Die Taser-Spione von Paris

Frankreich: Die Elektroschockwaffe als altes Folterinstrument und Gegenstand unfreiwillig komödiantischer Verwicklungen

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Taser France beliefert nicht nur exklusiv das französische Innenministerium mit der berühmten „nicht-tödlichen Waffe“ gleichen Namens. SMP Technologies Taser France, so der vollständige Name des Unternehmens, ist derzeit auch eine unentwegt sprudelnde Quelle köstlicher Geschichten, die sich um das eigentlich ziemlich trostlose Taserthema ranken können, wenn sie sich denn in einem Land ereignen, das auf eine reiche Tradition der komödiantischer Leistungen im Ermittlungs-und Polizeidienst zurückgreifen kann und es schafft, diese Tradition immer wieder neu zu beleben.

Taser France kennt keine Gnade, wenn es um negative Äußerungen über die Elektroschockpistole geht. Da das Markenrecht ohne Humor und gnadenlos zuschlägt, wie es SMP Technologies im Umgang mit Taserkritikern bevorzugt, war man in der Führungsetage offensichtlich davon überzeugt, dass dieses Markenrecht das richtige Mittel sei, um die Menschenrechtsvereinigung Raid-H („Alarm- und Eingreif-Netzwerk für die Menschenrechte“) gerichtlich in die Knie zu zwingen. Taser France klagte vor der 17. Kammer des Tribunal de Grande instance von Paris wegen Rufschädigung der Marke Taser und des Handelsamens Taser.

Raid-H hatte die angeblich harmlose Taserpistole im April 2007 auf seiner Webseite als „letzte Gégène im Land der Menschenrechte“ bezeichnet. Bei der Gégène - ein Ausdruck der dem Argot, einer unverblümten für Spitzen und Direktheit berühmten Straßensprache entspringt - handelt es sich um ein altmodisches Foltergerät, das mit einem Dynamo betrieben wird und dem Opfer Stromschläge versetzt. Es wurde im französischen Kolonialkrieg in Algerien (1954 – 62) massiv durch die Staatsmacht eingesetzt. Zudem agitierte Raid-H mit einem Flyer, betitelt „Elektroschock“, gegen Taser France. Das inkriminierte Flugblatt soll nach Angaben der Libération einen Roboter zeigen, der mit einer Taserpistole bewaffnet ist und einen am offensichtlich leblosen Menschen, der als Ziel der Roboteraktion abgebildet wird. Damit argumentierte Taser France vor Gericht, werde die Marke und die Handelsbezeichnung Taser geschädigt.

Das Pariser Tribunal gab der Klage nicht statt, da SMP Technologies „keinerlei Rechte auf die Marke“ habe, die 2003 in den USA angemeldet wurde. Ein entsprechender Anspruch wegen Herabwürdigung der Marke Taser sei unzulässig. Was die Handelsbezeichnung “Taser“ angehe, so sei die gerichtliche Aktion von SMP Technologies zwar zulässig, die beanstandeten Äußerungen und Darstellungen würden aber trotz der von ihnen vermittelten Schockwirkung den Rahmen der freien Meinungsäußerungen nicht verletzen. Die Freude im Lager der Tasergegner ist groß, Raid-H kündigte schon mal eine Weiterführung und Intensivierung der Kampagne „Non au Taser“ an.

Weiteres und vermutlich größeres Unheil in Sachen demolierter Ruf kündigt sich indessen für Taser für den 24. November an. An diesem Tag wird das Urteil im Streit des Unternehmens gegen Olivier Besancenot, den Sprecher der Partei LCR, erwartet. Besancenot hatte am 2. November öffentlich auf Canal+ behauptet, dass der Taser in Nordamerika für den Tod von möglicherweise über 150 Menschen verantwortlich sei:

Das Problem mit der kleinen Pistole, die aussieht wie ein Spielzeug und ganz sympathisch, ist, dass sie schon für Dutzende von Toten in den USA verantwortlich ist. [...] Konkret zielt man mit einem kleinen roten Kontrolllicht auf Ihr Hemd und dann drückt man ab. Offensichtlich gibt das einen extrem starken Stromschlag. Eigentlich zum Neutralisieren. Aber nach zwei Jahren Einsatz spricht man in den USA von etwa 150 Toten.

Für Taser France erfüllt das ganz eindeutig den Tatbestand der Rufschädigung. Selbst wenn sich Besancenot auf Berichte von Amnesty International über die USA und Kanada berief, aus denen die Zahl stammt. Doch scheint es ganz so, als ob das Unternehmen nicht nur gerichtlich, sondern auch mit anderen Mitteln gegen Besancenot vorging. Der hauptberufliche Briefträger erstattete seinerseits eine Anzeige gegen das SMP Technologies - wegen Verletzung der Privatsphäre. Besancenot beklagte sich, dass er samt Familie beschattet und abgehört wurde, dabei waren auch seine Bankkontodaten illegal überprüft worden.

Mitte Oktober nahmen Ermittler in Paris zehn Verdächtige fest. Darunter den Chef der Firma SMP Technologies, Antoine Di Zazzo, einen etwas rätselhaften Unternehmer, bei dem sich das behauptete Stanford-Studium und andere biografische Grandezza kaum mit Fakten belegen ließen. Fest steht dagegen, dass man bei Di Zazzo Bespitzelungsberichte fand.

Wie sich nun in den letzten Tagen herausstellte, sieht es sehr danach aus, als ob zwei der informellen Mitarbeiter Di Zazzos, die belastendes Material über den Taserkritiker Besancenot finden sollten, Funktionäre einer „Freundschaftsgesellschaft pensionierter Offiziere der Kriminalpolizei“ namens Perspective 21 sind. Die Perspektive soll ehemaligen Polizisten den Wechsel in private Spitzelagenturen und Privatdetektiv-Agenturen ermöglichen. Die „Freundschaftsgesellschaft“ verfügt ziemlich gute, persönliche Kontakte zu aktiven Politikern, so etwa zur konservativen Regierungspartei UMP im Département von Nanterre.

Das schließt aber nicht unbedingt eine gute Beziehungen zu professionellen Spionen ein, Noch peinlicher wäre, wenn sich die Ehemaligen selbst als Ermittler betätigt hätten: Denn wie das Satiremagazin „Canard Enchaîné“ berichtete (siehe hier), soll einer der eingesetzten informellen Mitarbeiter einen in der Nähe des Mietshauses von Besancenot geparkten Porsche mehrere Tage lang überwacht haben. Der Briefträger Besancenot fährt aber einen Peugeot 106. Die Sportautomarke wird im französischen genauso ausgesprochen - „Porsch“ - wie das Wort für Eingangshalle - „le porche“. Da gab es wohl Unstimmigkeiten in der Auftragserteilung1, die auch Louis-de-Funés-Freunde amüsieren könnten.