ETSI-Standard auch in Österreich

Überwachungsverordnung für Handys soll bereits in den nächsten Wochen in Kraft treten

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Nach monatelangem Tauziehen werden österreichische Mobilfunkbetreiber demnächst per Verordnung zur Implementierung der technischen Standards für Handyüberwachung verpflichtet. Telepolis-Recherchen ergaben, dass eine Festlegung auf ES 201 671 in der Version 2.1.1 fixiert wurde, die Überwachungsschnittstellen für alle digitalen Telefonnetze (PSTN, ISDN, GSM, GPRS) vorsieht. Auch das Belauschen von SMS und Emailverkehr soll möglich sein. Die für Betreiber anfallenden Investitionskosten in Millionenhöhe wollen diese nicht alleine berappen. Telekom-Netzbetreiber prüfen bereits rechtliche Schritte.

Die Verhandlungen zur umstrittenen österreichischen Telekommunikationsverordnung zogen sich über Monate hin.Zuletzt machte insbesondere das Innenministerium gehörig Druck und wollte das Kapitel endlich zum Abschluss bringen. Bereits in wenigen Wochen soll jetzt die im Einvernehmen der drei beteiligten Ministerien - Infrastruktur, Justiz, Inneres - überarbeitete Verordnung in Kraft treten. Da die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Strafprozessordnung und im Telekommunikationsgesetz festgelegt sind, bedarf es keiner parlamentarischen Absegnung des Papiers und ist derzeit der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich..

Telepolis-Recherchen ergaben, dass in Abstimmung mit den einschlägigen Gremien in Brüssel die österreichischen Mobilfunkbetreiber auf den ETSI-Standard 201 671 Version 2.11. verpflichtet werden sollen. Wie bereits Erich Möchel in der von c't und Telepolis veröffentlichten Serie ETSI-Dossiers festhielt, ermöglicht die Version 2.1.1. eine umfassende Überwachung. "Die vollständig erneuerte Version 2.1.1 des universellen Schnittstellen-Standards, der Polizei und Nachrichtendiensten Zugang zu allen digitalen Netzen verschaffen soll, ist als 'Final Draft" bereits in Umlauf. Als europäischer Standard festgeschrieben wird damit ab Ende August ein System von Überwachungs-Schnittstellen für alle digitalen Telefonnetze (PSTN, ISDN, GSM, GPRS)," so Möchel Ende August.

Auf der ETSI-Website finden sich zur Version 2.1.1 weitere aufschlussreiche Details. Als "Supporting Organizations" werden unter anderen die "British Telecom", Nokia und Ericsson genannt. Weiters heißt es, bei Version 2.1.1. handle es sich um eine "Revision of ES 201 671 to support IP-based and other new telecommunications technologies". Im Klartext wurden damit die technischen Voraussetzungen für die Überwachung des Internetverkehrs geschaffen. Recherchen des Österreichischen Rundfunks haben indes ergbeben, dass im Alpenland künftig auch SMS und Emails überwacht werden können. Außerdem müssten Mobilfunkbetreiber Daten beziehungsweise Logfiles liefern, die eine Handy-Ortung ermöglichen würden.

Der zuständige Beamte im Infrastrukturministerium, Werner Weidlinger, betont im Telepolisgespräch: "Jegliche Überwachung muss von einem Richter angeordnet werden. Was genau überwacht werden soll, obliegt dem Richter. Das Infrastrukturministerium war ausschließlich für den technischen Standard zuständig."

Die im Frühjahr bekannt gewordene erste Version der Überwachungsverordnung wurde von Datenschützern und Mobilfunkbetreibern ordentlich zerzaust. Strittige Punkte hätte man in der überarbeiteten Variante bereinigt, betont das Infrastrukturministerium. Insbesondere die unklare Formulierung zur Schnittstellenhoheit hatte Kritiker auf den Plan gerufen. Der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz, richtete gleich eine Anfrageserie in diesem Fall an die zuständigen Minister. "Inzwischen ist klargestellt, dass die Hoheit über die technischen Schnittstellen bei den Betreibern liegt", so Weidlinger über die Neufassung der Überwachungsverordnung.

Das begrüßen auch die Mobilfunkbetreiber. Diese verhielten sich in der Vergangenheit unterschiedlich zu den Behördenbegehrlichkeiten. Der Marktführer Mobilkom bestätigte diesen Sommer die Existenz einer integrierten Abhöranlage. Auch Connect - One soll bereits über entsprechendes Equipment verfügen.

Sehr sperrig gegenüber den Behördenwünschen zeigte sich bis dato der Marktzweite Maxmobil, eine Tochter der Deutschen Telekom. Das Unternehmen erteilte ausschließlich Auskünfte zu Rufdaten. "Wir verfügen bisher über keinerlei Abhörausstattung, wie es in der neuen Überwachungsverordnung gefordert wird. Den Zeithorizont für die Umsetzung der Verordnung sehen wir etwa bei sechs Monaten", berichtet Manuela Bruck von Maxmobil. Gegenüber Telepolis beziffert sie die voraussichtlich anfallenden Aufrüstungskosten auf 50 bis 70 Millionen Schilling. Auch wenn vereinzelt Unternehmen bereits Investionen getätigt haben, werden insgesamt enorme Kosten befürchtet (Handyfirmen entdecken den Kostenfaktor Überwachung). Betroffen sind davon zwischen 70 und 80 Telefoniebetreiber in Österreich.

"Die Kostenfrage ist aber nicht Gegenstand der Überwachungsverordnung", betont Werner Weidlinger vom Infrastrukturministerium. "Hier gibt es eigene Gesetzesgrundlagen, die die Finanzierung klar regeln. Laut Telekommunikationsgesetz sind die Betreiber verpflichtet, Einrichtungen bereitzustellen, die zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs erforderlich sind. Hier ist kein Kostenersatz vorgesehen. Bei der Durchführung allerdings gibt es Zuschüsse vom Staat", erklärt Weidlinger. Finanzielle Unterstützung gab es bisher also nur für jene Mitarbeiter, die Polizeianfragen betreuen.

Sobald die neue Verordnung, die aufgrund der Fixierung des technischen Standards den Paragrafen des Telekommunikationsgesetzes mit Leben füllt, auf dem Tisch liegt, will sich der Verband Alternativer Telekom-Netzbetreiber (VAT) an den Verfassungsgerichtshof wenden. Dies kündigte der Verbandsvorsitzende gegenüber den "Salzburger Nachrichten" an. Auch Maxmobil bestätigt gegenüber Telepolis, dass bereits rechtliche Möglichkeiten geprüft werden, um der Kostenfalle zu entkommen.

Wie auch immer ein Rechtsstreit ausgehen mag, die Rechnung zahlt letzlich der Bürger - ob als Konsument oder als Steuerzahler. Dabei fehlt es europaweit an seriöser Evaluierung der Überwachungsmethoden im Informationszeitalter.