Die Prätorianer-Garde des Imperiums

US-amerikanische Think Tanks und das Netzwerk der Neokonservativen, Teil 2

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1991 schätzt der Autor James A.Smith in seinem Buch " The Idea Brokers" die Zahl der Think Tanks in den Vereinigten Staaten auf etwa 1200, davon hätten ungefähr 100 ihren Sitz in Washington. Naturgemäß unterscheiden sie sich z.T. fundamental in ihrer politischen und ideologischen Ausrichtung; nicht alle haben sich der selben Mission, der Vorherrschaft der USA in der Welt, verschrieben, die spätestens seit dem Irakkonflikt für großen diskursiven Wirbel sorgt. Dennoch sind die Verknüpfungen einiger prominenter "Expertenkommissionen", was das Personal und die ideologischen Leitmotive betrifft, zur Bush 43 - Administration frappant.

Die Amerikaner seien obsessiv an Expertisen und Fachwissen interessiert, so James A. Smith. Das Personal der ersten Think Tanks habe sich fast ausschließlich aus akademischen Experten zusammengesetzt, die daran glaubten, dass Sozialwissenschaften den Schlüssel zu einer besseren Regierungsweise bereithielten. Man wollte unabhängigen und objektiven Rat beisteuern. Im Vergleich zu den gegenwärtigen Ideen-Maklern gesteht ihnen Smith eine "politische Unschuld" zu.

Und diese feur'gen Geister auserkoren, Ruhm zu suchen

Erst Franklin Roosevelt's "brain trust" ebnete den Weg für den modernen Think Tank, indem er die Rolle von externen Beratern für die Gestaltung der Politik institutionalisierte. Das Muster vervollständigte sich mit den Reformanstrengungen der Präsidenten Kennedy und Johnson, vor allem durch das Große Gesellschaftsprogramm des letzteren. Experten wurde nicht mehr nur als politische Berater gebraucht, sondern auch als Analytiker politischer Prozesse.

Es oblag noch immer den Politikern, den Ausgang zu definieren - Sieg in Vietnam, das Ende der Armut - aber die Think Tanks steuerten die Mittel dazu bei

J. A. Smith

In den letzten zwanzig Jahren tendierte die Rolle der Experten mehr und mehr in Richtung Parteilichkeit und politischem Aktivismus. Das Scheitern in Vietnam und im Krieg gegen die Armut, so Smith, diskreditierte die technokratische Rolle des Experten.

Vor allem Konservative argumentierten, dass das "liberale Establishment" und deren bevorzugte Think Tank- Experten das politische Leben "erstickt" hätten. Eine neue Bewegung gegen das "liberale Establishment" entstand und gebar neue konservative Denk-Hochburgen wie die Heritage Foundation, das American Enterprise Institute und das Manhattan Institute for Policy Research (vgl. dazu Die Fürsten des IV.Weltkriegs).

Die Geschichte von intellektuellen Beratern in der Antike und modernen Experten ist meist mit Wissen und politischer Ambition verbunden...und in unserer Zeit muss man sich fragen, ob die Experten-Klasse nicht einen mystifizierenden Jargon und eine stattliche Reihe von verblüffenden und verwirrenden Modellen und spezieller Instrumente dazu benutzt hat, um sich zwischen die Bürger und den gewählten Repräsentanten zu stellen

J. A. Smith

Familienalbum1: Mitglieder und Wirkungsstätten

Die Bezeichnung "Familie" für das Netzwerk der Neokonservativen taucht zuerst in einem Artikel der amerikanischen Zeitschrift Mother Jones, Anfang der achtziger Jahre auf. Der entsprechende Artikel ist leider im Netz nicht mehr abrufbar. Prominenz erlangte die zu Verschwörungstheorien einladende Metapher durch einen viel beachteten Artikel von Jim Lobe.

Was haben William Kristol, Norman Podhoretz, Elliot Abrams und Robert Kagan gemeinsam? Ja, sie sind alle "die-hard"-Falken, die seit dem 11. September die Kontrolle über die US-amerikanische Aussenpolitik übernommen haben. Aber sie sind ebenso Mitglieder einer großen neokonservativen Familie - einem weit verzweigtem Clan von Ehegatten, Kindern und Freunden, die sich seit Jahrzehnten kennen

Jim Lobe

Dass diese "böse Clique" das Imperium tatsächlich im Handstreich genommen habe, wie hier suggeriert und vom paleo-konservativen Pat Buchanan dezidiert unterstellt wird, ist nach Ansicht kluger Beobachter eine fragwürdige Simplifizierung der verschiedenen Strömungen in der konservativen Sammel-Bewegung, die sich nicht erst seit kurzem auf großer Mission befinde. Es gäbe ja schließlich noch die "Theo-Cons" und eben die "Paleo-Cons", deren Auffassungen in vielen entscheidenden Punkten nicht mit denjenigen der Neo-Cons übereinstimmen würden. Das politische Spektrum in der Bush-Administration ist vielgestaltiger als es durch derartige neokonservative Cliquen- und Clan-Cluster nahegelegt wird. Stimmt. Dennoch sind die personalen und ideologischen Verbindungen zwischen konservativen Think-Tanks, der Regierung und finanzstarker Gönnerfamilien und Stiftungen evident.

Für Jim Lobe ist das American Enterprise-Institut ein bedeutender "Nexus" der inter-familiären Beziehungen. 14 seiner Mitglieder sind in der gegenwärtigen Bush-Administration. Die Liste der Mitglieder, sowie der durch Stipendien geförderten neokonservativen Intellektuellen ist lang und unüberschaubar (und auch über die Website nur umständlich und unvollständig nachzulesen), weswegen hier nur die schillerndsten Namen genannt werden, allen voran Richard Perle, Michael Ledeen ("Das Regime in Teheran könnte schnell fallen" siehe Washington Times, Eliot Cohen ("This country is on the march", siehe Die Fürsten des IV.Weltkriegs), J. Woolsey (siehe ebd.), Lynne Cheeny (Ehefrau von Dick, der Victoria Nuland als Deputy Security Advisor bestellt hat. Nuland ist mit Neocon-Edelfeder Robert Kagan verheiratet), Douglas Feith (Nr.3 im Pentagon), Jeane Kirkpatrick, David Frum (ehemaliger Redenschreiber von Bush 43, Schöpfer der "Achse des Bösen", Autor von "The Right Man" (George W.Bush), Barbara Leeden (Ehefrau von Michael, Gründerin und Vorsitzende des antifeministischen Independent Women's Forum, David und Meyrav Wurmser (siehe Der Club der rechten Schlaumeier), die 1996 ein Memorandum ("How to break the Oslo Peace Process" Jim Lobe) für Netanjahu verfasst haben.

Norman Podhoretz, zusammen mit Irving Kristol (Vater von Weekly-Standard-Herausgeber William) einer der Gründervater der Neokonservativen, in den siebziger Jahren noch antikommunistischer Demokrat, ehemaliger Herausgeber der Zeitschrift "Commentary" wurde vom AEI der 2002 Francis Boyer Preis verliehen, wofür er sich mit einer Rede bedankte: "Nachdem wir uns so lange damit aufgehalten haben, was falsch an uns ist, können wir uns jetzt daran erinnern und es feiern, wie viel mehr richtig ist und gut und nobel."

Ein langjähriger Stipendiat des AEI war übrigens auch der Autor Charles Murray, der den politischen Meinungsbildungsprozess mit gespenstischen Thesen bereichert hat, wie etwa, dass staatliche Wohlfahrt zur Verarmung der Nation führe oder dass Afro-Amerikaner einen inferioren IQ hätten.

Die rechte Öffentlichkeitsarbeit hatte es in den Neunzigern geschafft, Charles Murrays These, dass staatliche Wohlfahrt zu Armut führe zu einem allgemein akzeptierten politischen Axiom zu machen. Murray wurde zu einer gefeierten politischen Persönlichkeit und sogar die Demokraten stimmten seinen Ideen zu

Christopher DeMuth; Präsident von AEI

Andere Think Tanks, in denen sich die Familienmitglieder versammeln, sind u.a.:

das Project for the New American Century, berühmt u.a. für offene Briefe an US-Präsidenten, in denen schon seit mehreren Jahren zu entschiedenem militärischen Handeln aufgerufen wird (siehe Irak-Krieg von langer Hand vorbereitet). Gründer des PNAC sind William Kristol, Robert Kagan und Dick Cheney; weitere Mitglieder: Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz, John Bolton, Lewis Libby (Mitverfasser des berühmten Pentagon-Papiers Defense Strategy for the 1990s), Michael Joyce, James Woolsey - die große intellektuelle Lobby für die neue amerikanische Nahost-Politik.

Die RAND Corporation, die über beste Beziehung zum "Defence Policy Board (DPB)" verfügt (siehe RAND's Pionierarbeit) und

das Jewish Institute for National Security Affairs (JINSA) Mitglieder: Paul Wolfowitz, Richard Perle, Douglas Feith, James Woolsey; Oliver North (Iran-Contra-Affäre).

Fortsetzung: Familienalbum 2 - Jargon und Financiers