Edathy: Staatsanwaltschaft agiert "ungeheuerlich"

Viele Fragen im Fall Edathy sind noch offen - der Ex-Abgeordnete will keine Hinweise aus der SPD erhalten haben

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In der CSU ist man sauer auf die SPD, weil ein CSU-Minister zurücktreten musste, der der SPD - und auch der Koalitionsregierung - einen Gefallen getan hatte. Uneinigkeit gibt es unter anderem zwischen Friedrich und SPD-Fraktionschef Oppermann. Dabei geht es darum, ob dessen Erklärung stimmt, der damalige Innenminister habe vor strafrechtlichen Ermittlungen gewarnt. Der bayerische Ministerpräsident wirft der SPD "Geschwätzigkeit" vor und kündigte Konflikte in der weiteren Zusammenarbeit an. Noch an diesem Wochenende müsse die SPD alles aufklären, forderte er.

Nach dem Rücktritt von Friedrich richten sich die Blicke auf SPD, vor allem auf Gabriel, Steinmeier und Oppermann. Klar dürfte sein, dass innerhalb der SPD während der Koalitionsverhandlungen der ansonsten für einen Posten vorgesehene Edathy außen vor blieb und gemieden wurde. Dass da etwas im Busche ist, dürfte zumindest die Führungsspitze der SPD gewusst haben, wahrscheinlich aber auch der Koalitionspartner.

Dort scheint man sich zumindest gewundert zu haben, dass der damals schon angebliche kränkliche Politiker keine Rolle spielte, obgleich er im NSU-Untersuchungsausschuss den Polizeibehörden und dem Verfassungsschutz unangenehm wurde. Ist er deshalb abgeschossen worden (Hans-Peter Friedrichs "bestes Wissen")?

Muss man annehmen, dass Geheimdienste oder Polizeibehörden auch Informationen über Politiker besitzen, die bei Bedarf ausgespielt werden können? Schließlich haben wohl neben dem BKA auch alle LKAs von dem Verdacht Bescheid gewusst und damit vielleicht auch die Innenminister.

Welche Informationen Friedrich überhaupt weitergegeben hatte und welche dann wer in der SPD in Umlauf gebracht hat, ist noch völlig unklar. Das dürfte nicht nur den Koalitionsfrieden nachhaltig stören, sondern könnte zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Strafvereitlung nicht nur gegen Friedrich, sondern auch gegen SPD-Minister führen.

Nicht nur aus den Reihen der CSU wurde gefordert, dass die SPD-Politiker eidesstattliche Erklärungen abgeben sollten, wen sie über den Fall Edathy informiert haben, auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet verlangt dies.

Seltsam bleibt vor allem, dass Edathy, der bereits seit Januar krank geschrieben war, einen Tag nach dem Versand des Briefs der Staatsanwaltschaft Hannover an Bundestagspräsident Norbert Lammert, in dem dieser über die Ermittlungen informiert wurde, sein Mandat angeblich krankheitsbedingt niederlegte - und sich offenbar schon im Ausland aufhielt. Obgleich Edathy nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keine verbotene Kinderpornografie erworben hatte, wurde daraufhin seine Wohnung durchsucht. Der Brief kam erst sechs Tage nach seinem Versand an. Ungeklärt ist, warum dies so lange gedauert hat, aber auch, warum er überhaupt in den normalen Postversand gegeben worden war. Die Vermutung besteht, dass Edathy, gegen den weiterhin strafrechtlich nichts vorliegt, gewarnt wurde.

Das unter anderem von Hans-Peter Uhl behauptete Gerücht, Edathy hätte Festplatten zerstört oder Dateien gelöscht, wurde von der Staatsanwaltschaft bislang nicht bestätigt. Auch sie steht in der Kritik, ob aufgrund des ihr vorliegenden Materials tatsächlich ein begründeter Anfangsverdacht bestand, dass Edathy im Besitz von Kinderpornografie war.

Die Staatsanwaltschaft vermutete, dass dies sein könnte, wenn er schon die Filme und Bilder von nackten Jugendlichen hatte. Dass sich Edathy absetzte, ist verständlich. Auch wenn er nur die strafrechtlich nicht zu beanstandenden Filme und Bilder gekauft hatte, wurde er durch die Ermittlungen und die Durchsuchung politisch und persönlich nachhaltig beschädigt. Seltsam ist auch, dass die Staatsanwaltschaft behauptet, das Büro von Edathy in Berlin sei durchsucht und versiegelt worden. Der Bundestag streitet dies jedoch ab.

Nun hat sich auch Edathy selbst in einem Interview mit dem Spiegel zu Wort gemeldet. Angeblich hatte er aus der SPD keine Hinweise erhalten, sondern auf Medienberichte reagiert: "Mitte November 2013 gab es in der deutschen Medienlandschaft Berichte, wonach eine Firma in Kanada von dortigen Behörden der Verbreitung illegalen Materials bezichtigt werde. Da mir erinnerlich war, bei einer kanadischen Firma, um die es mutmaßlich ging, vor etlichen Jahren Material bezogen zu haben, das ich für eindeutig legal halte, habe ich einen Anwalt um Beratung gebeten." Die SPD-Spitze wusste bereits im Oktober Bescheid.

Da mag man sich natürlich fragen, warum er einen Anwalt herangezogen hat, der dann beim BKA und Staatsanwaltschaften um Auskunft gebeten hatte, wenn er sicher war, dass alles legal war. Andererseits ist klar, dass ein Politiker, wenn er nur in den Geruch kommt, mit Kinderpornografie zu tun zu haben, erledigt ist. Er wollte nur Kooperation anbieten, so Edathy, gleichzeitig habe er aber auch unter "Erschöpfungssymptomen" gelitten. Ob die etwas mit seiner Funktion im NSU-Untersuchungsausschuss und dem Stochern im Sumpf der Sicherheitsbehörden zu tun haben, ob auf ihn also deswegen Druck seitens der Behörden oder der Parteiführungen ausübt wurde, bleibt im Dunklen.

Edathy weist jedenfalls das Gerücht zurück, er habe womöglich Beweismaterial zerstört. Und er kritisiert die Staatsanwaltschaft, deren Agieren er als "ungeheuerlich" bezeichnet: "Sie wirft mir ausdrücklich kein strafbares Verhalten vor, was sie aber nicht davon abhält, Details eines legalen Verhaltens zum Gegenstand einer Pressekonferenz zu machen."

Es ist ein Sumpf. Man könnte nach einem Untersuchungsausschuss rufen. Aber bei der Übermacht der Großen Koalition wird dabei wenig herauskommen, wenn sich die Koalitionäre nicht gegenseitig demolieren. Und es sind nicht nur die Politiker, sondern auch die Staatsanwaltschaften und das Rechtsystem beschädigt.