Die Kettenreaktion will nicht abreißen

Mehr Urananreicherung in Gronau trotz Atomausstieg

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Unbeeindruckt von der Abmachung zwischen Bundesregierung und Industrie, in Deutschland die Atomkraft langfristig abzubauen, läuft in Nordrhein-Westfalen ein Genehmigungsverfahren zur Erweiterung der Urananreicherungsanlage in Gronau. Die Firma Urenco will ihre jährliche Anreicherungskapazität von derzeit 1.800 Tonnen auf stolze 4.500 Tonnen steigern.

Urananreicherungsanlage Gronau

Der Antrag liegt noch beim SPD-Energieminister Axel Horstmann. Beantragt ist neben der Kapazitätsausweitung für die Anreicherungsleistung der Umgang mit jährlich 7.285 Tonnen natürlichem Urans, 92 Tonnen angereicherten Urans mit einem Anreicherungsgrad von maximal 5 % U-235 und 1.235 Tonnen angereichertem Urans mit max. 6 % U-235, sowie 26.514 Tonnen abgereichertem Uran in Form von Uranhexafluorid (UF6) und 50.000 Tonnen Uranoxid (U3O8).

Die Urenco-Gruppe betreibt in Deutschland, Großbritannien und im niederländischen Almelo nur wenige Kilometer vom deutschen Standort Gronau entfernt ihre Urananreicherungsanlagen. Sie versorgt nach eigener Darstellung Atomkraftwerke in fünfzehn Ländern in Europa und Übersee. Wichtige Kunden sind asiatische Staaten wie Südkorea und Japan. Aber auch mit Russland besteht ein reger Handel, besonders mit abgereichertem Uran. Ihren Weltmarktanteil beziffert die Urenco auf 13 Prozent. Der deutsche Markt spielt kaum noch eine Rolle. In einer Firmenschrift heißt es dazu:

Nur noch 18 Prozent der Produktion in Gronau gehen an deutsche Reaktoren – mit sinkender Tendenz. Obwohl der Weltmarkt auf absehbare Zeit nicht wachsen wird, weitet Urenco ihre Kapazitäten aus.

Bisher kaum Proteste gegen die Urananreicherung

Ganz anders als etwa mögliche Endlagerstätten und Atomkraftwerke stand die 1985 fertiggestellte Urananreicherungsanlage – ebenso wenig wie die Uranlager bei Lingen/Ems – im Mittelpunkt der Anti-Atom-Proteste. Doch jetzt regt sich zunehmend Protest, erstmals gab es sogar Blockadeaktionen, als am 22. Juni dieses Jahres ein Zug bestehend aus 19 Waggons mit abgereichertem Uran seinen Weg von Gronau nach Russland aufnahm.

Das abgereicherte Uran aus Gronau soll in Russland neu angereichert werden, bis es etwa Natururan entspricht. Die neuangereicherte Fraktion soll nach Gronau zurück kommen, während der Hauptanteil in Russland verbleibt. Anti-Atom-Initiativen wie AKU Gronau, Mitglied im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e. V. (BBU) sehen in diesem Vorgang eine

besondere Form der Atommüll-Verschiebung, die nicht hinnehmbar ist.

Schließlich sei Uranhexafluorid radioaktiv und chemisch höchst brisant. Zusammen mit Wasser reagiert es zur hochgefährlichen Flusssäure. Bei einem Transportunfall mit Freisetzungen müsste weiträumig evakuiert werden. Hilfskräfte (Feuerwehr, Rotes Kreuz etc.) sind entlang der Transportroute nicht informiert.

Der BBU wandte sich im Vorfeld des Transports an den zuständigen NRW-Energieminister Axel Horstmann und erinnerte ihn daran,

dass sich das Land NRW bekanntlich gegen Atommüll-Transporte von Rossendorf nach Ahaus ausgesprochen hat.

Fraglich erscheint dem Umweltverband jedoch, wie ernsthaft das Land NRW diese Atomtransporte ablehnt, zumal die Landesregierung offensichtlich andere, ebenfalls hochgefährliche Atomtransporte, wie beispielsweise die Gronauer Urantransporte, in NRW bisher nicht ablehnt und sie sogar stillschweigend duldet.

Aus Anlass dieses Urantransporte von Gronau nach Russland forderte der atompolitische Sprecher der B90-Grünen im Landtag Nordrhein-Westfalens, Rüdiger Sagel MdL, zum wiederholten Male die Stilllegung der Atomanlage in Gronau und protestierte ebenfalls gegen die Atomtransporte:

Der umfangreiche Transport von abgereichertem Uranhexafluorid, das in Russland zum Teil neu angereichert, zum Teil endgelagert werden soll, ist nicht akzeptabel. Die Praxis, Atommüll durch halb Europa zu verschieben, muss unterbunden werden. Daher begrüßen wir die zahlreichen friedlichen Demonstrationen gegen diesen Transport.

Nach Auffassung Sagels widerspricht der geplante Ausbau der Urananreicherungsanlage (UAA) der grundsätzlichen Logik des Atomgesetzes und dem darin festgeschriebenen Ausstieg aus der Atomenergie:

Es macht keinen Sinn, die bisherige Kapazität auszuweiten, die schon jetzt Uran für den Betrieb von 14-15 Atomkraftwerken bietet, obwohl in der Bundesrepublik nur zehn Atomkraftwerke in Betrieb sind. Die Folge eines Ausbaus wären unter anderem viele weitere Urantransporte. Das ist ein Schritt in die falsche Richtung. Daher werden wir uns weiterhin mit aller Kraft politisch für die Abschaltung und Stilllegung dieser Anlagen einsetzen.
Nach wie vor sind zudem Gefahren durch Anschläge zum Beispiel durch Flugzeugabsturz nicht auszuschließen. Das heißt, jeder weitere Transport erhöht dieses Risiko, jeder Transport, der nicht absolut notwendig ist, muss vermieden werden. Und schon jetzt gibt es 400-500 Transporte, die im Zusammenhang mit dem Betrieb der UAA in Gronau erfolgen.

Presseerklärung Sagels

Minister Axel Horstmann lässt sich mit der Entscheidung sichtlich Zeit. Doch die Zeit arbeitet eher für die Atomlobby, denn ein Wahlsieg der SPD bei der Landtagswahl im kommenden Jahr erscheint wenig wahrscheinlich – und ein CDU-Ministerpräsident Rüttgers würde die geplante Erweiterung mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne weiteres Zögern genehmigen.