Die Schöne und das Biest

Eine singende Schauspielerin und ein schauspielender Sänger singen Karaoke in Paris

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Bela B. Felsenheimer, Drummer der Ärzte, verbringt einen Abend in Paris mit der Schauspielerin Julie Delpy – und drei Kameras. Im Gegensatz zu üblichen Starportraits oder gar "Big Brother" ist das Ergebnis recht unterhaltsam

"Before Sunset", der neue Film mit Julie Delpy und Nachfolger des vor einigen Jahren auch hierzulande erfolgreichen "Before Sunrise", ist seit einer Woche in den deutschen Kinos zu sehen. Julie Delpy, Protagonistin in diesem Nonstop-Gespräch frustrierter Mittdreißiger zieht auf Arte mit Bela B., Schlagzeuger der Fun-Punkgruppe "Die Ärzte", durch Paris.

Das klingt danach, als ob Welten zusammenstoßen und man fragt sich, ob das Interesse an den "Ärzten" wirklich ausreicht, um sich so etwas anzusehen – aber nein, die beiden verstehen sich bestens und für den Zuschauer ist die Stadtführung "Paris bei Nacht" ebenfalls sehr interessant.

Los geht es am Abend der Fertigstellung des neuesten Kurzfilmes von Julie Delpy, der dieses Jahr in Cannes Premiere hatte. Bela holt sie im Schneideraum ab und sie erklärt ihm kurz die Handlung des Films. Dabei macht sich erstmals sprachliches Chaos breit: Der Kurzfilm ist auf französisch, sie ist Amerikanerin, Bela deutsch. Die Folge: Den Rest des Abends sprechen beide und ihre Freunde miteinander englisch – und das in Paris. Nur auf dem deutsch-französischen Sender Arte wird das allerdings auch – mit deutschen Untertiteln – tatsächlich so gesendet, statt der üblichen hektischen Unterbrechungen der Dialoge mit deren deutschem Äquivalent. Dadurch hat der Film eine sehr natürliche Stimmung, wie ein Heimvideo, doch ohne dessen technische Schwächen und man vergisst fast die Anwesenheit der Kameraleute.

Julie Delpy und Bela B. versuchen ein Erinnerungsfoto zu knipsen (Bild: ZDF/Arte)

Die ersten Stationen der unkonventionellen Paris-Entdeckungsreise, bei der man auch ungewohnte Seiten von Bela kennenlernt, sind Kino- und Comicbuchläden im Quartier Latin, in denen Julie Bela Bildbände mit "Freaks" zeigt – Menschen mit grusligen Missbildungen – und Bela dafür Julie einige Comicbände kauft mit ebenso "netten" Themen wie dem toten Mädchen mit ihrer ebenfalls toten Katze. Dabei erfährt man nicht nur, dass sich Bela seinen Künstlernamen wegen seiner Faszination für Vampirfilme und deren Stummfilmstar Bela Lugosi zugelegt hat und auch selbst in solchen Trash-Filmen wie "The Killer Barbies Versus Dracula" mitgespielt hat, es wird auch offensichtlich, dass die beiden tatsächlich einige Gemeinsamkeiten haben: Sie entdecken ihr gemeinsames Interesse für die dunklen Seiten des Lebens und der Kunst.

Später besuchen Bela und Julie das Musée Gustave Moreau und dann die Brasserie "Au Grand Colbert". Danach zeigt Julie Bela ein Stück Paris, das Bela unmöglich entdeckt hätte: Sie besuchen in der Rue du Faubourg Saint Honoré den Showroom von Azzaro und bekommen die neueste, noch streng geheime Kollektion von Haute-Couture-Abendkleidern der Designerin Vanessa Seward – Julies bester Freundin – vorgeführt. Bela versteht sich auch mit Vanessa bestens und erwähnt, dass das große Punk-Vorbild Johnny Rotten in späteren Jahren nur noch Armani-Anzüge trug, bleibt aber dennoch beim Punk-T-Shirt.

Julie Delpy und Bela B. in einer Karaokebar in Belleville (Bild: ZDF/Arte)

Nun kommt der abstrusteste Teil der Reise: Es geht ab in das chinesische Nachtleben von Belleville, der Chinatwon von Paris, zu einem Vietnamesen, der besonders gutes dunkles französisches Brot bäckt, besser als die Franzosen und schließlich ausgerechnet zu einem Karaoke-Wettbewerb. Und ja: die bühnenerfahrene singende Schauspielerin und der genauso bühnenerfahrene schauspielernde Sänger bekommen ebenso Lampenfieber und die Angst, sich zu blamieren wie jeder andere auch.

Durch die Nacht mit…Julie Delphy und Bela B., Dokumentation von Mathilde Bonnefoy, eine Kooperation von Arte und ZDF, D 2004, 60 Min., Erstausstrahlung Dienstag, den 6. Juli 2004 um 0.15 Uhr auf Arte TV