EU-Flüchtlingsabwehr: In Libyen werden Flüchtlinge willkürlich ermordet, gefoltert und vergewaltigt

Zeichnung eines Flüchtlings aus Senegal, der in einem Aufnahmelager in Sizilien lebt. Bild: HRW

Ein Bericht von Human Rights Watch macht deutlich, was passiert, wenn Flüchtlinge auf dem Mittelmeer von der libyschen Küstenwache abgefangen und in Lager in Libyen eingesperrt werden

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Im Juni hatte die EU beschlossen, dass die EUNAVFOR MED Operation Sophia im Mittelmeer, die Schleuser bekämpfen und gegen Boote vorgehen kann, die von Schleusern benutzt werden, erweitert wird. Die Operation wurde bis Ende Juli 2017 verlängert, weil man befürchtet, dass nach der Blockierung der Balkanroute, mit der Ausbreitung des IS in Libyen und mit dem Sommer wieder mehr Flüchtlinge die Mittelmeerroute wählen könnten.

Im Rahmen von Sophia will man aber auch die libysche Küstenwache und Marine ausbilden, die anstelle Boote in internationalen Gewässern abfangen sollen, die verdächtigt werden, Waffen in die Region zu schicken. Damit soll das UN-Waffenembargo besser durchgesetzt werden. Im Juni hatte der UN-Sicherheitsrat eine von Frankreich und Großbritannien eingebrachte Resolution gebilligt, nach der Schiffe der Sophia-Operation Schiffe von Waffenschmugglern aufbringen und durchsuchen dürfen. Die libyschen Schiffe sollen aber auch Boote mit Flüchtlingen aufgreifen und zurück nach Libyen bringen. Die EU würde auch gerne die Nato mit dabei haben. Über deren Teilnahme an der Mittelmeeroperation wird auf dem Nato-Gipfel in Warschau entschieden. Bislang dürfen die Schiffe der EU-Operation nicht in libysches Küstengewässer einfahren.

Drei Schiffe der Sophia-Operation, in der Mitte die deutsche FGS Frankfurt, die den Einsatz gerade beendet hat. Bild: CSDP EEAS/public domain

Tatsächlich wächst die Zahl der Flüchtlinge aus Libyen und vermehrt auch aus Ägypten an (Frontex-Chef: Die Route übers Mittelmeer "wächst"), es wurden bereits Tausende gerettet. Am Dienstag hatten erst die deutschen Schiffe Werra und Datteln 500 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet. In diesem Jahr sind bereits mehr als 1000 Flüchtlinge ertrunken, alleine im Juni 383. In den ersten beiden Julitagen waren mehr als 700 Flüchtlinge gerettet worden. Insgesamt mehr als 63000 Flüchtlinge kamen 2016 über das Mittelmeer nach Italien, dabei sollen über 2400 ertrunken sein. Die Flüchtlinge werden in Lager auf Sizilien und Lampedusa, in Kalabrien und Apulien gebracht.

Die EU hatte mitgeholfen, den neuen Regierungschef Faiez al-Sarraj in Libyen im März zu installieren. Er soll eine von der UN unterstützte Einheitsregierung (GNA) in Tripoli herstellen, hat aber noch keine Rückendeckung vom Parlament und wird von General Hafta, dem starken Mann im Osten des Landes, nicht anerkannt. Erst letzte Woche sind vier Minister zurückgetreten, der Konflikt zwischen den beiden Regierungen im Osten und im Westen soll sich eher vertieft haben. Ironischerweise sollen britische und französische Soldaten von Bengasi aus operieren und General Haftar unterstützen. In dem von Frankreich seit Februar betriebenen Stützpunkt sollen auch Teams aus Italien, den Vereinten Arabischen Emiraten und Jordanien vertreten sein. Von hier aus sollen auch Drohnenflüge stattfinden.

Im Augenblick versuchen Einheiten und Milizen das vom IS gehaltene Sirte zu erobern und ganz unter Kontrolle zu bekommen, was nahezu gelungen scheint, nachdem bereits ein Küstenstreifen bei Sirte vom IS befreit wurde. Die Existenz der GNA in dem failed state macht es trotz der fehlenden Macht möglich, völkerrechtliche Abkommen mit der Regierung zu schließen. Dabei ist schon unklar, wer die libysche Küstenwache und Marine kontrolliert bzw. welche Verbände ihre zugeordnet sind.

Die EU will mit allen Mitteln versuchen, Flüchtlinge aus Afrika von Europa fernzuhalten. Nach einem Papier, das dem EU-Observer vorliegt, sollen die Mitgliedsländer "alle möglichen Mittel" zu diesem Ziel anwenden. Die Rede ist von Entwicklungshilfe, Handelsbeziehungen, überhaupt Geld, von einem Investitionsfonds in Höhe von 3,1 Milliarden Euro und davon, Flüchtlinge "auch dann zurückzuschicken, wenn es kein Abkommen gibt". Nach einem am Montag bekannt gewordenen Vorschlag der EU-Kommission sollen auch Armeen direkt finanziell und mit Technik unterstützt werden, die bei der Flüchtlingsabwehr beispielsweise mit Grenzkontrollen helfen.