Durch die Haut sehen, ohne zu zerstören

Quantenpunkte, auch Halbleiter-Nanokristalle genannt, versprechen in Echtzeit neue Einsichten über den Blutfluss und Organoberflächen

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Die Arbeitsgruppe von Watt W. Webb von der School of Applied and Engineering Physics an der Cornell Universität berichtet in Science über verkapselte CdSe-ZnS Nanokristalle, die alle bisherigen Quantums Dots an Leuchtkraft übertreffen. Noch nie zuvor sind Blutkapillaren und die Oberflächen von Fettzellen beim lebenden Tier durch die Haut hindurch so detailreich beobachtet worden.

Halbleiterkristalle, die in Nanometern gemessen werden, kamen in den 80er Jahren auf und wurden zunächst für opto-elektronische Aufgaben eingesetzt. "Es handelt sich sozusagen um Boxen, die Elektronen selektiv halten oder freigeben", beschreibt David J. K. Goldhaber-Gordon von der MITRE Nanosystems Group am Massachusetts Institute of Technology die chamäleonartige Matrix.

Anfänglich benutzten die Physiker ein elektrisches Feld, um die Elektronen zu bewegen. Später kam dann die überraschende Erkenntnis: Die paarweise angeordneten "electron-holes" werden von Fluoreszenzlicht angeregt und zeigen eine Charakteristik, die höchst unterschiedlich zu den gewöhnlichen Farbträgern ist. Obwohl die Halbleiterkristalle über einen breiten Wellenlängenbreich angeregt werden können, bleiben sie in ihrem Emissionsspektrum ungemein eng und symmetrisch. Die Matrix der Nanokristalle, wie Größe oder Struktur, bestimmt die Emissionswellenlänge. Im einfachsten Fall erzeugen drei unterschiedlich große Kristalle bei gleicher Anregung drei spezifische Wellenlängen. Wird dann noch die Oberfläche der Nanokristalle mit einem Schutzfilm beaufschlagt, entstehen nicht nur besonders stabile, sondern auch lichtintensivere Quantenpunkte.

Bildgebende Verfahren nehmen wie in der Medizin inzwischen auch in der Biologie breiten Raum ein. Nicht, weil man die Struktur des Gewebes nach Herkunft und Art bewertet, sondern als Schnappschuss, der einen momentanen Funktionszustand festhält. Der Nachweis des funktionellen Zusammenhangs und die Kunst, das unvermeidliche Ausbleichen zu minimieren, bedeuten einen enormen präparativen Aufwand, bevor überhaupt die eigentliche Fragestellung angegangen wird. Vor diesem Hintergrund sollte man meinen, dass die Biologen begierig nach den Quantenpunkte greifen.

"Das ist noch zu früh. Quantenpunkte sind wie Medikamente. Sie müssen wasserlöslich sein, ihr Verhalten an Eiweißkörpern muss analysiert werden, sie dürfen nicht toxisch sein, und müssen aus dem Körper gefahrlos eliminiert werden," erklärt Watt W. Webb.

Die Wasserlöslichkeit kann durch Silanisierung, Ankopplung hydrophiler Liganden oder, wie von Watt W. Webb realisiert, durch Verkapslung mit amphipathischen Polymeren erreicht werden. Deren biologisches Verhalten hinsichtlich der Eiweißbindung und Mizellenbildung ist allerdings noch nicht hinreichend ausgelotet. Zum Problem der Toxizität meint Watt W. Webb:

Obwohl Cadmium prinzipiell schädlich ist, fanden wir bei der Maus keine toxischen Effekte; möglicherweise wurden die Kristalle ausgeschieden, bevor die Schutzhülle zerfallen konnte. Zweifellos muss die Verträglichkeit durch weitere systematische Versuche geprüft werden.

Die amerikanischen Forscher benutzen ein Multiphotonen-Mikroskop und blicken durch die Haut hindurch, um in der Tiefe die kleinen Gefäßen und Kapillaren aufzuspüren und die Zelloberflächen des Fettgewebes zu betrachten. Die Informationsfülle ist überwältigend, weil durch unterschiedliche Kristalle verschiedene Strukturen simultan und mehrfarbig ins Blickfeld kommen. Auch kann der Blutfluss an den Undulationen der Kapillaren und der Bewegung im Gefäßbett berechnet werden. Im Vergleich zu herkömmlichen Farbträgern, etwa Fluoreszin Isothiozyanat, erreicht die neue Methode mehr als die doppelte Eindringtiefe und liefert eine bisher unvergleichliche Detailfülle.

Als Vision schwebt den Wissenschaftlern das Ankoppeln der Nanokristalle an Antikörper vor, damit deren Weg und das Andocken an Zellen von außen verfolgt werden kann.

Angesichts dieser überzeugenden Bilder wird die Entwicklung rasch fortschreiten. Wie die Maler mit der Farbpalette auf der Hand können die Biologen zukünftig die Quantenpunkte funktionsgerecht und nach der interessierenden Zusammenschau auswählen. Nicht weniger attraktiv ist die Vorstellung, dass die Untersuchungen am lebenden Objekt ausgewertet werden und nicht erst nach dessen Ableben.