"Die Road-Map ist die letzte Chance für eine Zwei-Staaten-Lösung"

Gespräch mit dem Jeff Halper von der israelischen Friedensbewegung

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Der Anthropologieprofessor Jeff Halper ist seit Jahren in der israelischen Friedensbewegung aktiv und Koordinator des Komitees gegen Häuserzerstörungen.

Mit der Road Map scheint wieder Bewegung in die festgefahrenen israelisch-palästinensischen Beziehungen zu kommen. Wie beurteilten Sie diese Pläne?

Jeff Harper: Viele Menschen, auch in der Friedensbewegung, geben den neuen Plänen kaum Umsetzungschancen. Auch ich bin äußerst pessimistisch und fürchte ein Scheitern des Plans. Trotzdem will ich die Chancen nutzen, die darin stecken. Denn die Road Map hat durchaus ihre positiven Seiten, auch wenn der Text selber sehr allgemein gehalten ist. In den Papieren wird eindeutig das Ende der Besatzung und die Errichtung eines lebensfähigen palästinensischen Staates gefordert. Die Frage der Rückgabe der 1967 besetzten Gebiete steht damit wieder auf der Tagesordnung. Das steht im eindeutigen Widerspruch zum Diskurs in der israelischen Öffentlichkeit, wo nur noch vom palästinensischen Terror, aber nicht mehr von der Besatzung gesprochen wird.

Ist ausgerechnet von der ultrarechten israelischen Regierungskoalition eine konstruktive Lösung zu erwarten?

Jeff Harper: Die israelische Regierung lehnt die Road Map eigentlich ab. Schließlich ist für sie die Westbank kein besetztes sondern historisches Land. Sie will eigentlich keine Zugeständnisse machen. Aber auch die israelische Rechte hat ein Problem- und das ist die palästinensische Bevölkerung. Bei einer Annexion der Westbank wäre die jüdische Bevölkerung in Israel bald in der Minderheit. Das ist der Grund, warum sich selbst Scharon und andere strategisch denkende Rechte mittlerweile mit dem Gedanken eines Palästinenserstaates abgefunden haben. Allerdings sollen es nach ihren Vorstellungen kleine voneinander getrennte palästinensische Inseln sein, die von der israelischen Armee kontrolliert werden. Sollte es der israelischen Seite gelingen, den Palästinensern solche Bedingungen aufzuzwingen und dann zu sagen, nun ist die Besatzung zu Ende, ist die Road Map auf jeden Fall zum Scheitern verurteilt.

Welche Folgen hätte ein Scheitern der Road Map?

Jeff Harper: Dann wäre jede Chance auf eine Zwei-Staaten-Lösung endgültig begraben. Als Lösung des Konflikts bliebe nur noch ein gemeinsamer, säkularer, demokratischer Staat, in dem Palästinenser und Israelis gleichberechtigt zusammen leben. Das würde auch die internationale Zivilgesellschaft vor völlig neue Aufgaben stellen. Es ginge dann, ähnlich wie in Südafrika vor dem Ende der Apartheid, um einen Kampf für die Demokratisierung eines Staates.

In der letzten Zeit verstärkten die israelischen Behörden den Druck auf internationale Solidaritätsgruppen. Welche Folgen hat das für Ihre Arbeit?

Jeff Harper:: Es geht längst nicht mehr nur um die Aktivisten der internationalen Solidaritätsgruppen. Auch die israelische Friedensbewegung gerät zunehmend unter Repressionsdruck. Vor allem die Organisationen, die mit der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten Aktionen machen, sind davon betroffen. So dürfen Aktivisten der Organisation Taayusch einige Orte in der Westbank nicht mehr besuchen. Taayusch hat Medikamente und Nahrungsmittel an die von israelischem Militär belagerten Dörfer gebracht. Die Taktik der israelischen Behörden ist klar: Erst ging man gegen die Internationalisten vor, dann gegen die Journalisten und jetzt gegen die israelischen Friedensgruppen.