmählich. "Es war kein plötzliches Verschwinden, sondern ein langsamer Untergang", verdeutlicht die amerikanische Archäologin Diane Chase.

Klima als Kollaps-Faktor

Nunmehr aber scheinen einige nostalgische Maya-Forscher wieder auf oder in alten Theorien-Pfaden zu wandeln. Wissenschaftlern des GeoForschungsZentrums (GFZ) und der ETH Zürich in ist es zusammen mit amerikanischen Kollegen aus Miami, Princeton und Woods Hole erstmals gelungen, ein präzises Bild der klimatischen Rahmenbedingungen zu zeichnen, welches die Blütezeit der klassischen Maya-Kultur und die Phase des abrupten Kollapses im 9. Jahrhundert nach Christus charakterisiert.

Anhand von geochemischen Untersuchungen der Sedimente des Cariaco-Beckens vor der Küste Venezuelas konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass das Klima im nördlichen Südamerika im 8. und 9. Jahrhundert trockener war als zuvor. Mithilfe des Titanium-Gehalts der Sedimente konnten die Wissenschaftler Rückschlüsse auf Klimaänderungen in der Vergangenheit ziehen.

Ausgehend von der Gegebenheit, dass bei starken Niederschlägen auch verstärkt Titanium aus dem Erdboden gespült und zugleich ins Meer weitergeleitet wird, wo es sich im Ozeanboden ablagert, erreichten die Forscher eine präzise, nahezu monatliche Auflösung der Klimavariabilität in der Region. Die Daten stellen damit ein genaues Klimaarchiv dar, das die jährliche Variabilität des Klimas der Region aufzeichnet und damit eine Abschätzung des direkten Einfluss des Klimas auf dem Lebensraum der Maya in Yucatan zulässt.

Drei intensive Trockenperioden

Die Experten sind sich sicher, dass am Ende der klassischen Blütephase das Klima überaus stark auf die Maya-Kultur einwirkte. Zu diesem Zeitpunkt wohnten auf Yucatan mehrere Millionen Menschen. Die Maya lebten in großen Städten, sie kannten gewaltige Umweltprobleme wie die Bodenerosion, was unter anderem zu Nahrungsengpässen schon in der Zeit vor dem Kollaps führte. Die neuen Klimadaten zeigen, dass während der archäologisch gut beschriebenen Phase des Kollapses die Niederschläge generell reduziert waren. Zudem traten verstärkt Trockenperioden mit einer Dauer von drei bis neun Jahren auf, die sich auf etwa den Zeitraum AD 810, 860, und 910 datieren lassen und darüber hinaus eine gute Übereinstimmung mit wichtigen Phasen der demographischen Katastrophe der Maya aufweisen.

Nach Ansicht von Jeremy Sabloff, seines Zeichen Direktor des Museum of Archaeology and Anthropology der "University of Pennsylvania", müssen die Ursachen des Niedergangs der Maya-Gesellschaft multikausal gesehen werden. Gegenüber dem britischen Wissenschaftsmagazin New Scientist erläuterte der Forscher:

Any explanation for decline is a complex one: over-population, environmental problems and economic factors all made them vulnerable. But there is growing evidence that climate played a role. Perhaps it was the straw that broke the camel's back.

Für Gerald Haug von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, der die Studie leitete, lässt sich der handfeste Zusammenhang zwischen dem Untergang der einstigen Hochkultur und der lokalen Trockenheit nicht mehr von der Hand weisen.

Das 9. Jahrhundert war eine Phase intensiver Trockenheit mit drei großen Dürreperioden. Der damit zusammenhängende Klimawechsel muss es gewesen sein, der den Maya-Gesellschaft den letzten Rest gab.

Außerirdische allerdings hatten dabei - und darin sind sich alle Maya-Forscher einig - ihre Hände nicht im Spiel: sofern sie solche überhaupt haben.