Die EU will abheben

Beschlossen wurde von den Forschungsministern eine gemeinsame Raumfahrtstrategie und die Schaffung eines einheitlichen Forschungsraums, die EU-Kommission setzt auch auf Förderung der Genomforschung

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Gestern haben die EU-Forschungsminister und der Rat der Europäischen Raumfahrtagentur in Brüssel eine gemeinsame Raumfahrtstrategie beschlossen. Im Auftrag der ESA hatten drei "Weise" in einem Bericht eine EU-Raumfahrtbehörde und ein größeres Engagement gefordert (Europa braucht eine neue Weltraumpolitik). Aber man setzt auch auf die Genforschung und will diese stärken, während die EU-Kommission einen Dialog mit der breiten Öffentlichkeit starten will, um die Widerstände gegen die Forschung zu beseitigen.

Wolf-Michael Catenhusen, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), begrüßte auf der Ratstagung den Beschluss: "Es ist das erste Mal, dass sich die EU mit dem Thema Raumfahrt direkt befasst. Die Forschungsminister der EU und der ESA-Rat haben sich darauf verständigt, die Basis für Raumfahrtaktivitäten zu stärken, die wissenschaftliche Erkenntnisse zu erweitern und dabei auch die wirtschaftlichen Vorteile zu nutzen. Wir müssen uns auf bestimmte Anwendungsfelder konzentrieren und die Kommerzialisierung der Ergebnisse aus der Raumfahrt vorantreiben."

Die ESS (European Strategy for Space) will die Grundlagen der Weltraumaktivitäten ausbauen, was besonders die Entwicklung von Raumfahrzeugen betrifft, die wissenschaftliche Forschung erweitern und die Ergebnisse für die Gesellschaft und die Märkte verwerten. Das betrifft vor allem den Bereich der Satellitenkommunikation und den Bereich der Informationstechnologie, ein europäisches GPS (Galileo) und Satelliten zur militärischen und Umwelt-Überwachung (Die EU will ein eigenes Global Positioning System schaffen). Einbezogen werden sollen auch stärker kleine und mittlere Unternehmen. Man setzt allgemein auf Partnerschaften zwischen Unternehmen und öffentlichen Institutionen.

Die ESA und die Europäische Kommission sollen enger zusammenarbeiten. So wird es jetzt möglich sein, dass die ESA auch EU-Projekte durchführen kann. Erst einmal wurde die Etablierung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe beschlossen, die weitere Vorschläge für die künftige Entwicklung der ESS und ihrer Umsetzung machen soll. "Durch diese Beschlüsse hat die Europäische Weltraumpolitik einen ersten Schritt in eine neue Phase gemacht, in der Weltraumsysteme zu einem Bestandteil der politischen und wirtschaftlichen Pläne der europäischen Staaten werden", sagt Antonio Rodota, der Generaldirektor der ESA.

Für Catenhusen kommt es jetzt darauf an, "eine neue Infrastruktur aufzubauen und nicht weiter nur isoliert Technologien zu entwickeln", um in diesem Sektor wettbewerbsfähig sein zu können. Catenhusen unterstützt auch die "Konzentration auf konkrete Arbeitsfelder wie Telekommunikation, das autonome Satelliten-Navigationssystem Galileo und ein globales Monitoring für Überwachung und Schutz der Umwelt." Dabei geht es auch darum, dass die EU sicherheitsstrategisch unabhängiger vom amerikanischen GPS und von den amerikanischen Aufklärungssatelliten werden will (Europa braucht eine neue Weltraumpolitik).

Eine weitere Ratsentschließung zielt darauf, die europäische Forschung gegenüber den USA und Japan durch die Schaffung eines Europäischen Forschungsraums zu stärken. Nach einem vor kurzem veröffentlichten Bericht der EU tragen die Hightech-Sektoren und die wissensbasierten Dienste erheblich zum Wirtschaftswachstum und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze bei. Während die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der EU zwischen 1994 und 1999 mit 1,8 Prozent des Bruttoproduktionswerts konstant geblieben sind, sind sie in den USA auf 2,7 Prozent und in Japan auf 3,1 Prozent angestiegen. Dementsprechend arbeiten in der EU auch mit einem Anteil von 5,1 Prozent an der Gesamtzahl der Werktätigen nur weniger Wissenschaftler als in den USA (7,4 Prozent) und in Japan (8,9 Prozent). Das wirkt sich auch auf den wissenschaftlichen "Output" aus. Zwar stammen 47 Prozent der europäischen Patente von der EU, aber in den USA und Japan haben die EU-Patente einen wesentlich kleineren Anteil. Steigerungen aber gibt es beim Anteil an den wissenschaftlichen Publikationen (37,8 Prozent im Jahr 1998) und bei den Zitierungen europäischer Wissenschaftler (38,2 Prozent). In den USA und in Japan lässt sich hier ein Rückgang verzeichnen.

Die Verbesserungen der Rahmenbedingungen sind für die Forschungsförderung entscheidend, sagt Catenhusen: "Wir müssen definieren, was die Bedürfnisse der Forschung sind. Und die verantwortlichen Stellen müssen Hemmnisse abbauen und Regeln treffen, die mehr Möglichkeiten für die Forschung schaffen." Ganz wichtig sei dabei auch der "Abbau von Mobilitätshemmnissen für europäische Forscherkarrieren".

Vor wenigen Tagen hatte die EU-Kommission eine Initiative zur Förderung der Genomforschung beschlossen, da diese "für Europa strategisch wichtig ist, weil man erwartet, dass sie einen beträchtlichen wirtschaftlichen, medizinischen und gesellschaftlichen Nutzen eröffnet." Eingerichtet wird ein "Forum für Genomforschungsmanager", das Synergien zwischen Forschungsprogrammen der EU und der Mitgliedsstaaten und die Vernetzung nationaler Programme fördern soll. Die Initiative "Genomforschung für die Gesundheit der Menschen", für die 100 Millionen Euro investiert werden, soll "integrierte Projekte" mit gemeinsamen Management schaffen und wissenschaftliche Infrastrukturen ausbauen, aber auch Forschung über die moralischen und gesellschaftlichen Folgen der Genomforschung unterstützen. Im Kern steht jedoch die Entwicklung von neuen Techniken und der Bioinformatik, von neuen Diagnoseverfahren und therapeutischen Ansätzen.

Und ganz allgemein will die Kommission die Wissenschaft den Bürger oder die Bürger der Wissenschaft näherbringen. In einem Diskussionspapier, dass der Forschungskommissar Philippe Busquin vorgelegt hat, wird eine umfassende Debatte über die Rolle und den Platz der Wissenschaft in der Gesellschaft gefordert: "Im gegenwärtigen Europa", so Busquin, "ist das Verhältnis zwischen der Wissenschaft und der Gesellschaft eine Art Paradox. Die Europäer erwarten eine Menge von der Wissenschaft, aber einige Vorfälle, die sich kürzlich wie die BSE-Krise ereignet haben, zeigen die Schwierigkeit, die dem Umgang mit wissenschaftlicher Erkenntnis eigen ist. Es besteht die dringende Notwendigkeit, diese Fragen mit den gewöhnlichen Menschen auf eine Weise zu diskutieren, die sie verstehen können."