Die Drucker-Industrie will Pauschalabgaben verhindern

... und setzt dabei auf DRM und Technologieverbote

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In einer idealen Demokratie wirken verschiedene wirtschaftliche und gesellschaftliche Gruppen durch ihre verschiedenen Interessen ausgleichend und sorgen für das Zustandekommen von Kompromissen. Dies sollte eigentlich auch im Falle von Urheberrechtsabgaben auf Computerteile und Peripheriegeräte so sein: Die Verwertungsgesellschaften könnten die Interessen ihrer Mitglieder vertreten, die IT-Geräteindustrie wiederum auf den kostengünstigen Zugang zu Informationen auch für weniger Begüterte pochen und in Gegnerschaft zu einer weitgehend ungerechtfertigten und ungerecht verteilten Besteuerung treten. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus: Während die Verwertungsgesellschaften vor allem ihre eigenen Bürokratien verteidigen (Vgl. Urheberrechtsausgleich oder Subventionssteuer?) hat sich eine Initiative der sieben größten Druckerhersteller offenbar zum Ziel gesetzt, die Privatkopie möglichst auszurotten.

Am Montag dem 15. Oktober propagierten die Vertreter der Druckerhersteller Brother, Canon, Epson, Hewlett-Packard, Kyocera, Lexmark und Xerox auf der Systems in einer gemeinsamen Erklärung (Vgl. Druckerhersteller machen Front gegen Urheberrechtspauschale) neben der Anwendung von Digital-Rights-Management-Systemen auch gleich noch für eine möglichst scharfe Umsetzung des Artikels 6 der Europäischen Urheberrechtsdirektive.

"Die Verbreitung von digitalen 'Einbruchswerkzeugen' muss wie in den USA strafrechtlich verfolgt werden" heißt es in Punkt 2 eines gestern ausgegebenen "5-Punkte-Plans" der Druckerhersteller-Initiative. Dass eine Regelung, wie sie in den USA mit dem DMCA durchgesetzt wurde, die Publikation wissenschaftlicher Studien zu Verschlüsselungssystemen verhindet (Vgl. Zwischen den Zeilen) und Dmitry Sklyarov für das Aufdecken von Verschlüsselungssystemen, die sogar ohne technische Hilfsmittel beim Lesen im Kopf enträtselt werden können, ins Gefängnis brachte (Vgl. Making Light) fällt für Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder gegenüber dem "Schutz des geistigen Eigentums" nicht ins Gewicht - die massive Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit interessiert ihn gar nicht.

Warum, so fragt man sich jetzt, ist ausgerechnet der Druckerindustrie, die ja durchaus mit dinglichem Eigentum ihr Geld verdient, so sehr am Schutz des "Eigentums" einer ganz anderen Branche gelegen? Das Rätsel bleibt ungelöst. Beantwortet werden kann nur die Frage, wer bei einer von der Druckerinitiative propagierten Lösung die wahrscheinlichen Verlierer sein werden: Konsumenten und Autoren.

Bei der Vorstellung des von der Druckerindustrie ganz vorne im "5-Punkte-Plan" propagierten DRM-Modells (Digitale Rechte und ihre Manager) fällt auf, dass zwar keine Gelegenheit ausgelassen wird, zu erwähnen, dass DRM-Systeme bereits jetzt funktionieren, aber kein einziges Beispiel einer laufenden DRM-Anwendung genannt wird. Mit Grund: Hier hätten die Propheten des Content-Kleinunternehmers, der seine Texte ohne Zwischeninstanz mit eigenem DRM-System vermarkten soll, durchaus Mühe ein Beispiel zu finden, das tatsächlich dem Autor Geld in die Kasse bringt. Bei den bestehenden Anwendungen der gebührenpflichtigen elektronischen Vermarktung profitierten bisher einzig einige wenige "Rechteinhaber", sprich Verlage. Im Bereich naturwissenschaftlicher Zeitschriften etwa verteuerte das Oligopol aus Reed Elsevier und einigen anderen Verlagen die wissenschaftliche Arbeit erheblich, indem es den elektronischen Content teilweise nur in Paketen aus unentbehrlichem zusammen mit uninteressantem Material verkaufte und durch Lizenz- statt Kauflösungen die Kosten für wissenschaftliche Bibliotheken erheblich erhöhte. Die Autoren des Contents allerdings sehen weiterhin keinen Pfennig für ihre Arbeit (Vgl. Die Wissenschaft schlägt zurück). Auch der (allerdings nicht über DRM geregelte) gebührenpflichtige Zugang zum Archiv der New York Times brachte wohl dem Verlag, nicht aber den Autoren zusätzliche Einnahmen. Im Gegenteil: Freie Autoren, die eine zusätzliche Vergütung für diese Nutzung forderten, werden von der Times nicht mehr beschäftigt (Vgl. Schwarze Listen bei der New York Times).

Alles Gründe, die auch bei den anwesenden Journalisten Zweifel gegenüber dem von HP-Manager Hans-Jochen Lückefett propagierten Modell, aufkommen lassen - die dieser jedoch mit dem Verweis darauf abtut, dass sich ein "Markt" für "geistiges Eigentum" erst noch ausbilden müsse. Stattdessen beharrt er darauf, dass sich wegen der Pauschalabgaben in Deutschland keine Wertschätzung für das "geistige Eigentum" hätte entwickeln können. Freimütig gibt er dabei zu, dass Menschen außerhalb seiner Geschäftsumwelt schockiert auf seine Bestrebungen zur Verschärfung des Urheberrechts reagieren. Hier müsse jedoch, so Lückefett, ein anderes Bewusstsein geschaffen werden. Der Gedanke, dass sich Gesetze in einer Demokratie besser am Rechtsempfinden der Bevölkerungsmehrheit als an dem einer kleinen Elite ausrichten sollten, ist ihm offenbar ebenso fremd wie die Einsicht, dass die geringe Wertschätzung für das "geistige Eigentum" möglicherweise mit dem zu tun haben könnte, was von der Medienindustrie als solches verkauft wird (Vgl. Es ist geil ein Arschloch zu sein oder Blödheit als "geistiges Eigentum").

Ansonsten propagiert die Initiative in ihrem "5-Punkte-Plan" noch eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für urheberrechtlich geschützte Daten (die in den relevanten Bereichen auch ohne staatliche Pflicht bereits freiwillig vorgenommen wird), für eine "Begrenzung der Erlaubnis der privaten Vervielfältigung auf ein Mindestmass und nutzungsabhängige Vergütung" (was im Klartext heißt: Man zahlt für wiederholtes Anhören bzw. Ansehen jedes Mal wieder) sowie für die "Unterstützung von Payment-Lösungen (gesetzliche Mindeststandards für die Sicherheit im Internet-Zahlungsverkehr)."

Angesichts des Lobbyismus für eine radikal konsumentenfeindliche Umsetzung der EU-Direktive zum Urheberrecht kann der Konsument nur das Schlimmste erwarten. Zusammen mit Medienindustrie und Verwertungsgesellschaften (Vgl. Popkomm: Schärfere Gesetze zum Urheberschutz gefordert) drängt nun auch die Druckerindustrie in einer Lobbyisten-Einheitsfront auf eine möglichst rigorose Umsetzung der Richtlinie, während sich bisher noch keine relevante politische Kraft für eine rechtssichere Herausnahme wissenschaftlicher und journalistischer Werke aus dem in Art. 6 der EU-Direktive geforderten Verbot von "Umgehungstechnologien" ausgesprochen hat.