Die Kunst des Minimalen im WAP-Zeitalter

Die Preisträger des "5 k"-Wettbewerbs

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Noch vor wenigen Jahren war es ganz entscheidend, wie Webseiten gestaltet werden, um die Internetnutzer mit ihren langsamen Modems nicht sofort abzuschrecken. Dauerte das Aufrufen zu lange, verlor man schnell die Geduld und ging lieber woandershin. Noch immer spielt es eine Rolle, wie "dick" Webseiten sind, aber die Surfer im Web lassen sich, sieht man sich viele Seiten an, offenbar nicht nur einiges gefallen, sondern mit den schnelleren Internetzugängen scheint auch die Größe der Seiten mitzuwachsen. Allerdings gibt es wieder einen Gegentrend: mit den WAP-Seiten kehrt man im Augenblick wieder zu den Anfängen zurück und entdeckt, dass man durchaus auch mit wenigen Kilobytes Interessantes machen kann.

PixxxelChix: Celebrities

Aus welchen Gründen auch immer Stewart Butterfield letztes Jahr den Wettbewerb the 5 k gestartet hat, so liegt er jedenfalls genau im Trend der durch Handys, SMS und WAP wieder entdeckten Kürze und Komplexitätsreduktion. Dieses Jahr wurden, nachdem der Wettbewerb des Webdesigners viele Erfolg hatte, gleich 1200 Arbeiten eingereicht, die formal zunächst einmal eine Bedingung zu erfüllen hatten: sie durften insgesamt nicht größer als 5 Kilobyte sein. Und das bezog sich auf alles, angefangen vom HTML-Code bis hin zu irgendwelchen Bildern oder Animationen.

Anfang April war Einsendeschluss gewesen, dann durften alle Besucher die eingereichten Arbeiten begutachten und bewerten, entschieden aber hat dann eine Jury. Die Einreichungen wurden nach den Kriterien Größe, ästhetische Anmutung, Funktion und Konzept sowie Originalität beurteilt. Gemeinerweise blieb den einreichenden Minimalkünstlern aber unbekannt, welche Betriebssysteme, Browser und Plug-Ins die Juroren verwendeten. Unterschieden wurden nur Einreichungen, die entweder nur auf HTML basieren (die aboluten Puristen also) und solche, die einen Browser mit irgendwelchen Plug-Ins benötigen.

Für Butterfield geht aus der selbstgesetzten Beschränkung, aus dem Zwang zum Minimalen, Kreativität hervor. Wer scharf kalkulieren und mit geringsten Mitteln auskommen muss, ist genötigt, neue Lösungen zu finden. Umgekehrt müsste man dann sagen: Wer aus dem Vollen schöpfen kann und alle Mittel zur Verfügung hat, wird dazu neigen, seine Fantasie einzustellen.

PixxxelChix: Girls

Man muss keineswegs die Überzeugung Butterfields teilen, um manche der eingereichten und jetzt prämierten Arbeiten nicht interessant zu finden. Nur hat die Reduktionsästhetik gegenüber den Anfängen des Web einen neuen Reiz. Sie wird tatsächlich, wie das immer so ist, wenn ein Medium oder eine Darstellungsform nicht mehr medial notwendig und daher allgemein eingesetzt ist, zur Kunst (oder hat zumindest etwas Nostalgisches an sich, wenn man nicht die Übergangform WAP denkt).

Für die Gewinner des Wettbewerbs gab es keine großen Preise, sondern die fielen entsprechend den Wettbewerbsbedingungen aus: Jeder erhält 5120 (5k) US-Cents, für den Hauptgewinner werden noch ein paar Cents draufgelegt. Dabei gewesen zu sein, muss also Hauptmotiv er Einreichenden gewesen sein.

Hauptgewinner - und Gewinner der Nicht-nur-HTML-Einreichungen - wurde die PixxxelChix-Webseite, die, wer hätte das gedacht, auch noch eine Porno-Seite ist: "Pixxxelchix is the place where all of your sick, sick pixel fantasies come true!" Die unter 18-Jährigen werden sicherheitshalber gleich auf eine Disney-Seite geschickt, die anderen können zwischen Bilder der Kategorien Celebrities, Interracial und Bondage wählen, wobei es aber immer nur eines gibt, oder sich sogar einen Film ansehen. Rekonstruktionsleistungen aus der grob gepixelten Abstraktion sind allerdings vonnöten. Daher dürfen auch die Minderjährigen einen kurzen Blick auf die Bilder werfen. Allerdings ist die Seite am Rande des Möglichen und weist genau 5120 Bytes auf.

Gewinner in der Sparte nur HTML wurde "The Book of Five Rings" mit 2334 Bytes. Warum "My life in 5k" (5040 Bytes, nur HTML) am besten bei Ästhetik abgeschnitten hat, ist mir - oder meinem Browser - schleierhaft. "KCML - My days are dictated by code", Gewinner für Konzept, ist wirklich originell. "HowToWaste5k" (4489 bytes), Gewinner für Funktion, ist das, was der Titel auch sagt. Und man sollte nicht vergessen, sich auch den Preisträger im Jahr 2000 anzusehen: "a5kRobustScalableInternetOnlineEcommerceFurnishingsOutlet".