Die EU sucht neue Partner im Osten..

..und braucht vor allem sichere Transportwege für Öl und Gas

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Bei der neuen "Ostpartnerschaft" der Europäischen Union, die am Donnerstag in Prag begründet wurde, geht es nicht um gleichberechtigte Zusammenarbeit, sondern um die Interessen der (West-)Europäer. Und auch bei den Beratungen am Freitag über den "Südkorridor" ging es vor allem um eines: die Energiesicherheit der EU. Eine Beitrittsoption für die "Partner" ist damit natürlich nicht verbunden.

Der Termin war denkbar unglücklich: Seit Mittwoch läuft in Georgien »Cooperative Longbow«, eine militärische Stabsübung gemeinsam mit NATO-Truppen, die Moskau als "offene Provokation" bezeichnete (siehe dazu Machtspiele in Georgien). Noch am Tag zuvor hatte der georgische Präsident Michael Saakaschwili in einer Fernsehansprache in Tbilissi die russische Staatsführung beschuldigt, eben wegen dieses Manövers einen Putsch in Georgien angezettelt zu haben. Der Kreml – der Saakaschwili empfahl, sich wegen dessen krankhafter antirussischer Tendenzen an einen Arzt zu wenden – sagte aus Protest gegen die Übung die Teilnahme am NATO-Russland-Rat Mitte des Monats ab.

Dass der EU-"Ostgipfel" die Spannungen nicht nur zwischen Moskau und Tbilissi weiter verschärft, steht außer Zweifel. Schließlich steht Georgien nun in der Reihe jener sechs Staaten, die die Europäische Union künftig in einer »Ostpartnerschaft« enger an den Westen binden will. Glaubt man den Dokumenten, geht es um nicht weniger als eine "ehrgeizige Partnerschaft", die "eine erhebliche Ausweitung des politischen Engagements" vorsieht. Genannt werden in der entsprechenden Mitteilung der Kommission dazu unter anderem "die Möglichkeit, eine neue Generation von Assoziierungsabkommen abzuschließen, die weitreichende Integration in die EU-Wirtschaft, die Vereinfachung der Einreisebedingungen in die EU bei Erfüllung bestimmter Sicherheitserfordernisse" sowie die Aufstockung der finanziellen Hilfe für die Staaten im Osten.

Der Sinneswandel hinsichtlich des "Schurkenstaates" Weißrussland

Vorgesehen ist, die bereits im Rahmen der EU-Nachbarschaftspolitik für die neuen Partnerstaaten bereitgestellten 250 Millionen Euro um 350 Millionen im Zeitraum bis 2013 aufzustocken. Erste Projekte, die mit den Geldern finanziert werden könnten, sollen bereits im Juni vereinbart werden. Künftig wird es zudem alle zwei Jahre Gipfeltreffen der EU und der Ost-Staaten geben. Eine Option auf einen Beitritt ist mit der Partnerschaft aber ausdrücklich nicht verbunden.

Neben Georgien gehören auch die ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien, Aserbaidschan, Moldawien, die Ukraine und Weißrussland zu den Auserwählten. Gerade bei letzterem Staat hat Brüssel eine überraschende Wendung vollzogen: Noch vor kurzem war Weißrussland in der EU als "letzte Diktatur Europas" mit autoritärem Präsidenten gebrandmarkt. Im vergangenen Herbst – nach dem russisch-georgischen Konflikt – sah man in Brüssel jedoch plötzlich eine positive Entwicklung in Minsk.

Der Sinneswandel hinsichtlich des "Schurkenstaates" Weißrussland kommt jedoch nicht ungefähr. Schließlich geht es keineswegs nur um demokratischen Wandel und wirtschaftlichen Aufschwung, wie die Präambeln der EU-Papiere erklären. Man muss schon etwas weiter nach hinten blättern, um die Aussagen zu finden, um die sich alles dreht – so heißt es in der Information der Brüsseler Kommission an Rat und Europaparlament:

Ziel der Östlichen Partnerschaft ist es, die Energieversorgungssicherheit der EU und der Partner, d. h. eine langfristige Sicherung der Energieversorgung und des Energietransports, zu gewährleisten.

In den EU-Arbeitspapieren wird auch deutlich, wofür das Brüsseler Geld genutzt werden soll: für den Ausbau der Energieinfrastruktur der Ostländer, die Errichtung eines Sicherheitssystems inklusive Frühwarnmechanismus bei Krisen und nicht zuletzt die Schaffung eines "Südkorridors" für Energielieferungen.

Der Ostgipfel als Energiegipfel

Zu letzterem Thema ging der Ost- nahezu nahtlos in einen Energiegipfel über. Neben den Neupartnern waren zu der Diskussion auch Ägypten, die Türkei, Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan geladen. Aber nur die Türkei und Georgien sowie Ägypten und Aserbaidschan unterzeichneten die Deklaration über die engere Zusammenarbeit und Errichtung der "Nabucco-Pipeline" bis 2014. Über die Leitung, das zentrale Vorhaben des "Südkorridors", soll künftig Gas aus der Kaspischen Region unter Umgehung Russlands in die EU geliefert werden. Die politischen Erklärungen von Prag sollen bis Ende Juni in einen formellen Rahmen gegossen werden.

"Nabucco"-Pipeline

Offensichtlich ist: Gerade nach dem von Georgien angezettelten militärischen Konflikt um Abchasien und Südossetien steht für die EU die Frage der Energiesicherheit und die Errichtung von Versorgungswege für Öl und Gas, die von Russland unabhängig sind, an vorderster Stelle. Dass Moskau die diesbezüglichen Aktivitäten als Affront betrachtet, wird in Kauf genommen. Und das, obwohl das Verhältnis zu Moskau gerade erst notdürftig gekittet worden war. Erst im vergangenen November hatten EU und Russland nach langem Stillstand in den Beziehungen die überfälligen Verhandlungen für ein neues Partnerschaftsabkommen aufgenommen.

Eine weitere Schweigepause mag Brüssel im Verhältnis zu Russland allerdings nicht riskieren – und betont, die neue Ostpartnerschaft richte sich nicht gegen Moskau. Dort allerdings wird das anders gesehen: "Einiges im Bezug auf die Östliche Partnerschaft macht uns Sorgen", meinte Russlands Außenminister Sergej Lawrow bei Beratungen mit der EU.