Die große grüne Mauer

Maßnahmen gegen die windige Republikflucht der chinesischen Erde

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Jedes Frühjahr zwischen Januar und März kommt der „gelbe Drachen“, wie die Chinesen die Saison der heftigen Sandstürme poetisch nennen. Der Himmel verdunkelt sich, die Luft färbt sich gelb und rot, und die Sandkörner im Wind machen es schwierig, etwas zu sehen oder zu atmen. Die Einwohner von Peking verkriechen sich wie alle in Nordchina in dieser Zeit in ihre Häuser und versuchen, die Fenster möglichst gut abzudichten. Aber die Sandstürme sind nicht nur unangenehm, sie führen zu wachsenden Wüstengebieten und sind ein riesiges Problem für die ganze Region. Die Volksrepublik China hat deswegen das größte ökologische Programm gestartet, das es weltweit gibt.

Sandstürme entstehen in Trockengebieten, speziell in Wüsten und die starken Winde tragen eine große Menge feiner Partikel so hoch in die Atmosphäre, dass die Auswirkungen auch sehr weit entfernte Gebiete betreffen können. Die Sahara-Stürme beeinflussen auch das Wetter in Deutschland, Staub aus der afrikanischen Wüste erreicht uns bis zu zehn Mal im Jahr und bedeckt dann als feine Schicht nicht nur die Autos.

Es ist bekannt, dass der feine Mineralsand aus den Wüsten bis zu 10.000 Kilometern durch die Luft reisen kann, von China aus erreicht er so weit entfernte Gebiete wie Alaska oder Grönland. Die Partikel tragen zur Wolkenbildung bei und werfen einen Teil der Sonnenstrahlung zurück. Ob Sandstürme in der Atmosphäre eine Abkühlung oder eine Aufheizung bewirken, erforscht unter anderen auch eine Wissenschaftlergruppe mit Unterstützung der Deutsche Forschungsgemeinschaft (Einfluss der Sahara-Sandstürme auf das globale Klima).

Sandsturm in China 2001 (Bild: UNCCD)

Besonders heftige Sandstürme toben Jahr für Jahr in China. Millionen Tonnen trockenen Bodens lösen sich vom Untergrund und werden aus der inneren Mongolei und dem Nordwesten Chinas in die Luft geschleudert und von Winden mit einer Geschwindigkeit bis zu 100 Stundenkilometern in andere Gebiete geblasen. Wie das Wissenschaftsmagazin New Scientist in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, intensiviert die Volksrepublik in jüngster Zeit ihre Bemühungen, das Phänomen einzudämmen – auch auf Betreiben der mitbetroffenen Nachbarländer. In Korea und Japan führten die aus China heranstürmenden Sandmassen immer wieder zu braunem Regen, verstopften Flüssen und Algenwildwuchs in Seen. Flughäfen müssen ihren Betrieb vorübergehend einstellen und der volkswirtschaftliche Schaden ist beachtlich.

China hat 1978 das so genannte Große Grüne Mauer-Projekt initiiert, das offiziell The North Shelterbelt Development Program heißt. Ziel ist es, vor allem durch Aufforstung der Ausbreitung der Wüsten entgegen zu wirken. Es hat schon immer Sandstürme gegeben, aber die intensive Bewirtschaftung des Bodens, das Abholzen der Wälder und die zu intensive Ausbeutung der Wasserreserven ermöglichen dem Wind heute, große Mengen des locker gewordenen Bodens mitzunehmen und eine wachsende Wüste zurück zu lassen. Edward Derbyshire, Honorarprofessor an der Gansu Academy of Sciences erklärt:

Dieser Prozess läuft seit mindestens 2,6 Millionen Jahren, wahrscheinlich schon sehr viel länger. Aber was in den letzten Jahrzehnten passiert, ist, dass die Menschheit sozusagen ihren Fuß hineingesetzt und den natürlichen Prozess beschleunigt hat.

Die Volksrepublik hat für ihre Grüne Mauer bereits mehr als 3 Milliarden Dollar ausgegeben, 24 Millionen Hektar Wald wurden bereits gepflanzt. Ziel ist es, bis zum Jahr 2050 eine Fläche von 4 Millionen Quadratkilometern mit Bäumen zu versehen, die besonders unempfindlich gegen Trockenheit sind. Das Waldgebiet in Norchina soll sich insgesamt verdreifachen.

Großer Sandsturm über dem Nordosten Chinas 2004, aufgenommen vom Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) an Bord des Terra-Atelliten (Bild: Jesse Allen/NASA Earth Observatory)

Das Programm begeistert aber nicht alle Experten. Ob die Bäume wirklich überall ein passendes Mittel sind, darüber wird international diskutiert. Speziell in bereits wüstenartigen Regionen pumpen die Projekte zur Aufforstung beachtliche Wassermengen aus dem Boden, um die Jungpflanzen zu bewässern. Und das, obwohl in dem Gebiet im Zweifelsfall nie zuvor Bäume standen und sowieso schon Wassermangel herrscht (Megatrend China: Wasserengpass). Viele der Bäume verlieren zudem ihre Blätter und sind oft gerade in der Trockenzeit kahl, wenn die Sandstürme toben. Glatte Baumstämme bremsen aber die Wirkung des Windes kaum aus.

Ebenfalls umstritten sind zusätzliche Maßnahmen der Regierung wie das Anpflanzen von Gras oder anderen Bodendeckern, die ebenfalls viel Wasser benötigen. Oder das Verlegen von Strohmatten sowie den Einsatz von chemischem Kleber, der den Boden festigen soll, in der nördlichen Provinz Ningxia.

Menschenrechtsgruppen protestieren zudem gegen die Umsiedlung bzw. Zwangsansiedlung von 3.000 Nomaden-Familien in der Inneren Mongolei, die ihre Ziegen-Herden zukünftig in der direkten Umgebung der für sie erbauten Dörfern weiden lassen sollen.

Kritik gegen die Effektivität aller dieser Maßnahmen wurde immer lauter. Das führte schließlich zur Gründung eines internationalen Projekts, das von der Asian Development Bank, den Vereinten Nationen und der Global Environment Facilty unterstützt wird. Beteiligt sind neben China die Mongolei, Japan und Korea. Stärker als bisher sollen die jeweils lokalen Gegebenheiten einbezogen und daran angepasste Mittel eingesetzt werden.

Bevor die Wirkungen der Maßnahmen sich zeigen, dauert es sicherlich ein Jahrzehnt. Solange müssen die Chinesen sich weiter jedes Frühjahr in ihren Häusern verkriechen, wenn der gelbe Drache kommt.