Ein Hexensabbat von Hollywoods Bewusstseinsindustrie

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Millionen-Dollar-Code: Das Gebräu schmeckt süßlich, aber verursacht Kopfschmerzen: Ron Howards "Iluminati"

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So was kommt von sowas: Da lässt sich der Trivialschriftsteller von ultrarechten Quellen zu Weltbestsellern inspirieren, da macht Hollywood aus einem von ihnen einen Film, den selbst wohlwollende Fans des Buches fürchterlich finden, doch gerade darum (oder trotzdem?) wird der Film ein Kassenknüller, der aus ökonomischen Gründen nach einer Fortsetzung schreit. Das Ergebnis ist "Illuminati", der Tom Hanks als neuen Indiana Jones etabliert, die Kritik des Vatikans für seine eigene Marketingmaschine instrumentalisiert und nun von konservativen Kreisen als kryptofaschistisch bezeichnet wird. Nicht ganz zu Unrecht - wenn auch die größte Beleidigung des guten Geschmacks immer noch im Anblick von Armin Mueller-Stahl im Kardinalskostüm und in der Dauerpräsenz von Tom Hanks liegt.

Religion ist ja auch so eine Art Teilchenbeschleuniger, insofern passt es ganz gut, wenn in diesem Film so unterschiedliche Dinge wie der Vatikan und die Kernphysik eine, wenn auch ziemlich unheilige, Allianz eingehen. Um eine Art spirituelle Kernschmelze geht es tatsächlich, mehr als um Engel und Dämonen, nämlich um das seltsame und unglaubwürdige Bündnis zweier widersprüchlicher Elemente, von Wissenschaft und Religion.

Hinter dem Sichtbaren, wer wüsste das nicht, west das Unsichtbare, so wie hinter einem Blockbuster das Gewinnstreben der Manager in einem kalifornischen Filmstudio, und die verborgene Hinterwelt der Erscheinung, vor der nicht erst Friedrich Nietzsche warnte, ist das Lebensthema von Dan Brown. "Illuminati", das ist der deutsche Titel von Browns Mystik-Trivialthriller "Angels and Demons". Wie bereits in "The Da VinciCode" werden auch hier Fakten ziemlich dreist mit Erfindungen gemischt, und es ist zu befürchten, dass manche Leser nach der Lektüre wirklich glauben, Galilei wäre ein Illuminate, also ein Anhänger des legendenumwobenen süddeutschen Aufklärer-Geheimbundes gewesen - obwohl der Orden erst mehr als 100 Jahre nach dessen Tod gegründet wurde.

In "Illuminati" geht es erster Linie um die Beziehung zwischen Wissenschaft und Religion. Brown und der Film feilen kräftig am Mythos, beide könnten und sollten miteinander in Frieden existieren - das ist von Robert Spaemann bis zu den Kreationisten immer schon die Ausrede katholischer Fundamentalisten, um den Glauben auf, und die Wissenschaft abzuwerten.

Hiob statt Prometheus, der lahme Symbologe ersetzt den rasenden Archäologen

Nicht nur die Nilpferd-Peitsche ist verschwunden, auch die Furchen aus dem Gesicht, das ironische Lächeln, stattdessen umweht ein Hauch tragischer Schicksalsergebenheit den Jäger dieses verlorenen Schatzes. Aus dem modernen Prometheus, der noch mit den Göttern kämpfte, ist ein Hiob geworden, der passiv erträgt, was ein zürnender Rachegott - oder doch der Satan? - ihm aufbürdet.

Trotzdem, sind sie nahe Verwandte und im Herzen geradezu identische Klons der Filmindustrie: Indiana Jones rasender Archäologe und Multisprachentalent, der mit Röntgenblick Inschriften in verstaubten Ruinenquadern entziffert, und Robert Langdon, der lahme Kunsthistoriker, Symbologe, Religionsexperte und aufgeklärte Gläubige, der Held dieses Film.

Tom Hanks heißt der neue Indiana Jones - das ist die eigentliche Nachricht dieses Films. Nach dem qualitativen Riesenflop, verbunden mit finanziellem Reibach, den 2006 Ron Howards "The Da Vinci Code" brachte, hat der Fleischwolf Hollywood nun den zweiten Dan-Brown-Bestseller verwurstet, und es könnte gut sein, dass Tom Hanks, auch in die Jahre gekommen, nun in Serie geht und Harrison Fords Nachfolge als familiengerechter Actionheld auf Mythenschnitzeljagd antritt.

Papsttreuer Kitsch

Das Rezept der Verfilmung ist auch recht exakt das Gleiche wie in "The Da Vinci Code": Im Hause des Herren ist Platz für viele Seelen, also nehme man einen Weltbestseller, ein paar global bekannte Kulturschätze (seinerzeit die "Mona Lisa", jetzt der Vatikan) und aus dem großen Schatzkästlein der Religion ein paar skurrile bis abstoßende Elemente - katholische Fundamentalisten, wo gibt's denn sowas? -, verrühre es mit viel Paranoia-Gewürz und nicht zu wenig mystischem Hokuspokus. Das Gebräu schmeckt süßlich, aber verursacht Kopfschmerzen - auch "Illuminati" ist ein Hexensabbat von Hollywoods Bewusstseinsindustrie.

Immerhin: Der Papst ist tot! Mal wieder. Die Schurken sind hier weniger die "Illuminaten" des Titels als katholische Fanatiker, und es gehört zu den ironischen Momenten des Films, dass hier die Kirche gegen ihre eigenen ungehörigen Kinder gerettet werden muss. Überhaupt ist der Film viel papsttreuer als das Buch und inhaltlich an allen interessanten Stellen entschärft: Immer noch ist ein Auftragsmörder und Kardinalskidnapper unterwegs, wurde Antimaterie aus dem Schweizer CERN-Forschungslabor in den Vatikan geschafft und droht, diesen zu vernichten.

Aber nicht alle vier entführten Kardinäle sterben hier, der frühere Papst hat keinen Sohn und Langdon darf mit der hübschen Archäologin an seiner Seite nichts anfangen… Alles enttäuschend also, auch vorhersehbar.

Die Illuminaten - ein ultrarechter Mythos

Als ob das nicht genug wäre hat die ehrwürdige "Neue Zürcher Zeitung" dem Film jetzt auch noch vorgeworfen, rechtsextremistisches Gedankengut zu verbreiten. In der NZZ vom 10. Mai 2009 heißt es, mit dem Film sorge Hollywood "dafür, dass sich rechtsradikale Verschwörungstheorien verbreiten." Der Autor weist zum Beleg zum einen darauf hin, dass das im Film propagierte Bild eines Illuminaten-Geheimbunds, die insgeheim nach der Weltherrschaft streben, vor allem in ultrarechten und antisemitischen Kreisen verbreitet ist. "So behauptet der deutsche Autor Jan Udo Holey, die Illuminaten würden von jüdischen Banken finanziert, um eine diktatorische neue Weltordnung zu errichten, und der US-Fernsehprediger Pat Robertson macht die 'dunkle Bruderschaft' für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich."

Schwerer wiegt das zweite Argument, dass sich Dan Brown selbst in seinem Roman ausgiebig aus den Websites und Schriften ultrarechter Verschwörungstheoretiker bedient habe: "So stammen etwa Browns Theorien über die symbolische Bedeutung bestimmter Gebäude oder Straßen von der Website des Engländers David Icke, für den die Illuminaten eine Kreuzung von Menschen und Reptiliengöttern aus dem Weltall sind. … Und auch Browns Behauptung, die Illuminaten würden überall verschlüsselte Hinweise auf ihre geheime Macht hinterlassen (so etwa das alles überblickende Auge auf der Ein-Dollar-Note), stammt von Websites paranoider Rechtsradikaler.

Zum Beispiel der des Amerikaners Alex Jones, für den die Terroranschläge vom 11. September 2001 von Illuminaten in der US-Regierung verübt wurden." Mit dem Hinweis auf "bloße Unterhaltung" lassen sich solche Vorwürfe keineswegs abtun, arbeitet doch Dan Brown selbst an der Aufwertung seiner Romane über "bloße Unterhaltung" hinaus kräftig mit: Brown hebt im Vorwort seines Bestsellers ausdrücklich hervor, dass die Illuminaten-Bruderschaft tatsächlich existiert. "Und wer die Internetforen besucht, in denen sich Browns begeisterte Leser austauschen", so die NZZ weiter, "stellt fest: Unzählige von ihnen glauben felsenfest daran, dass die Illuminaten tatsächlich dabei sind, eine neue Weltordnung zu planen."

Ein paar Folter- und Gemetzelszenen, wie die Katholiken halt so sind

Aber was für erschreckend banale und alberne Bilder der Film findet. Man muss sich nur einmal die Filmstills von Thomas Mann, äh: Armin Mueller-Stahl im Kardinalskostüm angucken - haha! Fehlte noch, dass er fragt: "Brooklyn, where is Brooklyn?" Gerade noch ein zwielichtiger Stasi-Oberst, jetzt der Erwählte. Oder Erzbiedermann Tom Hanks, dem jede Abgründigkeit, jeder ironische Bruch abgeht.

Ansonsten hat die Bildsprache ein Niveau das von jeder Oberammergauer Passionsinszenierung an Doppelbödigkeit und Subtilität übertroffen wird. Ruß, Asche, Scheiterhaufen, ein paar Folter- und Gemetzelszenen, wie die Katholiken halt so sind, Blitz und Donner am Ende, dazwischen etwas religiöser Hokuspokus, Hosianna, Jehova und Ave Maria. Das alles hat das Kino von Carl Theodor Dreyer ("Die Passion der Jeanne d'Arc") bis Mario Bava ("Die Stunde, wenn Dracula kommt") schon so viel besser gekonnt. Dieser Film ist ein wahrhaft teuflischer Plan. Ein Angriff Satans auf unsere Geschmacksnerven. Denn der Teufel sitzt schon längst in Hollywood. Vielleicht ist er evangelisch? Der Rest ist Schweigen.