Ein Findelkind im All

Der Jupitermond Amalthea ist ein poröser Eisklumpen

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Der Jupitermond Amalthea entstand nach neuen Analysen nicht in der Nähe seiner heutigen Position, sondern er wurde vom größten Planeten unseres Sonnensystems eingefangen. Er besteht hauptsächlich aus Wassereis, das Felsbrocken umschließt. Seine Dichte ist insgesamt geringer als die flüssigen Wassers. Damit ist er den Asteroiden oder Kometen ähnlich, die Überreste aus der Entstehungszeit der Planeten darstellen.

Galileo Galilei entdeckte die vier größten Jupitermonde Io (Jupiter strahlt), Europa (Extraterrestrisches Leben im Sonnensystem immer wahrscheinlicher), Ganymed (Salzmeer auf Ganymed?) und Callisto (Hinweis auf die Möglichkeit von außerirdischem Leben?) Anfang des 17. Jahrhunderts. Danach dauerte es fast 300 Jahre, bis der amerikanische Astronom Edmund Emerson Barnard durch das Lick Observatory 1892 den fünften natürlichen Satelliten Amalthea erspähte. Danach wurde nie wieder ein Planetenmond durch direkte visuelle Beobachtung von der Erde aus entdeckt, alle weiteren zeigten sich auf astronomischen Fotografien.

Vergleich zwischen dem großen Jupitermond Io und seiner kleinen Schwester Amalthea, (Bilder: Galileo/NASA)

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Science veröffentlicht ein amerikanisch-österreichisches Team von Forschern um John D. Anderson vom Jet Propulsion Laboratory der NASA seine Berechnungen über die Dichte von Amalthea.

Der Mond ist unregelmäßig geformt und erinnert durch seine verbeulte Oberfläche und seine Ausdehnungen von 270 mal 170 mal 150 km an eine riesige Kartoffel. Er umkreist Jupiter einmal in zwölf Stunden in einer Distanz von 110.000 km. Amalthea ist einem ständigen Bombardement von Meteoriten ausgesetzt, die von Jupiters enormer Schwerkraft angezogen werden. Der größte Krater auf dem winzigen Mond, Pan, hat einen Durchmesser von 100 km und eine Tiefe von mindestens acht Kilometern, ein anderer namens Gaea misst 80 km im Durchmesser und ist doppelt so tief. Zwei Berge, der Mons Lyctas und der Mons Ida, erheben sich bis zu zwanzig Kilometern in die Höhe. Amalthea erscheint auf Aufnahmen sehr rot, was wahrscheinlich auf Schwefelstaub zurückzuführen ist, der vom vulkanisch aktiven Nachbarmond stammt. Dieser Jupitermond ist das rötlichste Objekt in unserem Sonnensystem.

Aufnahmen von Amalthea lieferten die Voyager-Missionen 1979 (Voyager Images of Amalthea) und die NASA-Raumsonde Galileo 1995, 1997 und 2002. Die Forschergruppe um Anderson analysierte jetzt die Voyager- und Galileo-Daten und kam zu dem Schluss, dass der Jupitermond hauptsächlich aus gefrorenem Wasser besteht und sehr porös sein muss.

Voyager 1-Aufnahme von Amalthea (Bild: NASA)

Diese Erkenntnis musste mithilfe aufwändiger Berechnungen gewonnen werden, da die Distanzmessung zwischen Erde und der Raumsonde Galileo während der Mission nicht so genau ausfiel wie angestrebt. Co-Autorin Gudrun Weinwurm erklärt: "Während des Vorbeifluges an Amalthea konnten die geplanten 2-Weg-Dopplerdaten von Galileo nicht auf der Erde empfangen werden, zur Auswertung standen nur weniger präzise 1-Weg-Dopplerdaten zur Verfügung". In ihrer Dissertation an der TU Wien (Amalthea's Gravity Field and its Impact on a Spacecraft Trajectory) verwendete sie viele mathematische Modelle, um möglichst genaue Informationen über die Masse, das Aussehen, die Beschaffenheit der Oberfläche und die mittlere Dichte von Amalthea zu errechnen. Zusammen mit den anderen Wissenschaftlern führte sie dann am Jet Propulsion Laboratory, wo sie ein Jahr lang als Gast arbeitete, eine Analyse der von Galileo erhobenen Doppler-Daten und anderer Aufnahmen durch. Die Schwerkraft des Mondes beeinflusste die Sonde bzw. ihre Geschwindigkeit, und dieser Einfluss wurde durch die Verteilung des Gesteins, also die Dichte des natürlichen Satelliten bestimmt. Die Analyse der Radiosignale gibt entsprechend Aufschluss über die Zusammensetzung und die Struktur von Amalthea.

Die errechnete mittlere Dichte von Amalthea beträgt ungefähr 860 kg pro Kubikmeter, das ist weniger als die Dichte von Wasser – der Jupitermond würde schwimmen. Er ist stark zerklüftet, sein Inneres besteht wahrscheinlich aus einer Mischung von Gestein, Eis und Hohlräumen. Eine Menge Geröll wird von Wassereis zusammengehalten, Amalthea ist ein löchriges Gebilde.

Illustration der Raumsonde Galileo beim Vorbeiflug an Amalthea (Bild: Michael Carroll/NASA)

Durch die neuen Erkenntnisse wird deutlich, dass der kleine Jupitermond nicht zusammen mit seinem Planeten entstanden ist. Vieles spricht dafür, dass er in einem anderen Teil des Sonnensystems geboren wurde und die enorme Schwerkraft Jupiters ihn später einfing und in seine Bahn zwang. Ähnliches ist auch dem Saturnmond Phoebe widerfahren, wie kürzlich berichtet wurde (Der Findling in der Saturnbahn).

Gudrun Weinwurm kommt zu dem Fazit: "Obwohl Amalthea nur ein Puzzlestein im Jupiter-System ist, war es spannend zu beweisen, dass Amalthea viel poröser ist als ursprünglich angenommen. Seine sehr geringe mittlere Dichte hat bei vielen Wissenschaftern Staunen und ein 'Aha' ausgelöst."