"Durchsuchung bei Unverdächtigen"

Die Durchsuchung der Frankfurter Moschee mit 200 Polizisten basierte auf wenig verlässlichen Informationen und erbrachte bislang keinen Hinweis auf "Gewaltvideos"

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Am Sonntag hatte ein großes Polizeiaufgebot die Taqwa-Moschee im Gutleutviertel in Frankfurt/Main durchsucht. Objekt der Polizeiaktion war die eine von dem "Marokkanischen Verein zur Förderung des geistigen und kulturellen Gutes" betriebene Koranschule, die im Nebengebäuden des moslemischen Gotteshauses untergebracht ist. Nach Angaben der Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft Doris Möller-Scheu habe es keine Festnahmen gegeben. Allerdings wurden bei der Durchsuchung 19 Computer, schriftliche Unterlagen und zahlreiche Datenträger beschlagnahmt. Schüler seien mit gewaltverherrlichenden Videos indoktriniert worden, auf denen Prügelszenen und sogar eine Enthauptung zu sehen gewesen seien, lauteten die Beschuldigungen.

Die wurden am Tag danach allerdings schon erheblich relativiert. Kriegerische Gewaltszenen seien auf einem Video zu sehen gewesen. Davon habe eine Frankfurter Lehrerin von einer neunjährigen Schülerin erfahren, die diese Koranschule besucht. Die Lehrerin habe sich Notizen gemacht und dann die Staatsanwaltschaft informiert und damit die Razzia ins Rollen gebracht.

Der Trägerverein der Moschee bestreitet alle Vorwürfe und verlangt eine öffentliche Entschuldigung. Auf den beschlagnahmten Computern, Datenträgern und in den Büchern werde die Polizei keine gewaltverherrlichenden Inhalte finden, ist sich Ahmed Ayaou vom Trägerverein sicher. Es gäbe in den Räumen der Moschee auch keinen Videorecorder.

Frankfurter Politiker waren über die Razzia in der Moschee sehr erstaunt. Der CDU-Politiker Albrecht Magen nannte der Verein ein Vorbild für eine gelungene Integration. Er habe nach den Terroranschlägen von Madrid eine Friedensdemonstration organisiert. Magen warnte vor einer Vorverurteilung einer "aufgeregten Gesellschaft". "So lange es kein Urteil gibt, gilt die Unschuldsvermutung", erinnerte er an eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit.

Die Ermittlungsbehörden haben den Verdacht bisher nicht erhärten können. Die Razzia habe bislang zu keinen Ergebnisse geführt. Eine abschließende Klärung der Beschuldigungen werde wohl längere Zeit in Anspruch nehmen, denn zur Bearbeitung müssten arabische Übersetzer eingesetzt werden, erklärte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Möller-Scheu. Es könne nicht einmal von Beschuldigten gesprochen werden. Die Sprecherin der Anklagebehörde benutzte die juristische Definition der Durchsuchung bei Unverdächtigen.

Der Eindruck, der die Polizeiaktion in der Umgebung der Moschee gemacht hat, war allerdings trotzdem verheerend. Wem würden nicht gleich islamistische Umtriebe einfallen, wenn in diesen Tagen eine Moschee Ziel einer solchen Polizeiaktion ist? In Zeiten, in denen der Verfassungsschutz ständig vor den Gefahren aus den Moscheen warnt, ohne konkrete Beweise zu bringen und Politiker einer zentralen Islamistendatei das Wort reden, bleibt für Differenzierungen und Unschuldsvermutungen wenig Raum.