Die Rechte der Kinder von Leihmüttern bestätigt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte widerspricht der Regierung in Paris, die Kindern, die von Leihmüttern im Ausland ausgetragen wurden, den Eintrag ins französische Melderegister verweigert

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Wie in vielen anderen Staaten auch ist Leihmutterschaft in Frankreich verboten. Paare, die Kinder haben wollen, diesen Wunsch aber aus biologischen Gründen, wegen Unfruchtbarkeit oder weil sie beide demselben Geschlecht angehören, nicht auf die herkömmliche Weise erfüllen können, suchen daher in nicht wenigen Fällen den Weg ins Ausland, wo Leihmutterschaft möglich ist. Bislang hat die französische Regierung ihnen Hindernisse bei der Anerkennung des zivilrechtlichen Status der so auf die Welt gesetzten Kinder bereitet. Sie werden nicht ins französische Melderegister eingetragen. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Donnerstag widerspricht nun dieser Praxis.

Die Kinder, so die Richter, haben ein Anrecht auf die französische Staatsbürgerschaft und auf einen ordentlichen zivilrechtlichen Status, der ihnen im Erbrecht einen entsprechenden Platz zusichert.

Die Angelegenheit ist politisch heikel, weil sie zum Kulturkampf darüber gehört, welche Familienformen staatlich unterstützt werden sollen. Der wird in Frankreich teilweise sehr hitzig ausgetragen, wie die Gegner neuerer Partnerschaftsformen bei den Demonstrationen gegen die Ehereform im letzten Jahr deutlich gezeigt haben.

Das hat eine große Öffentlichkeit über die Landesgrenzen hinaus und nicht zuletzt die französische Regierung, die sich die Reform als emanzipatorischen Fortschritt auf die Fahnen geschrieben hatte, ziemlich beeindruckt. Bekanntlich ist ihr die Wählergunst verloren gegangen, während der Front National bei den jüngsten Wahlen deutlich zulegte, was den kulturellen Rechtsruck bestätigte. Dem will die PS-Regierung durch umstrittene Maßnahmen im Bereich der Familienpolitik nicht noch weiter Treibstoff zuführen.

So kommt es, dass sich die französischen Sozialdemokraten bei Themen, die sich auch nur ansatzweise dem Verdacht aussetzen, man mache gemeinsame Sache mit "Gendertheorien" und allem anderen, das von Seiten der Traditionalisten als dekadenter Pfad zur Auflösung der Familie verstanden wird, tunlichst zurückhalten, um keine weitere "Provokation" zu riskieren. Die Frage der Leihmutterschaft steht nicht am Rand, sondern im Zentrum dieses empfindlichen Feldes.

Unsicherheit bei den Eltern der "Geisterkinder"

Hollande achtet sehr darauf, bei dieser Frage jeglichen Anschein zu vermeiden, die Sozialdemokraten würden Leihmutterschaftsdienste indirekt anerkennen, wenn sie im Ausland zur verfügung gestellt werden, indem sie daraus hervorgegangenen Kindern ins französische Melderegister eintragen und die gleichen Rechte zugestehen. Das Thema gewann an Schärfe und drohte ein weiterer Imageschaden für Hollande und seine Regierungsteam zu werden, als der Widerstand von Amtsträgern gegen eine pragmatische Regelung der Justizministerin Taubira laut wurde.

Taubira hatte ein Dokument in Amtsumlauf gebracht, dass es erleichterte, den Kindern von Leihmüttern die französische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Beamte weigerten sich aber, dieses Dokument routinemäßig zu unterzeichnen. Es kam zum öffentlichen Eklat, bei dem der Regierung der Vorwurf gemacht wurde, sie würde das Gesetz, das Leihmutterschaft verbietet, in der behördlichen Praxis unterlaufen. Seither betonte die Regierung zu gegebenen Anlässen immer wieder ihren Standpunkt, wonach man in dieser Frage um keinen Jota nachgeben werde - eine Anerkennung der Leihmutterschaftsdienste läge nicht im Interesse der Regierung.

Für die Eltern der Kinder ist die Unsicherheit groß. Da ihre Kinder keinen Anspruch auf einen zivilrechtlichen Status als Franzosen haben und folglich keinen französischen Pass, sind nicht nur Behördengänge schwierig, sondern vieles andere im Alltag. Dazu kommen Fragen, die sich stellen, wenn einem Elternteil ein Unglück oder eine Krankheit wiederfährt. In den Medien werden die Kinder, die von Leihmüttern im Ausland ausgetragen wurden, aber französische Eltern haben, "Geisterkinder" genannt.

EGMR: Wohl der Kinder hat Vorrang

Zwei Elternpaare solcher "Geisterkinder" versuchen seit Jahren den Eintrag ins Melderegister über Gerichte einzuklagen, was sie nun bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geführt hat. Da die klagenden Paare in den USA als Eltern der Kinder eingetragen wurden, wozu kommt, dass die Väter jeweils auch die biologischen Väter der Kinder sind, zeigt sich eine gewisse Eigenwilligkeit in der Ablehnung ihres Zivilstatus durch den französischen Staat, wie das Gericht hervorhebt.

Die Grenzen staatlicher Interpretationsspielräume in der Sache sehe man aber im Wohl des Kindes, befanden die Richter. Die Identität gehöre wesentlich dazu. Da die Kinder bei ihren Familien in Frankreich leben, sei auch die staatliche Identität wichtiger Bestandteil ihres Lebens, umso mehr, je älter sie werden. Für die Ablehnung des Eintrags ins Melderegisters fand das Gericht dagegen keine Gründe, die dem Wohl der Kinder dienen. Allerdings hat das Gericht eine Berufung zur Entscheidung zugelassen. Die Debatte ist damit nicht beendet.