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Lohnt es sich, den Kauf von neuen Computern hinauszuschieben?

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Geschwindigkeit ist eine wesentliche Eigenschaft der modernen Lebenswelt und natürlich besonders in der Informationsgesellschaft. Technische Innovationen ereignen sich so schnell, dass die Techniken, die auf den Markt kommen, eigentlich schon immer überholt sind. Das ist auch bei Computern der Fall. Wer sich heute einen Rechner kauft, liegt in einem halben Jahr bereits wieder zurück, wenn die nächsten Computer mit schnelleren Prozessoren oder irgendwelchen anderen höheren Kapazitäten für denselben Preis auf dem Markt sind. Soll man also warten, anstatt sich beim Kauf zu überstürzen?

Manchmal jedenfalls könnte es vielleicht sogar besser sein, eine Kaufentscheidung auf morgen zu verschieben, um etwas schneller machen zu können, meint Chris Gottbrath vom Steward Observatory der University of Arizona. Mache niemals heute, was du auch auf morgen verschieben kannst, wäre nach Berechnungen des Wissenschaftlers zumindest bei Aufgaben, deren Lösung die Kapazität von Supercomputern verlangt, unter bestimmten Umständen eine sinnvolle Maxime. Von der Kryptographie bis zur Klimaforschung müssen immer komplizierte Berechnungen ausgeführt werden, die auch mit den leistungsstärksten Supercomputern viele Monate dauern, aber mit der nächsten Generation von Computern schneller ausgeführt werden könnten.

Um zu berechnen, ob sich ein Aufschub der Berechnung bei einem begrenzten Budget für den Kauf von Computern lohnen würde, griffen Gottbrath und seine Kollegen auf das Moore'sche Gesetz zurück, das von Intel-Mitbegründer George Moore 1965 formuliert wurde und behauptet, dass die zu einem bestimmten Preis verfügbare Rechenkapazität sich etwa alle 18 Monate verdoppelt (The Effects of Moore's Law and Slacking on Large Computations). Wenn eine Berechnung voraussichtlich mehr als 26 Monate mit den gegenwärtig verfügbaren leistungsstärksten Computern dauern sollte, wäre die optimale Strategie nach den Wissenschaftlern, sie solange aufzuschieben, bis die nächste Rechnergeneration vorhanden ist. Mit dem mathematischen Modell lässt sich sogar berechnen, wie lange sich das Aufschieben lohnt. Geht man etwa davon aus, dass eine Berechnung mit den gegenwärtig schnellsten Computern 41,2 Monate dauern würde, so könnte man ein ganzes Jahr warten und inzwischen dem Müßiggang frönen. Wenn man dann mit den neuen Computern die Berechnung beginnt, wäre man immer noch früher fertig und hätte, natürlich nur, wenn das Moore'sche Gesetz tatsächlich richtig ist, sogar 3,25 Monate an Zeit gespart. Würde man allerdings bei extrem lange dauernden Berechnungen die Computer regelmäßig updaten, anstatt nach einer Phase des Abwartens neue zu kaufen, wäre die Strategie des Hinausschiebens nicht mehr optimal.

Das Problem ist natürlich, dass kaum jemand mit der Aufgabe konfrontiert ist, eine Berechnung durchführen zu wollen oder zu müssen, die länger als 26 Monate dauern würde. Ganz ernsthaft meint Gottbrath sein mathematisches Modell des Aufschiebens - von einem Kommentar in Slashdot auch als "diligent laziness" bezeichnet - allerdings nicht und beklagt sich denn auch, dass die meisten Leser die Ironie nicht verstanden hätten: "Bedeutet dies, dass Programmierer keinen Sinn für Humor haben oder dass sie nicht erkennen können, dass Astronomen einen Sinn für Humor haben könnten?" Aber vielleicht ist Faulheit doch auch gelegentlich eine Strategie zur Steigerung der Produktivität?