Ein Patent gegen Patente

Die französische Vereinigung der Linux-Nutzer hat einen Patentantrag auf Verfahren zur Einführung der 35-Stunden-Woche eingereicht

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Mit einer Eulenspiegelei wendet sich die französische Vereinigung der Linux-Nutzer (AFUL) gegen die Praxis der Erteilung von Software-Patenten. Eine Woche vor der diplomatischen Konferenz in München, die eine Revision des Europäischen Patentabkommens vornehmen soll, möchte AFUL die Absurdität von Patenten im Software-Bereich durch einen Patentantrag auf den Übergang zur 35-Stunden-Woche belegen.

Die Diskussion um Software-Patente entzündete sich im Frühjahr am Vorhaben einer Richtlinie der EU-Kommission. Die Kommission wollte klarstellen, dass Software patentierbar ist und damit die Erteilungspraxis in den einzelnen Mitgliedsstaaten harmonisieren. Die ursprünglich für den Sommer vorgesehene Richtlinie wurde zurückgestellt. Derzeit holt die Kommission noch Ansichten zu Software-Patenten ein.

Im dem Streit werden detaillierte Fragen aufgeworfen, etwa wie sich das technische Moment von Software bestimmen lässt. Es werden aber auch Software-Patente insgesamt in Frage gestellt. Die Praxis in den USA gilt als abschreckendes Beispiel, doch zunehmend wird dem Europäischen Patentamt (EPA) vorgeworfen, dem US-Vorbild zu folgen. Bei den Patenten, die es gewähre, seien die Ansprüche zu breit, deren erfinderische Höhe sei zu niedrig und sie erstreckten sich nicht nur auf den technischen Bereich.

AFUL zielt mit seinem Antrag genau auf diese Vorwürfe. Beim Institut National de la Proprieté Industrielle (INPI), dem französischen Patentamt, hat die Vereinigung am Montag einen Patentantrag auf "System und Verfahrensweise zur Arbeitszeitreduzierung" eingereicht. Gemeint ist damit ein Verfahren, mit dem sich zum Beispiel Stundenpläne und die Einstellungsverträge unter "wirtschaftlich optimalen Bedingungen" an die 35-Stunden-Woche anpassen lassen.

Nach Ansicht von AFUL entspricht der Patentantrag in seiner Vermengung von Idee und Software vielen durch das EPA bereits gewährten Patenten. Zwar sei der Übergang zur 35-Stunden-Woche nicht patentierbar, aber ein Verfahren das eine technische Wirkung hat, etwa auf eine Stechuhr, entspreche durchaus der Erteilungspraxis des EPA. Mit dem Patentantrag möchte AFUL "die wirtschaftliche Absurdität einer Ausdehnung des Patentsystems auf Software" und die damit einhergehenden Risiken beweisen.

AFUL verbindet mit dem Antrag auch weitergehende Pläne. Die Vereinigung möchte, sollte sie das Patent erhalten, insbesondere solche Unternehmen zur Kasse bitten, die selbst Software-Patente halten. Außerdem sollen die französischen Behörden in dieser Frage sensibilisiert werden, indem man Lizenzen für alle Beamten verlangen will, "die bald zur 35 Stundenwoche übergehen werden."

Die Chancen, vom INPI tatsächlich ein Patent zu erhalten, stehen nicht schlecht. Laut Axel Horns, Patentanwalt in München, werden in Frankreich reine Registerpatente erteilt: "Es wird lediglich die Einhaltung der Formalien geprüft und ein Recherchebericht mit der Mitteilung des 'Standes der Technik' an den Anmelder übersandt." Es liegt dann im Ermessen des Antragstellers, seine Ansprüche durchzusetzen. Erst bei einer Anfechtung vor Gericht stünde die Patentwürdigkeit, insbesondere Erfindungshöhe und Neuheit, zur Debatte, die andere Patentämter zur Beurteilung heranziehen. Mit seiner Kritik am EPA laufe die AFUL jedoch ins Leere, da ihr Patentantrag allein auf Frankreich abziele und gezielt die dortige Praxis ausnutze, so Horns weiter.

Stéfane Fermigier, Vorsitzender der AFUL, nennt denn auch ganz pragmatische Gründe für den Antrag in Frankreich. Mit 50 Euro sei ein Patentantrag beim INPI billig und durch die fehlende Prüfung auch schnell. Ob der Antrag auch beim EPA eingereicht werde, hänge vom Ergebnis der Konferenz in München ab.