Die "Fat Lady" muss abspecken

Italien kürzt die Opernsubventionen um 40 Prozent

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"It ain't over till the fat lady sings" lautet ein amerikanisches Sprichwort, das daher kommt, weil es in diesem Genre so viele ausgesprochen wohlgenährte Sängerinnen gibt. Doch wer wohlgenährt ist, der kann den Gürtel auch leichter einmal enger schnallen, als derjenige, der nur aus Haut und Knochen besteht.

In Frank Capras Filmklassiker Mr. Deeds Goes to Town erbt Gary Cooper als Longfellow Deeds überraschend ein Millionenvermögen. Kurz nach dem Antritt des Erbes wählt ihn der Vorstand der Oper in der Nachfolge seines verstorbenen Onkels zum Präsidenten. Als Cooper, der einfache Mann aus dem Volk, in dieser Position wider Erwarten die Geschäftszahlen der Einrichtung hören will, muss er feststellen, dass diese ein hohes Defizit erwirtschaftet, welches er ausgleichen soll. Das sei, so die anderen Mitglieder des Vorstandes auf seine Nachfrage hin, ganz normal und müsse so sein. Deeds aber will das durchaus nicht als normal akzeptieren und sagt ihnen, dass sie die Oper entweder als profitables Unternehmen führen oder schließen müssten.

Später beschließt er den größten Teil des Vermögens seines Onkels hungernden Farmern zu geben, die von Banken enteignet wurden. Darauf hin versucht die Anwaltsfirma, die das Vermögen des Verstorbenen mit recht viel Eigennutz verwaltet hat, Deeds entmündigen zu lassen. So muss dieser vor Gericht erklären, warum er mit seinem Geld nicht die Oper subventioniert, sondern lieber armen Leuten hilft, sich eine neue Existenz aufzubauen. Das macht er mit dem Vergleich, dass er lieber einen Ertrinkenden in sein Boot holt als jemanden, der ein eigenes hat und nur zu faul zum Rudern ist.

Ein ähnliches Wehklagen wie das der Opernfreunde in dem Film von 1936 hört man derzeit vom "Deutschen Kulturrat", dem "Spitzenverband der Bundeskulturverbände", der Äußerungen des Bonner Oberbürgermeisters Jürgen Nimptsch über eine mögliche Aufgabe der Bonner Oper "äußerst bedenklich" findet und sich "sehr besorgt" darüber zeigt. Nimptsch hatte letztes Wochenende auf einer kulturpolitischen Tagung in Köln gemeint, dass es ja auch in Köln, das Bonn näher liegt als so manche Vorstadt dem Zentrum einer Metropole, eine Oper gäbe, die in seiner Heimat ansässige Liebhaber der Theatergattung besuchen könnten.

Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, brachte in seiner via Pressemitteilung verbreiteten Besorgnisäußerung darauf den stark gekünstelt, aber trotzdem wenig hochkulturell klingenden Slogan "Starke Städte brauchen starke Kultur-Kraftwerke!" unter. Wenn eine Stadt "ihren Gürtel enger schnallen" muss, so Zimmermann, dann dürfe das "keinesfalls dazu führen, dass das kulturelle Profil einer Stadt immer stärker verwässert wird", denn "die Identität einer Stadt hängt unmittelbar mit ihren Kulturleistungen zusammen".

Ein wirkliches Argument gegen Opernschließungen findet sich in dieser Äußerung nicht. Man kann ihr aber indirekt entnehmen, dass Zimmermann offenbar lieber in allen anderen Bereichen sparen will als bei der Subvention von Opernhäusern. Diesen Weg schlägt beispielsweise die Stadt Wuppertal ein, die trotz der Nähe zum Ruhrgebiet mit seinen zahlreichen Spielstätten eine eigene und kaum besuchte Oper weiter mit Schulden finanziert. Dafür kürzt man unter anderem bei den Hilfen für Obdachlose.

Einen anderen Weg geht derzeit der italienische Kulturminister Sandro Bondi, ein ehemaliges KP-Mitglied: Er kürzte die Staatszuschüsse an die Opern, die etwa die Hälfte des Kulturetats ausmachen, um 40 Prozent. Im Durchschnitt decken die Einnahmen aus dem Eintrittskartenverkauf nur knapp 20 Prozent der Ausgaben einer italienischen Oper ab. Aber nicht alle der 14 relativ autonom wirtschaftenden Opernstiftungen sind in gleichem Ausmaß von den Kürzungen betroffen.

Manche davon gaben in der Vergangenheit sorglos deutlich mehr Geld aus, als sie zur Verfügung hatten, und rechneten damit, dass die Steuerzahler schon für die Erfüllung ihrer Wünsche einspringen müssten. Das ist der Grund, weshalb dem Genueser Teatro Carlo Felice die Schließung droht. Die Intendanten verwalteten das Schauspielhaus so sorglos, dass es Millionen von Euro Schulden anhäufte, vor denen im Sommer auch ein Zwangsverwalter kapitulierte. Weitere Bereinigungskandidaten sind das Theater Teatro di San Carlo in der Korruptionsmetropole Neapel und die Oper in Bologna.

Die Mailänder Scala. Foto: Giovanni Dall'Orto. Lizenz: CC-BY-SA.

Anders sieht es an der international bekannten Mailänder Scala aus, die ihre Ausgaben nur zu 40 Prozent aus Staatsbeihilfen bestreitet. Sie hat durchaus das Potenzial, langfristig kostendeckend oder sogar profitabel zu wirtschaften. Und an der Fenice-Oper in Venedig führte Fortunato Ortombina vor, wie sich mit einem Drittel weniger Geld ein Drittel mehr Vorstellungen geben lassen.

Trotzdem beklagte sich Stéphane Lissner, der Intendant der Mailänder Scala, über die Kürzungen und verglich in einem Interview eine Privatisierung von Opern mit der von Krankenhäusern. Doch die elaborierten Singspiele sind weder überlebensnotwendig, noch sind sie natürliche Monopole wie die Wasserversorgung, in denen sich kein Wettbewerb bilden würde. Welche Schäden wären zu erwarten, wenn im Zeitalter der Billig-DVD Opernkarten zu dem Preis angeboten würden, von dem ein guter Teil der Besucher sonst so schwärmt - dem Marktpreis?

Das Angehörige dieser Gruppe durchaus bereit wären, die kognitive Dissonanz durch ein erhöhtes Eintrittsgeld aufzulösen, bewiesen Publikumsreaktionen auf die Protestaktionen gegen die Subventionskürzungen, mit denen die teilnehmenden Sänger und Musiker nicht unbedingt das erreichten, was ihnen vorschwebte. Stattdessen wurden sie teilweise ausbuht und aufgefordert, sich endlich an die Arbeit zu machen.

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