Ein Konflikt mit Ansage

Bei einem schnellen Ende des Konflikts zwischen Russland und Georgien könnte sich Deutschland als Vermittler profilieren

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Die Eskalation im Kaukasus zwischen Russland und Georgien mag für viele überraschend gekommen sein. Für Beobachter der politischen Verhältnisse zeichnete sich allerdings schon länger ab, dass sich die Kaukasusregion zu einer der zentralen Krisenregionen entwickeln könnte (Kalter Krieg auf postsowjetisch). Dabei überlagern sich ungelöste Nationalitätenkonflikte, wie aktuell der Status von Südossetien, mit dem Kampf um Rohstoffe und Bodenschätze. Diese Gemengelage erst hebt die Auseinandersetzungen auf eine internationale Ebene. Sie erklärt auch, warum Russland unverzüglich auf Seiten Südossetiens in die Auseinandersetzung eingegriffen und den Konflikt darüber hinaus auf georgisches Gebiet getragen hat.

Hier spielen einerseits militärstrategische Überlegungen eine große Rolle. Schließlich gehört Georgien unter der gegenwärtigen Regierung zu den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, die am ungeduldigsten nach der Nato-Mitgliedschaft drängen und auf das Bündnis mit den USA setzen. Auch das mit einer knappen Mehrheit regierende prowestliche Bündnis in der Ukraine strebt die Nato-Mitgliedschaft an. Allerdings gibt es innerhalb der Ukraine, vor allem in den östlichen Regionen, eine starke Opposition gegen solche Pläne. Zudem ist das Reformbündnis untereinander derart zerstritten, dass auch ein Wechsel zu einer prorussischen Regierung in Kiew möglich ist.

In Georgien ist die durch die Nationalitätenkonflikte verhärtete innenpolitische Situation anders. Der prowestliche Präsident regiert zwar längst nicht mehr unangefochten und im eigenen Lager wird ihm die Etablierung eines undemokratischen Systems vorgeworfen. Doch die Opposition kommt aus seinem eigenen prowestlichen Lager. In der Hinwendung zur Nato und dem Westen gibt es zwischen Saakaschwili und seinen Gegnern keinen Dissens (Scheuklappen in Tiflis). Im Gegenteil, die Kontrahenten werfen ihm sogar vor, mit seiner autokratischen Politik eine schnelle Nato-Mitgliedschaft und eine Annäherung an den Westen zu gefährden. Eine prorussische Opposition, die von Moskau unterstützt werden kann, gibt es in Georgien nicht.

Russlands Selbstbewusstsein

Zudem macht das gegenwärtige Russland seit einigen Jahren deutlich, dass die Zeiten der späten Gorbatschow- und der Jelzin-Ära vorbei sind, wo man auf das Wohlwollen des Westens rechnete. Russland will jetzt seine eigenen Interessen durchsetzen. Dass die Herausstellung der eigenen Interessen keine leeren Worte waren, zeigte die bündnispolitische Orientierung der russischen Politik unter Putin, die auch jetzt fortgesetzt wird.

So gründete sich 1996 die Shanghai Cooperation Organization, ein sicherheitspolitischer Zusammenschluss, dem Russland, die Volksrepublik China sowie die vier zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan angehören. Usbekistan forderte schon im Jahr 2005 die USA zur Schließung ihres Militärstützpunkt in Khanabad auf. Gleichzeitig erhöhte Kirgisien die Kosten für die Nutzung des US- Luftwaffenstützpunkts Manas enorm. Diese Initiativen waren nach der Einschätzung politischer Beobachter eng mit Russland abgestimmt.

Anders als die US-Truppen konnten deutsche Soldaten in Usbekistan bleiben. Das wird als deutlicher Hinweis auf die Vorzugsbehandlung interpretiert, die Deutschland in der russischen Politik genießt. Auch in der aktuellen Krise um Georgien ist es falsch, von einem einheitlichen westlichen Interesse auszugehen. Georgien wird von Russland in erster Linie als enger Verbündeter der USA gesehen und bekämpft. Die USA waren es auch, die auf eine schnelle Nato-Mitgliedschaft sowohl von Georgien als auch der Ukraine gedrängt hat.

Die deutsche Regierung gehörte in beiden Fällen zu den Bremsern solcher Bestrebungen. Dabei wurden im Falle Georgiens neben den ungelösten Nationalitätenkonflikten auch die gespannten Beziehungen zu Russland als Begründung genannt. Das war nicht immer so. Kurz nach dem Machtwechsel in Georgien im November 2003 unternahm Präsident Saakaschwili seine erste Auslandsreise im Amt nach Berlin und bedankte sich bei der Bundesregierung für die umfangreiche Nothilfe beim Machtwechsel.

Energiefragen im Kaukasus

Die unterschiedlichen Konflikte im Kaukasus sind nicht ohne die Debatte um die Energiesicherheit vor allem bei Erdöl und Erdgas zu verstehen. In den letzten Jahren hat die russische Politik durch ein kurzfristiges Drehen im Gashahn nicht nur in der Ukraine, sondern auch in vielen europäischen Ländern für Aufregung gesorgt (Die EU gibt Gas). Sicherheitsexperten haben schon lange die wichtige Rolle des Kaukasus bei der Frage der Energiesicherheit entdeckt. So hieß es auf einer Tagung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik im Jahr 2000:

Die "Kaukasus-Region" verfügt über ein bedeutendes Potenzial an Erdöl und Erdgas. Darüber hinaus sind Kasachstan und Usbekistan auch im Weltmaßstab bedeutende Bergbauländer für mineralische Rohstoffe. Wegen des relativ kleinen Binnenmarktes ist es generell möglich, einen großen Teil der Produktion an Erdöl und Erdgas zu exportieren. Als Märkte bieten sich insbesondere Europa und Asien an. Die weitere Erschließung dieses Potenzials hängt wesentlich von der Entwicklung der Energiepreise, der Nachfrage der europäischen und asiatischen Märkte und der politischen Stabilität dieses Raumes ab.

Dabei spielte die Frage, wieweit eine Energieversorgung unabhängig von Russland zu gewährleisten ist, eine wichtige Rolle. Die ersten Pipelines im Kaukasus, die nicht über russisches Territorium führten, waren die Erdgaspipeline von Korpedsche in West-Turkmenistan nach Kurt Kui in Nord-Iran, die Ende 1997 in Betrieb ging, und die Erdölpipeline von Baku ins georgische Supsa am Schwarzen Meer, die im April 1999 in Betrieb genommen wurde. 2005 wurde die Baku-Tbilissi-Ceyhan-Pipeline in Betrieb genommen, mit der die Energieversorgung des Westens unter Ausschluss von Russland vorangetrieben werden sollte. Mit der Gemeinschaft der demokratischen Wahl wurde im Dezember 2005 in Kiew ein Bündnis von Staaten gegründet, das wie auch die GUAM, ein Bündnis zwischen Georgien, der Ukraine, Aserbeidschan und Moldawien, Russland vor allem auf dem Feld der Energieversorgung herausforderte.

Allerdings werden an dieser Frage auch die unterschiedlichen Interessen unter den westlichen Staaten deutlich. So hat sich Deutschland mit der Ostseepipeline auch die Energieversorgung von Russland absichern lassen, was bei einigen osteuropäischen Staaten und auch bei konservativen Kreisen der USA und der EU nicht besonders gern gesehen wurde. Schließlich wird damit der Versuch, Russland aus der Energieversorgung mit dem Westen möglichst auszuschließen, umgangen. Kritiker des Ostseeprojekts äußerten auch die Befürchtung, dass sich Deutschland im Konfliktfall dann eher auf Seiten Russlands stellen könnte. Dem Putin-Freund Gerhard Schröder wurde eine solche Politik nachgesagt. Merkel setzte da andere Akzente.

Deutsche Politiker würden natürlich energisch abstreiten, dass ihr Verhältnis zu Russland mit der Frage der Energiesicherung verkoppelt ist. Im Konflikt zwischen Russland und Georgien versuchte sich Bundesaußenminister Steinmeier in der Rolle als ehrlicher Makler (Gescheiterte Friedensmission von Außenminister Steinmeier), anders als die USA, die von Russland als Partei in dem Konflikt gesehen wird. Nach der Eskalation des Konflikts könnte diese Vermittlerposition wieder zum Tragen kommen. Voraussetzung ist dabei, dass Russland tatsächlich mit den Bombardements auf georgische Städte lediglich eine begrenzte Strafaktion durchführte. Sollte der Konflikt allerdings andauern und sich die USA auf Seiten Georgiens positionieren, könnte die deutsche Regierung in Schwierigkeiten kommen. Dann würde sich nämlich schnell herausstellen, dass die gemeinsamen westlichen Interessen in dem Konflikt schlicht nicht existieren.