Die liberale Partei im deutschen Politmarkt

Die Nachfrage ist dahingeschwunden, ein neues Angebot nicht in Sicht

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Die FDP kann auf eine Erfolgsgeschichte verweisen: Seit Gründung der Bundesrepublik ist sie in erstaunlichem Umfange als regierende Partei tätig gewesen, im Bund und in den Ländern, in wechselnden Verbindungen, begehrt als Juniorpartnerin für eine größere Partei, vornehmlich für die CDU/CSU, mitunter auch für die SPD.

Die Freidemokraten hatten Phasen des Schwächelns, immer mal wieder Verluste an Wahlprozenten, dann jedoch neue Konjunkturen; sie konnten ihre Position als ein spezieller Anbieter von Politik halten. Aber eine solche Historie bringt einer Partei noch keine Bestandsgarantie auf die Zukunft hin. Auch im politischen Markt gibt es so etwas wie "schöpferische Zerstörung", ein Vorgang, der für die Ruinierten durchaus nichts Erfreuliches hat; parteipolitische Konkurrenten indes können daraus ihren Gewinn ziehen.

Derzeit ist die FDP erst einmal verstört; selbst ihre Profis wissen nicht so recht, ob sie nun Konkursverwaltung betreiben oder wieder Nachfrage für die Partei erzeugen können. Der neue Parteivorsitzende gibt sich, was bleibt ihm anderes übrig, leise optimistisch. Über einige Jahrzehnte hin hat die FDP davon profitiert, dass sie allein als Minderheitsteilhaber und zugleich Mehrheitsbeschaffer für von den Unionsparteien oder der SPD geführte Regierungen zur Verfügung stand.

Im Verständnis dessen, was "liberale" Politik bedeuten solle, war die Partei in mancher Hinsicht stets heterogen, aber es gab eine Formel, die zusammenhielt und Anhängerschaft brachte: Staatlicher Regulierung des gesellschaftlichen Geschehens sei mit einigem Misstrauen zu begegnen, der Bürger dürfe in seinen persönlichen Freiheiten nicht eingeschränkt werden. In der Umsetzung auf politische Praxis wurde dieses edle Prinzip gern ganz profan verstanden: Runter mit den Steuern! Liberalität wurde vorwiegend als wirtschaftliche Ellbogenfreiheit begriffen.

Wähler und Wählerinnen fand die FDP vor allem in der Mittelschicht, speziell bei selbständig Gewerbetreibenden. Von mitregierenden Freidemokraten wurde erwartet, dass sie "Übermut" ihrer größeren Partner bändigen, "exzessive" Absichten korrigieren würden - bei den Unionsparteien altkonservative, staatsautoritäre und traditionskirchlich geprägte Politikmuster, bei der SPD planwirtschaftliche Anwandlungen.

Und in Zeiten einer Großen Koalition im Bund konnte sich allein mit der FDP die Hoffnung verbinden, ein so erdrückende Bündnis bei nächster Gelegenheit wieder abzulösen.

Für all diese Funktionen und politischen Wünsche wird die FDP inzwischen nicht mehr gebraucht. Eine Alternative zur Großen Koalition ist denkbar ohne die FDP. Potenzielle Juniorpartner gesucht? Die CDU/CSU kann im Bedarfsfall mit den Grünen rechnen, die SPD kalkulierte mit ihnen und wird dies vielleicht demnächst wieder tun, hier kommt auch die Linkspartei für eine solche Rolle in Betracht.

Gut situierte Mittelschichtler haben in der grünen Partei ihre Vertretung, auf die FDP sind sie nicht angewiesen Die Unionsparteien haben sich von konservativen Verpflichtungen zunehmend gelöst, sie demonstrieren weltanschaulich Liberalität. Die SPD hat Sozialistisches nicht mehr im Sinn, auch wenn junge Sozialdemokraten sich Jusos nennen, und die Agenda 2010 hat den Vermögenden steuerpolitisch das Leben leichter gemacht als es die FDP je zustande bringen konnte. Dass die "Markt"-Wirtschaft als ökonomisches oberstes Gebot nicht in Frage gestellt werden dürfe, beteuern CDU/CSU, SPD und Grüne, die Linkspartei nur zögert da noch.

Eine FDP, die diesen Glaubenssatz als ihre spezielle Lehre anbietet, ist nicht mehr vonnöten. Die personell neu aufgestellte FDP, so hieß es jetzt nach dem Parteitag in Kommentaren, müsse nun "liefern", um wieder ins Geschäft zu kommen. Aber was und wem? Es gibt ein politisches Großthema, das von den Parteien systematisch vernachlässigt wird: Der Überwachungsstaat, die fortschreitende Demontage alltäglicher Freiheitsrechte. Eine Perspektive für Liberale in Gestalt der Freidemokraten? Mit dem Personal der FDP, der Mitgliederschaft und den Funktionsträgern dieser Partei? Das wäre, realistisch betrachtet, denn doch zu viel erwartet oder verlangt.