Die Ukraine wird auch nach den Wahlen instabil bleiben

Die Parteienlandschaft ist zersplittert, harte Reformen sind unwahrscheinlich und unklar bleibt die versprochene Autonomie für die Ostukraine

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In der Ukraine finden weiter Kämpfe zwischen den ukrainischen Streitkräften und den Separatisten statt. Schwere Kämpfe gab es um den Flughafen in Donezk. Auf beiden Seiten gab es Tote, auch Zivilisten wurden getötet. Allmählich scheint die Tagesschau aus ihrer einseitigen Berichterstattung aufzuwachen und berichtet auch von den rechtsextremen Milizen, die mit den ukrainischen Streitkräften kämpfen, und auch von neuen Massengräbern mit bis zu 400 Toten, die von den Separatisten entdeckt wurden. Russland will Kiew wegen des Einsatzes von Grad-Raketensystemen Kriegsverbrechen vorwerfen, weil durch diese mindestens 2.500 Zivilisten getötet worden sein sollen.

Ob es zu einer friedlichen Lösung des Konflikts kommen wird, steht weiter in den Sternen und ist derzeit trotz aller Bemühungen unwahrscheinlich. Auf beiden Seiten gibt es Kreise, die das nicht wollen. Der ukrainische Präsident fährt einen Schlingerkurs, auch wenn er versucht, mit allen Mitteln den vereinbarten Waffenstillstand zu halten. Aber er steht in Kiew unter Druck und darf auch die Verhandlungen mit den Separatisten und Russland nicht an die große Glocke hängen.

Die Schwierigkeiten zeigen sich etwa daran, dass Poroschenko zwar das Angebot gemacht hat, Donezk und Lugansk eine auf drei Jahre beschränkte weitgehende Autonomie zuzugestehen, aber nun erklärt hat, dass die Ukraine ein unitärer, also zentralistischer Staat bleiben soll, während er ein föderalistisches System ablehnt. Das scheint zwar in erster Linie ein terminologisches Problem zu sein, schließlich sind die USA oder die Bundesrepublik ein föderalistischer Staat, in dem die Länder mehr oder weniger große Eigenständigkeit haben. Jetzt scheint er den Eindruck erwecken zu wollen, dass die versprochene Dezentralisierung nur vorübergehend sein soll. Damit kann er vielleicht die nationalistischen Kräfte in der Westukraine beruhigen, aber nicht die nach mehr Autonomie strebenden in der Ostukraine. Poroschenko will verhindern, dass die Lage zu einem eingefrorenen Konflikt wird, durch den zwar legal kein unabhängiger Staat entsteht, aber faktisch Gebiete unabhängig wie in Transnistrien oder Abchasien werden. Das Schlingern hält jedoch auf beiden Seiten das gegenseitige Misstrauen am Köcheln.

Zum Knackpunkt dürften aber zunächst, sofern der Waffenstillstand halten sollte, die für den Oktober anberaumten Parlamentswahlen werden. Teilnehmen werden daran weder die Krim, was niemanden verwundern dürfte, aber auch nicht die von den Separatisten kontrollierten Gebiete. Die 450 Sitze werden also nicht erreicht. 29 Parteien werden antreten. Fraglich wird auch sein, ob in allen übrigen Wahlbezirken in der Ostukraine die Wahlen durchgeführt werden können. Die Hälfte der Abgeordneten wird über die landesweiten Listen der Parteien gewählt, die andere über ein lokales Direktmandat.

Die Frage wird sein, ob das gewählte Parlament dann auch die Ostukraine wird vertreten können. Aber die Frage ist auch, welche Kräfteverhältnisse entstehen werden. Klar ist, dass der Block Poroschenko die meisten Stimmen erzielen wird, aber es werden auch die nationalistischen oder rechtsextremen Kräfte vertreten sein, zudem dürften auch ehemalige Vertreter der Kommunistischen Partei und der Partei der Regionen von Janukowitsch dabei sein. Sie werden keine Mehrheit mehr erzielen können, aber den prowestlichen Kräften doch eine deutliche Opposition bieten.

Das Problem dürfte in einer weiteren Zersplitterung liegen, die eine Stabilität der Regierung und die Durchführung von Reformen erschweren dürften. Poroschenkos Block werden gerade einmal 30 Prozent in Umfragen prognostiziert, der Rest erzielt wie die Radikale Partei oder die Vaterlandspartei 6 Prozent oder weniger. Entscheidend wird werden, wie viele Stimmen die Volksfront erzielen wird, eine neue nationalistische und neoliberale Partei, die Jezenjuk anführt und der auch Kommandeure der rechten Milizen angehören. Ziemlich unwahrscheinlich dürfte sein, dass das neue Parlament bereit sein wird, die geplanten Spar- und Privatisierungsmaßnahmen zu billigen, die erforderlich sind, um den IWF-Forderungen zu entsprechen.