"Draussen ist doof"

Schöne neue Medienwelt: Endlich dürfen wir zu Hause bleiben und damit auch noch Meilen sammeln

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Mit seiner „DRAUSSEN IST DOOF“-Kampagne trifft der Anbieter Betty TV den Nagel auf den Kopf und bestätigt uns endlich in der Unlust, das Haus zu verlassen. Zu Hause bleiben ist jetzt in…

Draußen ist es wirklich doof. Es ist grau, Kyrill war da und Lancelot steht bereits vor der Tür. Bäume fallen um, Grippewellen drohen, die Rütli-Schüler machen einem Angst und überhaupt. In einer TV-Kampagne des Unternehmens Betty TV werden nun passend in Slapstick-Nummern die Gefahren des „Draußen“ vorgeführt und der befreiende Slogan „Draussen ist doof“ gibt auch dem letzten Couch-Potato die Bestätigung dessen, was er schon immer vermutete: Es ist nicht nur ein Akt der Bequemlichkeit, das Haus nicht zu verlassen, sondern einfach klüger.

Slogan von Betty TV

Betty TV versucht mit seinem Angebot abermals die interaktive Lücke des Fernsehens zu schließen und gibt dem Zuschauer gegen Gebühr eine „hochwertige Designfernbedienung“ mit Bildschirm in die Hand, mit der sich während des Sehens bestimmter Sendung auf Pro7, Sat.1 und Kabel1 Rätsel lösen lassen. Darauf hat die Welt sicher nicht gewartet und es wäre auch kaum einer Nennung Wert, wenn Werbung und Aufmachung des Produktes nicht ein erstaunlich präzises Zeitbild liefern würden. Die Kampagne bringt auf den Punkt, was wir schon länger ahnen: Wenn sich das soziale (Kommunikation, Partnersuche), wie auch das alltägliche Leben (Einkaufen, Behördengänge, Bankgeschäfte, Arbeit) zunehmend ohne Verlassen des Hauses erledigen lassen, muss sich das „Draußen“ ganz neuer Kriterien stellen.

„Draußen“ ist nicht mehr notwendig. Dinge, die nicht notwendig sind, machen wir freiwillig, und was wir freiwillig machen, machen wir in der Unterhaltungsgesellschaft aus Freude oder gar nicht. Sicher mag dies zugespitzt klingen, doch sind die Reflektionen über die Vor- und Nachteile des Verlassen des Hauses nicht neu. Bereits Mark Twain thematisierte dies in „Gefahren im Bett“, kam aber zum überraschenden Schluss, dass das Fahren im Zug dem Schlafen im Bett aus Sicherheitsgründen vorzuziehen sei. Wahrscheinlich wurden die Schweißnähte an Bahnhöfen damals noch kontrolliert. Heute liefern Boulevardmagazine Stadtpläne mit Gefahrenzonen und Tipps, welche Orte und Verkehrsmittel man meiden sollte.

Bei steigender Möglichkeit, das Haus nicht zu verlassen, erscheint es daher nur logisch, es auch wirklich nicht zu tun. „Betty TV“ macht's möglich und spendiert dem Klügeren das Homie-Äquivalent zu den Flugmeilen der Schönen und Reichen: Sofa-Meilen. Das Paradox dieser Wortkombination fällt kaum noch auf. Wenn sich quasi alles von daheim erledigen lässt, warum nicht auch das Sammeln von Meilen. Leider muss man bei „Betty TV“ dafür immerhin noch aktiv am Fernsehen teilnehmen und Rätselfragen auf der Fernbedienung lösen. Aber bei der Kreativität der Unternehmer wird auch hier sicher bald Abhilfe geschaffen. Vielleicht ein Abodienst zum Lösen der Aufgaben…