Die Festung Europa vergreist

Die alten Menschen werden immer mehr, die Menschen im arbeitsfähigen Alter müssen immer mehr zahlen; nur eine massive Einwanderung und Mobilität innerhalb der EU könnte Abhilfe schaffen

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Während man in Deutschland weiterhin wie die Katze um den heißen Brei herumschleicht und die CDU in Nordrhein-Westfalen gar einen Wahlkampfslogan aus der Abwehr gegen Immigration geschmiedet hat, ist die Aussicht eindeutig: Die Bevölkerung in der EU und insbesondere Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien veraltert rapide. In 15 Jahren wird die junge Generation bis 25 Jahren gerade noch einmal ein Viertel der Bevölkerung darstellen, während die Zahl der über 80Jährigen bis auf 9 Prozent ansteigen wird. Nicht nur Computerexperten werden in den nächsten Jahren fehlen, die gesamte Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter geht in vielen Ländern zurück. Sollen in der EU der Lebensstandard, die sozialen Sicherungen, wirtschaftlicher, technischer und wissenschaftlicher Fortschritt oder auch nur beispielsweise die Zahlung der Renten gesichert werden, wird zumindest eine hohe Mobilität innerhalb der Mitgliedsstaaten, aber auch langfristig eine massive Einwanderung notwendig werden.

Die Situation dürfte eigentlich allen Politikern bekannt sein. Auch die UN hat schon lange die entsprechenden Zahlen vorgelegt. Aber um kurzfristig Punkte in einem Wahlkampf zu machen, setzen Politiker unverantwortlich auf Ressentiments gegen Ausländer, anstatt den Weg für die künftig notwendigen Änderungen zu ebnen, wenn sie denn die Menschen in den nächsten Jahren nicht mit falschen Versprechungen betrügen wollen. Gleich ob "Mehr Ausbildung statt mehr Einwanderung" oder "Kinder statt Inder" - solche Slogans streifen nicht einmal die künftigen Probleme.

Im Jahr 2025 werden über 110 Millionen Europäer oder ein Drittel der Gesamtbevölkerung der EU Rentner sein. Während die Bevölkerung der USA in den nächsten Jahren wachsen wird, sinkt sie in der EU, was sich nicht nur der sinkenden Geburtenrate, sondern auch der hier herrschenden Einwanderungspolitik verdankt. In der Festung Europa wird man immer älter. In manchen Regionen wird das Durchschnittsalter von 38 Jahren (1995) auf 44 bis 50 Jahren anwachsen. In den USA wird vermutlich auf drei Menschen im arbeitsfähigen Alter ein Mensch über 65 Jahre kommen, in Ländern wie Deutschland oder Italien wird das Verhältnis bestenfalls 2 zu 1 oder auch 1 und 1 sein.

Um die Größe der arbeitenden Bevölkerung konstant zu halten, müsste Italien jährlich 350000 und Deutschland jährlich eine halbe Million Einwanderer ins Land holen. Noch größere Einwanderungsströme wären allerdings notwendig, um das Verhältnis der Menschen im Ruhestand zur arbeitenden Bevölkerung konstant zu halten. Gibt es heute ungefähr fünf Menschen im arbeitsfähigen Alter auf einen Menschen über 65 Jahre, so wäre das Verhältnis im Jahr 2050 2:1. Wollte man ein Verhältnis von 4:1 konstant halten, müssten jährlich 2,2 Millionen Menschen in Italien oder 3,4 Millionen Menschen in Deutschland einwandern. Und da gibt es schon einen Aufruhr um 20000 Menschen, die als IT-Experten vorübergehend in Deutschland arbeiten können sollen - und offenbar jetzt schon nicht so recht wollen.

Ein Hauptproblem wird dabei die Finanzierung der Renten sein. Immer weniger arbeitende Menschen, die immer früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden, müssen immer mehr zahlen, um die Renten für die wachsende Zahl der Alten zu bezahlen, denn in Europa werden die Renten noch überwiegend durch staatliche Systeme getragen. Welcher junge Mensch wird bereit sein, die Hälfte oder mehr seines Einkommens für die Rentensicherung herzugeben, von der er vermutlich selbst nicht sehr viel haben wird? Dann stellt sich nicht mehr die Frage, wie viele Menschen wir über eine Green Card zeitweise einreisen und in der EU arbeiten lassen wollen, sondern ob sich überhaupt noch jemand findet, während die jungen Menschen selbst auswandern. Dabei hängt das Euro-Land zusammen, so dass höhere Staatsverschuldung in einem Land, um die Renten weiter bezahlen zu können, insgesamt die Inflation oder zumindest die Zinsen erhöhen könnte. Und ob ein eEurope, wie sich das die Kommission ausmalt, das überdies wirtschaftlich die USA überflügeln soll, mit der vergreisenden Bevölkerung und steigenden Steuern in Schwung kommen wird, bleibt sehr fraglich.

Ein Problem wird freilich die Sache nicht leichter machen: je mehr alte Menschen es gibt, desto mehr wird auch die Politik von ihnen abhängen, wenn sie das überwiegende Wählerpotential bilden werden. Wird es dann noch Politiker geben, die einschneidende Veränderungen gegenüber den Rentnern durchsetzen wollen? Und die Parolen, die auf die Stimmung gegen Ausländer setzen, zielen bereits vornehmlich auf die ältere Wählerschaft. Die Politik der Mitte wird zunehmend eine der älteren Generation, was auch nicht gerade ein Grund dafür sein dürfte, warum die künftigen jungen Generationen im teuren demokratischen Altersheim der EU bleiben sollten.