"Die haben vor ein paar Jahrhunderten das Essen mit der Gabel von uns gelernt"

Flucht von Henry de Valois aus Polen von Artur Grottger. Bild: gemeinfrei

Jahrhunderte langer Kulturkampf zwischen Polen und Frankreich?

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Zwischen Polen und Frankreich herrschen Spannungen. Die Regierung in Warschau hat abrupt die Verhandlung über ein milliardenschweres Geschäft platzen lassen. Anstatt bei der französischen Firma Aibus 50 Militärhubschrauber "Caracal" zu bestellen, soll der amerikanische Konkurrent Sikorsky mit dem Helikopter "Black Hawk" bevorzugt werden. Nach der Kehrtwende in der Verhandlung folgte eine Kehrtwende zur Esskultur, die recht seltsam anmutet.

Frankreich reagierte auf die unmittelbare Absage nach über einem Jahr Verhandlungen sauer. Präsident Francois Hollande sowie sein Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian sagten für diese Woche ihre Besuche ab. Zudem wurde der polnischen Delagation für die Pariser Militärmesse "Euronaval" der Status eines offiziellen Gastes entzogen.

Nach Ansichten von Bartosz Kownacki, dem stellvertretenden Verteidigungsminister Polens, habe sich die französische Diplomatie nun kompromittiert. Und er macht ausgerechnet mittels der Kulturgeschichte klar, wo Frankreich steht: "Das sind die Leute (Franzosen), die vor ein paar Jahrhunderten von uns lernten, mit der Gabel zu essen. Vielleicht benehmen sie sich jetzt deswegen so."

Eine Anspielung an den französischen König Heinrich den III., der 1573-1574 als Henryk Walezy in Polen regierte und die Gabel, so einige polnische Quellen, nach Frankreich eingeführt haben soll. Andere Quellen weisen auf Venedig.

Das Franzosenbashing wurde von den angelsächsischen Medien dankbar aufgenommen. New York Times, Washington Post, BBC und Daily Mail berichteten, auch "Russia Today" kolportierte vom "Forkgate". Für die internationale Öffentlichkeit wieder mal ein Beweis für die wunderlichen Polen. Seit dem Regierungsantritt der nationalkonservativen "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) im vergangenen November ist Warschaus Stil deutlich ruppiger geworden.

"Sie haben ihren Staat erst im 18. Jahrhundert gegründet und wollen uns belehren?" keilte Verteidigungsminister Antoni Macierewicz im März über den Atlantik. Eine Reaktion auf die informelle Nachricht, der amerikanische Kongress könne sich mit Polen aufgrund der Eingriffe in das polnische Justizwesen beschäftigen, und ein Verweis auf die polnischen Adelsrepublik, die im 16. Jahrhundert ihren Anfang nahm (Polnische Regierung: Clinton und Trump sind wie "Pest und Cholera").

Arrogant oder Barbar ist immer der andere

Wie erklären sich diese Attacken? Die PiS ist vor allem eine innenpolitische Partei, mit vornehmlich innenpolitischen Erfahrungen. Die markigen Sprüche richten sich an die eigenen Wähler, die internationalen Reaktionen scheinen von sekundärem Rang.

Auf der anderen Seite will gerade das konservative Polen der Welt mehr über die polnische Geschichte vermitteln. Dabei wird bei bei anderen Nationen ein ähnlich geschichtsfixiertes Denken und eine Identifikation mit jedem Teil der Geschichte vorausgesetzt. Gedankliche Sprünge in das 16. und 17. Jahrhundert (vor allem das Ende des 16. Jahrhunderts gilt als goldenes Zeitalter) sind besonders beliebt, denn damals hatte Polen den Rang einer europäischen Großmacht.

Der Spruch von Bartosz Kownacki hat es in sich. Frankreich, das Polen durch die Aberkennung des offiziellen Gaststatus auf der Militärmesse straft, wird nicht nur durch einen kulturgeschichtlichen Hinweis gegenüber Polen herabgestuft (wir hatten ihnen damals etwas beigebracht) sondern es wird unterstellt, dass diese gastronomische Belehrung das Selbstbewusstsein Frankreichs über Jahrhunderte belastet hat und sie darum Polen nun so schändlich behandeln.

Einen polnisch-französischen Kulturstreit gab es im Zeitalter Heinrich III. wirklich. Denn der französische König war der erste Wahlkönig Polens - und der hielt es dort nicht lange aus. Als er hörte, dass sein Bruder, König Karl IX., gestorben war, flüchtete er heimlich aus dem schneereichen Land, in dem er vor allem im Bett herumgelegen haben soll.

Zudem soll er mit einem Übermaß an Schmuck und Parfüm in Polen wie eine Frau oder ein Sodomit wahrgenommen worden sein. Nach der für Polen schändlichen Flucht und der Weigerung Heinrichs, zurück zu kommen, überzogen sich die polnischen und französischen Adligen mit Schmähgedichten. Gemeinsam ist ihnen, dass die jeweils andere Seite als "Barbar" und "arrogant" wahrgenommen worden wird. Der ehemalige stellvertretende Verteidigungsminister hat diesen Streit wieder aufgenommen.