EU-Dokumente: Blockaderecht statt mehr Transparenz

Europäisches Parlament verabschiedet Bericht zum Recht auf Zugang zu Information

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Europäische Parlament hat am 16. November in Straßburg den Bericht der Abgeordneten Michael Cashman (PSE) und Hanji Maij-Weggen (PPE) über den Dokumentenzugang verabschiedet. Die Grünen enthielten sich.

Die endgültige Abstimmung über die Gesetzesvorlage wurde auf Januar verschoben. Bis Mai 2001 müssen das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission den Zugang zu Dokumenten geregelt haben. Dies sieht der Amsterdamer Vertrag von 1997 vor.

Die Abgeordneten lehnten in ihrem Bericht den so genannten Solana-Beschluss ab. Er sieht vor, dass die Öffentlichkeit keinen Zugang zu geheimen Papieren im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik erhält. Davon sind auch Dokumente zu "nicht-militärischem Krisenmanagement" betroffen. Allerdings akzeptiert der jetzt beschlossene Parlamentsbericht, dass alle Dokumente über "militärische Angelegenheiten" Antragstellern nicht zugänglich gemacht werden müssen.

Bislang veröffentlicht nur der Rat ein Register von Dokumenten, die über das Internet erhältlich sind. Dabei werden zur Zeit ganze Dokumentkategorien ausgeschlossen. Dazu gehören nicht nur die Außenpolitik, militärische Angelegenheiten und nicht-militärisches Krisenmanagement laut dem Solana-Beschluss, sondern auch tausende von Dokumenten, die nicht einmal unter Geheimhaltung fallen.

Register mit Zwangslücken

Der Bericht des Parlaments sieht nun die Einrichtung von Registern bei allen EU-Institutionen vor. Die Register bleiben allerdings lückenhaft, da der Bericht auch viele Ausnahmen vorsieht. So muss beispielsweise nicht auf Dokumente hingewiesen werden, die Beamten als so genannter "Raum zum Nachdenken" dienen.

Auch bleiben der Öffentlichkeit alle Dokumente zu militärischen Angelegenheiten verborgen. Verschärfend kommt hinzu, dass nicht-europäische Regierungen und internationale Einrichtungen Einspruch darüber erheben können, wieviel Information an EU-Bürger weitergegeben werden darf, falls sie an der Erstellung der Papiere beteiligt waren.

Das Europäische Parlament folgte nicht dem Vorschlag der Kommission, Antragsteller, die regelmäßig Dokumente nachfragen zu behindern. Allerdings sieht der Bericht vor, dass die Autoren von Dokumenten aus EU-Einrichtungen, Polizei, Zoll und Einwanderungsbehörden bereits zum Zeitpunkt des Schreibens die Dokumente klassifizieren sollen.

Grüne und Bürgerrechtler enttäuscht

Für Statewatch-Herausgeber Tony Bunyan ist der Bericht des Europäischen Parlaments eine Enttäuschung, da er "den EU-Einrichtungen mehr neue Rechte als den Bürgern gibt und damit die Absichten des Amsterdamer-Vertrags umkehrt". Auch die Sprecherin der Grünen, Heidi Hautala, zeigte sich "schwer enttäuscht" über die "viel zu vielen Ausnahmeregelungen" und das Eingeständnis des Parlaments, auch vorbereitende Dokumente nicht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies sei allerdings "wichtig, um die öffentliche Teilnahme am politischen Entscheidungsprozess zu ermöglichen".

Die schwedische Abgeordnete Inger Schörling bezeichnete es als "gute Entscheidung" die abschließende Abstimmung über den Cashman-Bericht zu verschieben:

Wir müssen diese Zeit nutzen, um wirkliche Verbesserungen zu erreichen, so dass unter der schwedischen Präsidentschaft die EU-Einrichtungen Transparenz-Regeln finden, die den gerechtfertigten Erwartungen unserer Bürger auch entsprechen."

Perspektiven

Zur Zeit läuft eine Klage der Niederländer, der Schweden und der Finnen gegen den Solana-Beschluss vor dem Europäischen Gerichtshof (Link). Sie könnte durchaus Erfolg haben. In einer einschlägigen Klage hatte Schweden schon einmal Erfolg gegen den Rat:

In einem Urteil vom 17. Juni 1998 stellte das Gericht folgende Prinzipien für den Umgang von öffentlichen Dokumenten auf: Entsprechend dem bisher praktizierten Dokumentenzugang muss eine gesetzliche Regelung gefunden werden. Alle Einschränkungen müssen sehr eng interpretiert werden. Jedes Dokument darf angefragt werden. Ein Dokument, dessen Zugang verweigert wird, muss eine echte Gefährdung der entsprechenden Interessen darstellen.

Folgt man dem vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Prinzipien, dürfte auch der jetzt verabschiedete Parlamentsbericht letztlich anfechtbar sein. Die Ausnahme ganzer Dokumentkategorien wie der "militärischen Angelegenheiten" widerspricht deutlich dem Prinzip, wonach jedes Dokument angefragt werden darf. Dies erfordert dann aber auch komplette Register.

Nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten wird zur Zeit versucht den Zugang zu Dokumenten einzuschränken. So legten Sicherheitsbeamte dem Senat einen Vorschlag für ein Geheimhaltungsgesetz vor, das es zu einem Straftatbestand gemacht hätte, als "geheim" eingestufte Informationen an die Presse weiter zu geben. Präsident Bill Clinton beugte sich den Protesten von US-Bürgerrechtlern und Journalisten Anfang November und kündigte an, diesen Schritt nicht zu unterstützen.