Die Ostukraine in Flammen

Während Obama und Merkel demonstrativ gegen Moskau zusammenrücken, gab es in Slawjansk und vor allem in Odessa Dutzende von Toten

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Ursprünglich war es das Hauptanliegen von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in Washington mit US-Präsident Barack Obama eine Verständigung über die Arbeit der Geheimdienste zu erzielen. Erst als bekannt wurde, dass Merkel selbst neben anderen Regierungsangehörigen von der NSA abgehört wurde, kam eine wirkliche Reaktion. Es war die Rede von Vertrauensverlust, gefordert wurde ein No-Spy-Abkommen und die Gewährleistung, dass die US-Geheimdienste auf deutschem Territorium nicht die deutschen Gesetze verletzen. Was zu erwarten war, hat sich bestätigt: Es fand keine Einigung statt, man verabredete nur einen symbolischen und konsequenzlosen "Cyber-Dialog", dafür ist aber sonst gegen Russland die Einigkeit hoch angesetzt, weswegen Merkel auch versprach, das Freihandelsabkommen voranzutreiben, offenbar ganz egal, dass es in weiten Teilen der deutschen, aber auch der amerikanischen Bevölkerung abgelehnt wird.

Ganz offensichtlich hat die US-Regierung die Ukraine-Krise dazu genutzt, Russland zum Gegner zu machen und Druck auf die Verbündeten auszuüben, um die brüchiger gewordenen transatlantischen Bande wieder zu schließen, den durch den NSA-Skandal bewirkten Vertrauensverlust zu überspielen und sich wieder als Leitmacht zu etablieren. Mit den Sanktionen sind die USA der EU immer vorgeprescht und haben auch ausgenutzt, dass die osteuropäischen Länder aus ihrer größeren Angst vor Russland auch einen stärkeren Schutz durch die Nato forderten.

Merkel, die Obama schmeichlerisch als eine seiner besten Freundinnen auf der Weltbühne und als "festen Partner" bezeichnete, spielte beim gemeinsamen Treffen in Washington mit. Wenn Russland nicht deeskaliere, seien schärfere Sanktionen unvermeidlich, sagte sie. Deutschland sei fest entschlossen, den Weg mit den USA zu gehen, was heißen dürfte, den politischen Vorgaben der US-Regierung zu folgen. Russland müsse darauf hinwirken, dass die Militärbeobachter freikommen und auch sonst einlenken. Das hatte auch Obama gefordert und weitere Sanktionen angekündigt.

Dass die ukrainische Regierung mit dem militärischen Angriff auf Slawjansk und mit der Haltung, alle Oppositionellen gleichermaßen als "Terroristen" zu bezeichnen, wie dies der von Putin unterstützte Assad in Syrien auch zu machen pflegt, hat dies auf jeden Fall erschwert und erst einmal verhindert. Gestern war noch die Rede, dass die Gespräche mit den Separatisten vorankämen. Sollte womöglich das Vorrücken des Militärs und die erwartbare scharfe Reaktion aus Moskau verhindern, dass es zu einer Einigung kommt? Schließlich war an den Verhandlungen auch Russland beteiligt, der russische Sonderbeauftragte, der auch schon bei den Verhandlungen zu dem dann von der Maidan-Bewegung gekippten Abkommen zur friedlichen Lösung anwesend war, soll sich nun in Slawjansk befinden. Die Freilassung der Militärbeobachter hätte für den Westen ein wenig Druck aus der Situation entlassen können, was aber der ukrainischen Regierung sicher nicht recht gewesen wäre, die mit ihrem militärischen Vorgehen einen Bürgerkrieg riskiert - und vor allem es kaum noch denkbar erscheinen lässt, wie schon am 25. Mai freie und faire Wahlen im ganzen Land durchgeführt werden könnten.

Dutzende von Toten bei einem Brand in Odessa

Während die Panzer auf Slawjansk vorrückten und es zu ersten Toten auf Seiten der Soldaten und Aufständischen kam, flammten auch in der südukrainischen Hafenstadt Odessa schwere Gewalttätigkeiten zwischen Separatisten und pro-ukrainischen Aktivisten auf. Die Polizei hielt sich wieder heraus, es kam zu brutalen Szenen, mehrere Menschen wurden getötet, das Gewerkschaftsgebäude, in dem sich Separatisten aufhielten, wurde in Brand gesetzt. Menschen sprangen in Panik aus den Fenstern. Fast 40 Menschen sollen aufgrund des Feuers umgekommen sein, bei den brutalen Gewalttätigkeiten auf den Straßen ist auch von mehreren Toten die Rede.

Klar dürfte allen sein, dass die Bevölkerung in der Ostukraine, aber auch in Teilen der Südukraine zerrissen ist. Das war schon deutlich während der Maidan-Proteste geworden und hat sich seit der legal zweifelhaften Etablierung der neuen Regierung in Kiew Tag und Tag vertieft. Obama und Merkel drängen darauf, dass die Wahlen weiterhin am 25. Mai durchgeführt werden müssen und machen für ein etwaiges Scheitern einzig Moskau verantwortlich. Wie sehr Russland in der Ostukraine seine Finger im Spiel hat, ist umstritten, aber nach Beginn der militärischen Antiterroroperation kann Putin auch einfach nur abwarten, wie die ukrainische Regierung das Land zerfallen lässt. Zu lange hat sie vermieden, mit den Militanten, Separatisten, Oppositionellen oder auch nur Unzufriedenen in der Ostukraine, wo auch viele Russen leben, in ein Gespräch einzutreten. Selbst wenn sie mit Deckung des Westens die Aufständischen niederschlagen und viele Oppositionelle inhaftieren könnte sowie den Regionen eine größere Autonomie gewähren würde, wäre keine schnelle friedliche Lösung denkbar, weil die Gräben nur noch tiefer sein werden. Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass die bewaffneten Militanten und Milizen auf beiden Seiten immer stärker werden und auch dadurch die Macht der Zentralregierung zerfällt.