EU-Deal: 50 Milliarden Euro für Ukraine sind ein Rettungsring – keine "blühenden Landschaften"

Zerstörte Industrie in der Ukraine. Bild: armyinform.com.ua

Lange wurde mit Orbán gerungen. Die EU-Hilfe wird nun als Stabilisierung der Ukraine gefeiert. Die Realität sieht anders aus. Eine Einschätzung.

Die Medien in Europa atmen erleichtert auf: Viktor Orbán hat endlich nachgegeben. Seit Dezember hatte er die Freigabe von 50 Milliarden Euro als EU-Hilfspaket für die Ukraine verhindert.

Eine gute Nachricht – gewissermaßen

Bei einem zweiten Sondergipfel kam es gestern zum Durchbruch – nach, wie berichtet wird, elf Stunden Druck von Orbáns EU-Amtskollegen, angeführt von Giorgia Meloni aus Italien, Emmanuel Macron aus Frankreich und natürlich Olaf Scholz aus Deutschland. Zuvor waren auch Wirtschaftssanktionen gegen Ungarn im Gespräch. Die Gelder können nun fließen.

Das ist sicherlich eine gute Nachricht, da Kiew das Geld ausging und mit dem EU-Paket sichergestellt werden soll, dass Krankenhäuser, Schulen sowie die Angestellten im öffentlichen Dienst ihre Löhne und Renten erhalten können.

Aber trotz des politischen Showdowns in Brüssel, der dramatischen Zuspitzung und der Erleichterung danach, des Auf-die-Schulter-Klopfens angesichts der "Einigkeit der EU" sollte man sich klarmachen, worüber dort eigentlich entschieden worden ist.

Meist keine Geschenke, sondern Kredite

Denn wenn deutsche Medien wie Tagesschau.de oder in Großbritannien The Guardian nun unkommentiert die Aussage des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj übernehmen, dass mit der Zusage die "langfristige wirtschaftliche und finanzielle Stabilität" der Ukraine gestärkt worden sei, ist das nur die halbe Wahrheit, wenn überhaupt.

50 Milliarden hört sich viel an, aber die Summe wird über vier Jahre gestreckt, also durchschnittlich pro Jahr gut zwölf Milliarden Euro.

Zweidrittel der Hilfen werden als Darlehen gegeben. Das heißt, die Ukraine muss sie irgendwann zurückzahlen. Sicherlich sind die Konditionen günstig, Reuters spricht von "billigen Krediten", es muss auch erst ab 2034, also in zehn Jahren, mit der Rückzahlung begonnen werden. Aber ein großer, überwiegender Teil der EU-Unterstützung ist keineswegs ein Geschenk und "for free".

Die Wirtschaftsindikatoren auf Talfahrt

Bei allem Tamtam um den "Durchbruch" sollten wir ehrlich bleiben: Die Gelder halten die Ukraine mehr oder weniger am Laufen, retten sie vor dem Bankrott bzw. der Zahlungsunfähigkeit in der absehbaren Zukunft. Mehr nicht. Die Wirtschaft wird nicht gestärkt, sondern vielleicht vor dem Kollaps bewahrt.

Das wissen die Entscheidungsträger in den EU-Mitgliedsländern und die Medien auch. In einem Papier des EU-Parlaments von Januar 2024, das die Hilfen für die Ukraine untersucht, werden zum Beispiel die verheerenden Folgen der russischen Invasion auf die ukrainische Wirtschaft zusammengefasst:

- 6,3 Millionen Flüchtlinge haben die Ukraine seit dem Überfall verlassen;

- Kontraktion der Wirtschaft allein im Jahr 2022 um fast 30 Prozent;

- die Arbeitslosigkeit ist auf 24,5 Prozent hochgeschossen;

- die Konsum-Inflation (Verbraucherpreisindex) erhöhte sich auf 20,2 Prozent (2022).

Und so weiter.

Nach Angaben des Finanzministeriums in Kiew ist es der größte Verlust an wirtschaftlicher Aktivität, den das Land seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1991 erlebt hat.

Zwei Rezessionen, ein Schock

Und dieser wirtschaftliche Zusammenbruch kommt nach zwei Rezessionsperioden in jüngerer Zeit. Der erste Abschwung ereignete sich im Zuge der Donbass-Krise 2014 bis 2015, die zweite Rezession folgte dann im Jahr 2020 während der Covid-19-Pandemie.

Danach schaffte es die Ukraine lediglich, sich durchschnittlich mit gerade mal drei Prozentpunkten Wachstum zu erholen.

Nach Angaben des Economic Observatory wird die Ukraine schätzungsweise 13 Jahre benötigen, bevor sich ihre Wirtschaft von dem Schock erholen kann, sollte die Wachstumsrate weiterhin bei drei Prozent liegen. Das bedeutet, dass das Land eine Rekordwachstumsrate von mindestens vier Prozent erreichen muss, um nicht um ein Jahrzehnt zurückgeworfen zu werden, so das Center for Strategic & International Studies.

Dafür müssten wiederum zahlreiche Herausforderungen bewältigt werden. Dazu zählt unter anderem die Emigration und der damit verbundene Mangel an Arbeitskräften.