Düstere Aussichten für die Betroffenen und die Sozialsysteme: Die Zahl der pflegebedürftigen Alten nimmt stark zu

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Nach einer britischen Studie wird sich bis 2035 die Zahl der auf eine Rundumpflege angewiesenen Über-85-Jährigen verdoppeln, auch der Anteil der pflegebedürftigen Über-65-Jährigen wächst um ein Drittel

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Ob die Lebenserwartung wie seit Jahrzehnten kontinuierlich weiter wachsen wird, ist noch nicht wirklich abzusehen. In den USA wurde in den letzten Jahren nicht nur ein Stillstand, sondern ein Rückgang beobachtet. Das hat vor allem mit der "Opioid-Epidemie" in den Staaten zu tun, also mit dem weiterhin grassierenden Drogen- und Schmerzmittelkonsum, aber auch mit dem maroden Gesundheitssystem und steigenden Selbstmordzahlen. Vor allem in der weißen Bevölkerung und in der jungen Generation ist die Mortalität gestiegen.

In Deutschland beträgt die Zahl der Pflegebedürftigen (Stand 2015) insgesamt 2,9 Millionen Menschen, 9 Prozent mehr als 2013. Von diesen werden knapp über 2 Millionen (73%) Zuhause versorgt, davon wiederum fast 700.000 zusammen mit ambulanten Pflegediensten, die über 350.000 Mitarbeiter beschäftigen. Noch werden erst 27 Prozent der Pflegebedürftigen oder 783.000 vollstationär in Heimen von 730.000 Beschäftigten versorgt. Die Mehrheit des Personals sind Frauen und ist teilzeitbeschäftigt.

Die Branche boomt, die Zahl der Beschäftigten ist in den letzten Jahren gestiegen, auch die Zahl der Stellen, die nicht besetzt werden können. Auch wenn relativ durch den medizinisch-technischen Fortschritt, veränderte Arbeitsbedingungen oder gesünderen Lebensstilen relativ weniger Über-65-Jährige pflegebedürftig sein werden, wird der Anteil der Pflegedürftigen absolut weiter ansteigen, vor allem bei den Über-85-Jährigen. Man kann auch davon ausgehen, dass aufgrund der veränderten Familienverhältnisse weniger Alte Zuhause nur von den Angehörigen gepflegt werden.

Zunahme an intensive Pflegefällen

Deutlich wird aus einer in The Lancet Public Health veröffentlichten Studie von Wissenschaftlern des Institute for Ageing an der Newcastle University, dass selbst dann, wenn die Lebenserwartung weiter voranschreitet, damit auch die Belastungen nicht nur für die Sozial- und Gesundheitssysteme, sondern auch für den Einzelnen wachsen können. Das Ergebnis betrifft zwar nur Großbritannien, wird aber ähnlich auch für andere Länder aussehen.

Nach den Schätzungen wird sich die Zahl der Menschen im Alter von 85 Jahren und mehr, die auf eine Rundumpflege angewiesen sind, bis 2035 mehr als verdoppeln und auf 446.000 ansteigen. Und auch die Zahl der Über-65-Jährigen, die eine ganztägige Pflege benötigen, wird um eine Drittel auf über eine Million anwachsen.

Diese Zunahme an intensive Pflegefällen wird auch nicht dadurch kompensiert, dass ein Großteil der Über-65-Jährigen gesünder sein und nicht auf Pflege angewiesen sein wird. Bis 2035 sollen diese Altersgruppe sogar um 60 Prozent auf 8,9 Millionen anwachsen, 2015 waren es 5,5 Millionen. Nach Mutmaßung holen dabei vor allem die Männer auf, die länger gesund leben.

Aber es nimmt ja auch die Zahl der Alten zu, weswegen dennoch die derjenigen weiter steigt, die mehrere altersbedingte Krankheiten oder Behinderungen haben. Die große Geissel ist Demenz, wobei 80 Prozent der Dementen noch zwei oder mehr weitere Krankheiten haben. Mit den Zahlen von 2015 kam das britische Statistikbüro zu dem Ergebnis, dass ein 65-jähriger Mann 44 Prozent seines restlichen Lebens bis zum Tod weniger gesund sein wird, bei den Frauen sind es 57 Prozent. In 8 Prozent der britischen Haushalte wird jemand von den Angehörigen gepflegt, in der Regel von Frauen (59 Prozent). In Großbritannien wird die häusliche Pflege nicht finanziell unterstützt. Müsste die geleistete Pflege bezahlt bzw. die Menschen in Heimen betreut werden, würde dies jährlich 57 Milliarden Pfund kosten.

Pflege und Renteneintrittsalter

Die Autoren warnen jedenfalls davor, dass man bei der wachsenden Zahl an pflegebedürftigen Alten einen sinkenden Anteil der häusliche Pflege erwarten könne. Die gleichfalls älter werdenden Partner, die Pflege leisten, werden selbst stärker beeinträchtigt und auf Hilfe angewiesen sein. Würde man das Renteneintrittsalter hochsetzen, wie das in vielen Ländern geplant wird, dann würde man die Menge der Angehörigen, die Zuhause Pflege leisten (können) noch weiter vermindern, was zu höheren staatlichen Ausgaben bei der Versorgung führen würde. Unbeachtet blieb in der Studie, inwieweit Pflegeroboter den erhöhten Pflegebedarf bei fehlenden menschlichen Pflegekräften abdecken könnten. Das aber ist kaum anzunehmen, zumal völug unklar ist, welche Kosten dadurch entstehen.

Solche Zusammenhänge wie zwischen Pflege und Renteneintrittsalter würden zu wenig beachtet. Überhaupt sei bislang wenig darüber geforscht worden, wie verschiedene Stufen der Pflegebedürftigkeit älterer Menschen sich auf die Entwicklung der Pflege auswirken, weil die wissenschaftliche Modelle über wichtige sozialdemografische und Lebensstilfaktoren und über Bedingungen, die Pflegebedürftigkeit beeinflussen, auch aufgrund fehlende Daten kaumverlässliche Vorhersagen erlauben. Bislang seien auch die Folge wenig berücksichtigt worden, dass ältere Menschen zunehmend vier oder mehr Krankheiten (Multimorbidität) haben, was die Pflege entsprechend aufwendiger und komplizierter macht. In den nächsten 20 Jahren soll sich deren Zahl in Großbritannien mehr als verdoppeln.

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