Die schönste Jugend....

Die Ausstellung Z2000 in Berlin versucht Positionen junger Kunst und Kultur einzufangen

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Unter jugendlichen Motorradfans hatte Anfang der siebziger Jahre die Buchstabenfolge Z 900 eine außerordentliche Bedeutung. Sie bezeichnete den Inbegriff der schnellen Fortbewegung und damit das direkte Synonym für Freiheit, zumindest für die Fans mit der Kutte über der Lederjacke. Z 900 stand auf den Seitendeckeln eines Motorrades der Marke Kawasaki, die von den Technikern in Japan mit einem für den Stand der Fahrwerksentwicklung viel zu starken Motor ausgestattet worden war, was ihr den Ruf der Unsicherheit und unter den schreibenden Connaisseuren kritische Blicke, beim direkter denkenden Fahrvolk aber große Bewunderung einbrachte. Das Nachfolgemodell Z1000 wurde kaum weniger geschätzt, hatte aber nicht mehr ganz den proletarischen Charme der Neunhunderter.

Sinnbild einer "anderen" Jugend vor 25 Jahren, die Z 900

Nie gab es in der Kunst viele Motorradfans; vielleicht dass man mal Kenneth Angers "Scorpio Rising" im Zuge der Filmbegeisterung der letzten Jahre wieder entdeckt hat. Aber das ist ein Film aus derselben Generation wie die Fans der Z 900. Überhaupt Film: auch Kathryn Bigelows Karriere begann mit einem etwas zähen, jedoch um so kultigeren Drama um Motoräder (The Loveless, USA 1981), nachdem sie sich in den Siebzigern mit Lawrence Wiener im konzeptuellen Kunstfilm betätigt hatte. Im Film hat man eben - fast zwangsweise, der Besucherzahlen wegen - mehr Kontakt zum Phantom Fan-Tum als in der bildenden Kunst. Und meist einen gewissen Zwang zur Konzentration.

Beides läßt Z2000, eine groß angelegte Ausstellung in Berlin, etwas vermissen. Zitat Pressetext: "Vom Tafelbild über launchige Clubnächte und Theater- Performances bis zum theoretischen Diskurs". An fünf Hauptspielstätten finden unter dem Kurat unterschiedlicher OrganisatorInnen fünf von der Herangehensweise, aber auch qualitativ sehr unterschiedliche Ausstellungen statt. Z2000 wird außerdem von einem umfangreichen Literatur -, Musik - und Filmprogramm begleitet. Kleinster gemeinsamer Nenner: Es geht um Jugend. Dem Ganzen wird qua Titel, aber auch in Pressemitteilung und Katalog, sinnstiftend das "Generationen-Identitäts-Programm übergestülpt; und naja, was soll ich sagen: it smells funny. Douglas Couplands anscheinend unvergesslicher Roman "Generation X" hatte der Vorläuferveranstaltung X94 den Namen gegeben. Zwischen X94 und Z2000 hätte eigentlich vor drei Jahren Y97 stattfinden sollen, was aber an den schwächelnden Finanzen scheiterte. Dafür ist man nun "an der Schwelle zum dritten Jahrtausend" ziemlich umfangreich geraten und mit ca. 1,5 Millionen Mark auch nicht grade unterversorgt.

Von der Generation X zur Gründergeneration

Nun war Couplands Roman, seine Verdienste unbenommen, schon zur ersten Veranstaltung im Jahr `94 nicht mehr ganz neu am Markt. Die Slacker der GenerationX hatten sich längst von den Microslaves ablösen lassen, oder waren in solche verwandelt worden. Allein, Microsoft geht's heute auch schon nicht mehr so richtig gut. Zwischendurch sollte die Generation Y entwickelt werden. Die kam aber nicht über das Konzeptionsstadium hinaus. Statt dessen scheint sich das Modell Gründer durchzusetzen, man trifft sich auf 1st Tuesdays und anderen Founder-Konferenzen. Dort zeigt sich dann mehr als namentliche Ähnlichkeit zur Gründerzeit des vorletzten Jahrhunderts: Alles sehr effektiv, aber am Ende doch bieder, fleißig durch Erfolg oder umgekehrt - die Generation Golf eben. Jede Generation hat ihre Mythen, und heute fährt man den Pentium III auf der Spieleoberfläche voll aus, wenn man nicht grade im Stau auf der BankingOnline-Seite steckenbleibt. Was für ein Unterschied zu Coupland, und was für einer gar zur Z 900.

Bleibe

Das Gesamtkonzept von Z2000 liegt mit der Annahme, dass die, auch in der Kunst sogenannte, Generation Berlin dem biederen "Gründertum" zu nahe steht, durchaus richtig. Z2000 nimmt für sich in Anspruch, ganz anders geartete Positionen in der Hauptstadt aufgetan zu haben. In Teilen ist das auch gelungen. Jedoch kann ausgerechnet die Hauptausstellung "Bleibe" in der Akademie der Künste dem Anspruch nicht gerecht werden, tatsächlich "andere" Kunst zu zeigen. Dort üben sich zunächst einige bekannte Namen in der Disziplin der Wiederholung. Ihr Marktwert wird dabei direkt neben den Kunstwerken durch die "courtesy"- Kennzeichnung ihrer Galerie unterstrichen; dass es sich dabei um nur eine einzige Galerie des "jungen" Berlins handelt, bestätigt bekannte Praxen heutigen Kuratierens. Anderen, jüngeren und/oder unbekannteren TeilnehmerInnen gelingt es - Ausnahmen zum Trotz - ebenfalls nicht, die Ausstellung aus dem zu lösen, was zu Couplands besten Zeiten noch International Style hiess. Letztlich eine angenehmer Ausstellungsspaziergang, beweist "Bleibe" zumindest, dass das Budget nicht an die allgemein zirkulierenden Namen vergeben werden muss, um einen allgemein üblichen Eindruck zu hinterlassen.

Stadt im Regal

Ein Ausdruck dafür, wie KünstlerInnen einen Einfluss auch auf den Rahmen ihrer Präsentationen für sich beanspruchen, ist der Holzbungalow vor der Haustür der Akademie. Die Gruppe "Stadt im Regal", bestehend aus zwölf Künstlerinnen und einem Künstler, zeigt ihre Objekte und Videos in dem Modell eines Einfamilienhauses von Eduard Ludwig, das aus Grob-Pressspan im Verhältnis 1:1 errichtet ist. Damit trägt die Gruppe dem Hansaviertel und seiner Geschichte Rechnung. Im Rahmen der Architekturdebatten der letzten Zeit, aber auch durch den neuen Chic der Moderne, wurde das während der Internationalen Bauausstellung von 1957 von Architekten wie Gropius, Aalto, Le Corbusier und eben Ludwig komplett modernisierte Viertel wieder entdeckt. Die Arbeiten der KünstlerInnen sind zum Teil gelungene Interpretation dieser Zeit und ihrer Phänomene: Sei es TV, Kino, Einbauküche, aber auch die Tatsache, dass die Moderne damals an den Wänden der Bungalows hing - so explosiv uns auch die Wirkung der Pollocks und Rothkos (wieder) vermittelt werden soll. In dieser Zeit wurden die Gesetze des Kunstmarktes perfektioniert, die mit der derzeitigen Moderne-Retro ebenfalls kritiklose Renaissance erfahren.

Next!

Völlig unvermittelt versucht dann im unteren Teil der Akademie "Next!" einen Blick auf die HipHop-Szene. Dieser Teil von Z2000 schliesst Sprayarbeiten, Comics und einen animierten Video aus Los Angeles mit ein. Als Outsider ist man erst gar nicht versucht, hier einzelne Positionen zu isolieren und es vermittelt einem das Ganze auch nicht, wie die Kunst des angehenden Milleniums aussehen wird. Jedoch findet sich hier, eher als zwei Stockwerke höher in "Bleibe", ein Gefühl von Engagement; "Herzblut", das auch sichtbar von den kitschigen Rahmen tropft - Trash natürlich, jedoch von einer Freiwilligkeit, Grobheit, Liebe getragen; streng heterosexueller Liebe, versteht sich. Man kann keine Kunstkriterien dafür finden. Erst verärgert einen die Vereinnahmung in die große Ausstellung, dann liest man, dass sich die KünstlerInnen selbst für eine Präsentation auf Leinwand und Rahmen statt Beton entschieden haben - und plötzlich erinnert man sich an Filme, an Beobachtungen, wie die von Kenneth Anger; ohne dass es hier einen Beobachter dabei gäbe, der die Dokumentation für sich zur Kunst machte. Man ist hier, in "Next!", offensichtlich näher an der Kawasaki Z 900, als an der Generation Golf.

Satellit

Der "Satellit" betitelte Teil im Berliner Pavillon rückt wieder mehr in die Kunstnormalität. Hier geben die KünstlerInnen in offensichtlich enger Zusammenarbeit mit dem Kurator den Raum frei für eine typisch Berliner Inszenierung. Die Werke ziehen sich ein wenig zurück an die Ränder des Pavillons, an die Außenwände gar, oder bekennen sich zu einer Funktionalität als Sitzobjekt bzw. Medienträger - vielleicht nicht immer zu ihrem Vorteil. Die gesamte Installation weist auf eine Projektionsleinwand an der Rückseite des Raums hin, davor Plattenspieler und Mixer, und an der Seite steht: die Bar. Dieses Modell, "oft kopiert - nie erreicht", hat aus der Untergrund-Location schon vor längerer Zeit seinen Weg in die Ausstellungen gemacht; selten wurde es dabei erreicht oder gar verbessert. Exporte in die anderen Metropolen der Welt ließen immer einen schalen Geschmack zurück. Im Berlin Pavillon gelingt dank der beteiligten KünstlerInnen aller Klassen, was Z2000 an anderen Orten, beispielsweise den Fehrbelliner Höfen, nicht gelingen will: die versprochene Lounge. Man lümmelt sich und redet, oder hört den DJs zu. An bestimmten Abenden finden Videoprojektionen statt. Einen guten Teil macht allerdings die Architektur des Pavillons aus, die ebenfalls der IBA 1957 zu verdanken ist. Auch dies ist ein Berliner Modell der letzten Jahrzehnte: Hinein in die alten Räume, das Ambiente stellt sich dann schon ein. Man muss dazu sagen - und die TeilnehmerInnen scheinen das zu wissen - , dass es für diese Strategie nie Großveranstaltungen brauchte. Und dass es nicht mehr ganz neu ist, das Modell - bei aller Liebe.

Global Ghetto

Entgegen den Erwartungen an Z2000 steuert "Global Ghetto" im Kunstamt Kreuzberg. Dort wird eine Kompilation von Fotos, Computerprints und vor allem Musikvideos ausgebreitet, die wiederum eher Transauthentizität in Retro-Format ausstrahlt. Am ehesten in diesem Konglomerat Z2000 erzeugt sie Widerspruch; unterschiedliche, zumeist negative Kommentare im Besucherbuch belegen das - jedoch zu recht? Die Präsentation ist "laut", dabei allerdings eher schlicht ausgedacht. Im Hauptgang werden Musikvideos abgespielt, nebenan im lieblos eingerichteten "Kino" wabern unscharf Ambientbilder. Optik und Sound werden komplett von dem Berliner Label Digital Hardcore Recording (DHR) und seinem Umfeld dominiert. Fast alles ist Noise, und Lärm ist Programm von DHR, dessen Gründung Alec Empire von der Band AtariTeenageRiot zugeschrieben wird. Deren Message war immer der Aufruf zur permanenten Revolution. Auch wenn dies im Jahr 2000 keineswegs eine kommerzfreie Haltung ist, hebt es sich doch von der sonst üblichen Anpassung an das neoliberale Programm ab. Daneben zeigt man NoWave-Videos, da dominieren Splatter und Nippon-Porno: ob das die "grenzüberschreitenden, zum Teil provozierende künstlerische Arbeiten" aus dem Pressetext sind?

Dem Wunsch nach einer Gesamt-Inszenierung folgen die auf einheitliches Format gebrachten Schwarzweissprints dreier Fotografen. Mit gut der Hälfte der digitalen Ausdrucke wird versucht, das etwas authentizistisch anmutende Lebensgefühl der DHR-Szene abzubilden: Obdachlose, Andersaussehende und Outlaws aus aller Welt stehen für die "wahre Situation" auf dem Globus. Die ebenfalls in einem existentialistischen Stil fotografierten Porträts junger Frauen aus Berlin sind zwar nur mit den Vornamen gekennzeichnet, man erkennt trotzdem Musikerinnen des Labels. Einzige aktive weibliche Position in der Ausstellung ist ein aggressiver Text von Nic Endo zur Rolle der Musikerinnen im Markt. Auch auf den Computerprints, die auf die gleiche Größe wie die Ausdrucke der Fotos gebracht und mit einem ähnlichen weißen Rand versehen wurden, sind Musikerinnen prominent präsentiert. Das quadratische Format der Drucke deutet auf Coverdesign. "Global Ghetto" hebt die Prints in keinster Weise über diese Funktion hinaus und das erscheint sinnvoll; so bleibt die Schau in der Weise sperrig, wie die Musik ein Lärm ist.

Als Kunstausstellung taugt das nur bedingt, aber wo an anderer Stelle so viel Langeweile präsentiert wird, ist hier zumindest Hard Core, oder Punk, oder Leben - in jeder Generation hatte das irgendeinen Namen. Z 900 hieß es wohl auch mal. Z2000 hat sich jedoch mit der Definitionsarbeit etwas übernommen, die Ausstellung als Gesamtes bleibt viel zu unengagiert, viel zu diffus, um wirklich Bild einer Generation sein zu können.

Z2000 - Positionen junger Kunst und Kultur
15.7.-20.8.2000
Veranstaltet von der Akademie der Künste Berlin, Hanseatenweg 10 10555 Berlin
www.z2000.de
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