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EU-Offensive für Munition: Ein Segen für die Rüstungsindustrie

Bild: dvidshub.net / Public Domain

EU-Munition für Ukraine soll aus Mitgliedstaaten kommen. Das könnte strauchelnde Rüstungsunternehmen retten. Warum insbesondere die griechische Waffenindustrie wiederbelebt wird.

Die Europäische Union hat sich jüngst auf eine gemeinsame Munitionsbeschaffung geeinigt [1]. Die intensivierte Beschaffung von Munition dient der Unterstützung der Ukraine, aber auch dem Auffüllen der eigenen Bestände.

Bereits jetzt haben große Waffenhersteller, wie Rheinmetall, vom Krieg in der Ukraine profitiert. Rheinmetall verzeichnete 2022 Rekordgewinne und erwartet 2023 eine Fortsetzung der Umsatzsteigerung [2].

Abseits von den großen Rüstungsunternehmen bedeuten Krieg in der Ukraine und der jüngste EU-Beschluss auch für kleinere Unternehmen in den übrigen EU-Staaten die Chance, auf eine wirtschaftliche Erholung zu hoffen.

Der EU-Beschluss sieht eindeutig vor, dass die gemeinsam beschaffte Munition vorzugsweise aus einem der EU-Mitgliedsstaaten stammen soll und Importe aus Drittländern nur dann vorgesehen sind, wenn es nicht genügend EU-eigene Produktionskapazitäten gibt. Die EU fördert die Industrie mit 500 Millionen Euro Zuschüssen [3].

Vorgesehen ist zudem ein Fonds in Höhe von einer Milliarde Euro als Entschädigung für Munition, die aus den Beständen der Armeen der Mitgliedsstaaten entnommen wird. Ein zweiter Fonds in Höhe von einer Milliarde Euro dient der Kofinanzierung gemeinsamer Einkäufe von 155-mm-Granaten für die Ukraine. Bestellungen werden im September an in der EU und Norwegen produzierende Industrien vergeben.

Der EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen Thierry Breton hatte im Vorfeld des Beschlusses im Rahmen einer informellen Reise durch insgesamt elf EU-Länder auch Griechenland besucht, um die Möglichkeiten der Nutzung bestehender Anlagen der Verteidigungsindustrie zur Steigerung der Munitionsproduktion zu prüfen und zu bewerten. Eines der Unternehmen, die vom Beschluss profitieren, sind die Hellenic Defense Systems [4].

Defizitäre Unternehmen werden gerettet

Die Firma, in Griechenland unter dem Kürzel EAS bekannt, stellt unter anderem die aktuell sehr gefragte 155-mm-Granaten mit Nato-Zertifizierung her. Fünfzehn Unternehmen in elf Mitgliedstaaten produzieren Munition dieser Art.

Das EAS-Werk in Lavrio, Attika, produziert mittel- und großkalibriger Munition, Bomben, Panzerabwehr- und Raketensprengköpfe, Trägerraketen und Panzerabwehrraketen. Es wurde von der Nato als Missile Assembly Disassembly Facility (MADF) zertifiziert und ist eines der wenigen weltweit, das über diese Zertifizierung verfügt.

In der griechischen Presse ist von einer Wiederbelebung der EAS die Rede. Im Rahmen der von der Kreditgebertroika nach der Staatspleite 2010 auferlegten Maßnahmen, wurde die EAS zerschlagen. Als Kerngeschäft erhalten blieb lediglich die Versorgung des griechischen Militärs [5].

Von der EAS abgespaltet wurde ein weiteres Rüstungsunternehmen, die ELVO [6], die erst 2004 zusammen mit der Pyrkal zur EAS verschmolz. Bis zur Staatspleite exportierte die EAS Munition und Waffensysteme ins Ausland.

Erst durch Intervention der damaligen Vize-Verteidigungsministerin Fofi Gennimata wurde die von den Kreditgebern ursprünglich verlangte endgültige Schließung von EAS und ELVO abgewendet. Gennimata wurde 2015 bis zu ihrem frühen Tod im Alter von 57 Jahren am 25. Oktober 2021 Vorsitzende der Pasok.

Ein Grund, weshalb der EU-Beschluss auch im aktuellen Wahlkampf der Pasok thematisiert wird. Denn nun versucht die Nea Dimokratia den Erfolg für sich zu verbuchen.

Einem Bericht der liberalkonservativen Zeitung Kathimerini zufolge, wird die EAS aus dem 500 Millionen Euro Zuschuss-Paket 60 bis 80 Millionen Euro erhalten. Bezeichnend ist, dass der Umsatz der EAS im Jahr 2021, dem letzten Jahr, für das Zahlen veröffentlicht wurden, auf dem Niveau von sechs Millionen Euro lag.

Das Bilanzergebnis nach Steuern wies Verluste von 85 Millionen aus. Im Vorjahr 2020 lag der Umsatz zwar mit 16,4 Millionen Euro höher, aber erwirtschaftet wurde ein Verlust in Höhe von 129 Millionen Euro. Das verdeutlicht, wie sehr der EAS der EU-Beschluss zu Hilfe kommt.

Schrottmunition aus Militärbeständen wird aufbereitet

Zu den Nutznießern des gestiegenen Bedarfs an Munition zählt auch das griechische Verteidigungsministerium. 300.000 105-mm-M1-HE-Artilleriegeschosse verrotteten in den Lagern des griechischen Militärs.

Eigentlich muss die Munition auf Kosten des Militärhaushaltes entschärft und verschrottet werden. 2016 hatte der damalige Verteidigungsminister Panos Kammenos erfolglos versucht, die überflüssige Munition für 66 Millionen Euro an Saudi-Arabien zu verkaufen. Der geplatzte Deal brachte die griechischen Strafermittler auf den Plan, weil Kammenos auch private Vermittler eingeschaltet hatte.

Sieben Jahre später bringt der Export der Munition dem griechischen Militär 69 Millionen Euro. Sie geht an eine Firma in Tschechien und wird dort für eine weitere Verwendung durch die Streitkräfte der Ukraine wieder aufbereitet.


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https://www.heise.de/-9061132

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/eu-einigt-sich-auf-gemeinsame-munitionsbeschaffung-fuer-ukraine/
[2] https://www.wiwo.de/unternehmen/industrie/ruestungsindustrie-ruestungskonzern-rheinmetall-macht-2022-rekordgewinn-und-rechnet-mit-weiterem-wachstum/29041060.html
[3] https://www.deutschlandfunk.de/munitions-plaene-der-eu-kommission-dlf-4b6003ab-100.html
[4] https://www.eas.gr/en/
[5] https://thepressproject.gr/komision-os-tin-paraskeui-i-apantisi-gia-tin-es/#sthash.jdnmuTUS.dpuf
[6] https://elvo.gr/el/