Die panoptische Schule

Ein amerikanischer Schulbezirk spielt wahrscheinlich eine Pionierrolle und hat alle Klassenzimmer und Gänge in den Schulen mit mehr als 500 WebCams zur Überwachung ausgestattet

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Die panoptische Gesellschaft rückt auch ohne Terrorbedrohungen Schritt für Schritt näher. Manche setzen sich der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit aus der Ferne freiwillig aus und suchen aus den unterschiedlichsten Big-Brother-Szenarien der Dauerüberwachung Profit durch Erwerb von Prominenz zu schlagen und üben zugleich das Leben unter permanenter Beobachtung. Meist jedoch geht es vordergründig um Sicherheit, für die Überwachung sorgen soll. Jetzt hat erstmals eine ganze Schule in den USA in allen Räumen WebCams zur Überwachung installiert.

Erst vor kurzem hatte ein britischer Lehrer die Einführung von Überwachungskameras in Schulen gefordert (Webcams in die Klassenzimmer). Damit könnten Eltern näher an die Schule herangeführt werden, vor allem aber könnten sie so übers Internet in Echtzeit ihren Sprösslingen zuschauen und damit womöglich die geplagten Lehrer entlasten, die mit den unruhigen und aufmüpfigen Kindern nicht mehr zurecht kommen, von den Eltern aber im Stich gelassen werden. Das kam bei den Lehrern erst einmal nicht so gut an, zumal diese schließlich auch permanent kontrolliert werden können.

Obgleich eigentlich Großbritannien Weltmeister im Hinblick auf die Menge von installierten Überwachungskameras ist, preschte man jetzt in den USA vor. In den öffentlichen Schulen der Stadt Biloxi, Mississippi, wurden erstmals alle Klassenzimmer und die Gänge mit Überwachungskameras ausgestattet. Insgesamt wurden im Laufe des zweijährigen Projekts in den Schulen für 2 Millionen Dollar - bezahlt aus den Kasino-Einnahmen - mehr als 500 Kameras installiert, die sich in runden Hauben an der Decke befinden und einen 360-Grad-Einblick in die Räume bieten.

Noch zumindest wird Ton nicht aufgezeichnet. Den kennwortgeschützten Zugang zu den Bildern der Kameras erhalten die Berechtigten über das Internet. Angeblich haben - abgesehen von möglichen Crackern - nur wenige Personen Zugriff auf die Bilder: Direktoren, Vizedirektoren, Superintendenten oder Mitglieder des Schulrates sowie die juristischen Vertreter. Eltern, Schüler oder andere Lehrer benötigen erst eine richterliche Genehmigung. Aufbewahrt würden die Bilder nach Angaben des Erziehungsministeriums nicht, allerdings gibt es auch noch keine schriftlichen Regelungen für den Gebrauch der Überwachungskameras.

Noch habe es wegen der Überwachungskameras noch keine Beschwerden gegeben, sagte ein Sprecher der Schulbehörde. Die Kameras seien eine Vorsichtsmaßnahme, Lehrer und Schüler würden sich auch sicherer fühlen.

Dass mit Überwachungskameras durchaus Schwierigkeiten in Schulen entstehen können, zeigt das Beispiel einer Schule in Tennessee. Dort wurden Überwachungskameras offenbar ohne Wissen von Schülern und Eltern auch in Umkleideräumen installiert. Nachdem Schüler die Kameras zufällig entdeckten, kam es zu Beschwerden. 17 Eltern von Kindern im Alter zwischen 10 und 12 Jahren klagten Schule und die Firma an, die die Überwachungskameras installiert hatten und verlangen 4 Millionen Dollar Schadensersatz.

Obgleich die Kameras auf die Eingangstüren der Umkleideräume gerichtet waren, konnte man auch Teile der Räume und damit Kinder sehen, die sich umziehen. Bilder der Überwachungskameras werden auf den Computern der Schule gespeichert und können über das Internet gesehen werden. Zwischen Juli 2002 und Januar 2003 wurde 98 Mal, oft spät am Abend oder früh am Morgen, auf die Bilder über das Internet zugegriffen. Trotz früherer Beschwerden wurden die Vorabeinstellungen für die Zugriffsberechtigung angeblich niemals verändert.