Die Truppenstärke der afghanischen Streitkräfte schrumpft

Während der Zeremonie zum Abschluss der Ausbildung Anfang Februar 2015. Bild: Resolute Support

Nach dem Ende der ISAF-Mission wollte man durch "Resolute Support" auch mit deutschen Soldaten "leistungsfähige afghanische Streit- und Polizeikräfte" aufbauen

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Während der nächste Krieg im von den Amerikanern unter Bush "befreiten" Irak tobt, wächst nach dem Abzug der letzten Kampftruppen aus Afghanistan, wo auch die Bundeswehr Deutschland verteidigt hat, das Risiko, dass sich ähnliches auch hier wiederholen könnte. Möglicherweise fasst der IS auch hier Fuß. Zwar wurden alle Versprechungen auf den Aufbau eines demokratischen Rechtstaates bereits darauf zurückgeschraubt, Armee und Sicherheitskräfte aufzubauen (und zu finanzieren), um die Stabilität der Regierung zu garantieren, aber selbst dieses Ziel könnte gefährdet sein.

Offiziell wurde Ende letzten Jahres der ISAF-Einsatz beendet. 13 Jahre lang dauerte der Kriegseinsatz. Mit Beginn von 2015 ist die neue Nato-Mission Resolute Support gestartet. Dabei sollen 12.000 Nato-Soldaten, darunter 850 deutsche, beim weiteren Aufbau des afghanischen Militärs helfen (Train, Advise, and Assist - TAA), 5.500 zusätzliche US-Soldaten sind im Rahmen der Operation Freedom's Sentinel, Nachfolger von Operation Enduring Freedom, teils auch weiterhin direkt an Antiterroreinsätzen beteiligt und leisten Unterstützung durch Kampfflugzeuge und Drohnen.

Derzeit befinden sich nach Angaben der Nato 13.195 Soldaten in Afghanistan. Bis 2017 sollen die afghanischen Sicherheitskräfte mit jährlich 5 Milliarden US-Dollar finanziert werden. Ab 2024 soll Afghanistan, wenn es nicht von den Taliban überrollt wird oder die Geberländer nicht das Interesse verlieren, sein Militär vollständig selbst finanzieren.

Auf der Website der Bundeswehr gibt man sich betont optimistisch und verklärt den ISAF-Einsatz zum Erfolg, um die weitere Beteiligung zu rechtfertigen. Für 2015 sind Kosten von 282 Millionen Euro vorgesehen:

Der NATO-Einsatz Resolute Support (RS) in Afghanistan knüpft an die Erfolge der "International Security Assistance Force" (ISAF) an. Während ISAF ein durch den Kampf geprägter Einsatz war, ist Resolute Support primär eine Ausbildungs- und Beratungsmission. Deutschland trägt dabei eine ganz besondere Verantwortung - und ist deshalb einer der größten Truppensteller.

Weiter heißt es:

Vor allem durch die ISAF wurden leistungsfähige afghanische Streit- und Polizeikräfte aufgebaut. Diese umfassen inzwischen rund 350.000 Mann und haben die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernommen.

Auch der Kommandeur von Resolute Support, US-General John Campbell, sprach bei einer Anhörung am Mittwoch vor dem Streitkräfteausschuss des Repräsentantenhauses von etwa 350.000 Mann bei den Streit- und Sicherheitskräften. Diese Stärke habe sich schnell ergeben. Während der beiden letzten Kampfzeiten hätten die Soldaten und Polizisten wiederholt gezeigt, dass sie auch alleine Schlachten gewinnen und die Aufständischen besiegen können.

Im Früjahr beginnt erneut die Kampfzeit, es wird wieder eine Offensive der Taliban, des Haqqani-Netzwerks und der anderen Aufständischen erwartet. Nach Campbell sind die Taliban geschwächt, es gebe interne Konflikte, sie könnten derzeit nicht dauerhaft Gelände erobern und kontrollieren, weswegen sie verstärkt auf spektakuläre Angriffe auf weiche Ziele setzen. Damit würden sie aber ihren Rückhalt gefährden, weil so Zivilisten zum Opfer werden, während ihre Propaganda, einen Befreiungskrieg zu führen, mit dem Abzug der Nato-Kampftruppen einbricht, da sie nun fast nur noch gegen afghanische Soldaten und Polizisten kämpfen. Es gebe allerdings Hinweise, dass sich der Islamische Staat ausbreiten könnte.

Nach einem vor kurzem veröffentlichten Bericht des Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) ist es allerdings so, dass die Truppenstärke der afghanischen Streitkräfte (ANA) schrumpft. Danach gibt es nicht mehr 350.000 afghanische Soldaten und Polizisten, sondern nur noch 320.000, darunter gerade einmal 860 Frauen. Letztes Jahr hätten mehr mehr als 15.000 Soldaten den Dienst verlassen. Während die Streitkräfte jetzt, Zivilisten eingeschlossen, 169.203 Afghanen beschäftigen, waren es im Februar 2014 noch 184.839. Somit sei die Zahl der Beschäftigten um 8,5 Prozent gesunken, so dass der Stand von 2011 wieder erreicht wurde. SIGAR geht auch davon aus, dass die Zahl der Polizisten seit dem letzten Vierteljahr um mehr als 2.000 Mann auf jetzt 151.272 gesunken ist.

Nach den Beobachtungen ging es kontinuierlich bergab, parallel zum Abzug der ISAF-Truppen. Aber das Problem scheint weiter zurückzureichen. Schon vom September 2013 bis September 2014 haben mehr als 40.000 Soldaten den Dienst verlassen. Dazu kommt, dass in dieser Zeit bei Kämpfen 1.300 Soldaten getötet und 6.200 verletzt wurden. Bei der Polizei sollen die Opferzahlen noch höher sein. Die USA haben bislang in den Aufbau, die Ausrüstung und die Ausbildung der afghanischen Truppen fast 40 Milliarden US-Dollar bis Ende 2014 investiert, in die Polizei waren es fast 17 Milliarden.

Das afghanische Verteidigungsministerium sucht die Zahlen zu relativieren. Die 15.000, die letztes Jahr aus dem Dienst ausgeschieden sind, würden nur 3,5 Prozent ausmachen, dazu würden aber auch die Getöteten und Verletzten gehören. Die steigende Zahl wird auf die wachsenden Belastungen der Soldaten zurückgeführt, aber auch auf die angebliche Strategie der Taliban, die Druck auf Familien ausüben sollen, dass die Söhne das Militär verlassen.

General Campbell räumt in seinen Ausführungen ein, dass es eine hohe Personalabgangsrate gibt. Das habe bereits Auswirkungen auf die Kampfbereitschaft: "Wenn die Rate anhält, wird es mit der Zeit Probleme für den Aufbau der Streitkräfte geben." Gründe seien vor allem schlechte Führung, hohes Einsatztempo, schlechtes Management und mangelhafte Betreuung der Soldaten und Polizisten.

Die Bundeswehr wurde um eine Stellungnahme gebeten, die im Laufe des Tages kommen soll.