Ein Schwarzes Loch als Staubsauger

Eine Kombination der Aufnahmen des ESA-Weltraumteleskops Herschel und des japanisch-amerikanischen Röntgensatelliten Suzaku zeigt, dass in der Galaxis IRAS F11119+3257 ein gewaltiges Schwarzes Loch die weitere Entstehung von Sternen behindert - weil die von ihm verursachten Winde wie ein Staubsauger wirken (Bild: ESA/ATG medialab)

Warum wachsen Galaxien nicht endlos? Anscheinend wirken die Schwarzen Löcher in ihren Zentren als natürliche Bremsen

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Schon etwa 500 Millionen Jahre nach dem Urknall begannen sich im damals noch weit jüngeren Universum die ersten Galaxien zu bilden. Dabei ging es sehr lebhaft zu. Kleinere Galaxien schlossen sich zu größeren zusammen. Heute weiß man, dass die Entwicklung nicht rein zufällig ablief. Vielmehr konzentrierte sich die Sternenbildung auf feine, von Dunkler Materie vorgezeichnete Strukturen im Universum, so genannte Filamente. Wo sich diese Filamente trafen, entstanden Galaxien und Galaxienhaufen - insgesamt zählt das beobachtbare Universum heute einige Millionen dieser Galaxien-Superhaufen. Einer davon, der Virgo-Superhaufen, vereint zum Beispiel bei einem Durchmesser von 110 Millionen Lichtjahren ein paar Tausend Galaxien, darunter als Teil der Lokalen Gruppe auch die Milchstraße.

Wie sich die verschiedenen Typen von Galaxien bilden, das weiß man heute nicht mit Sicherheit. Bei den häufigen Spiralgalaxien, zu denen auch unsere Milchstraße gehört, vermutet man, dass die Dunkle Materie eine Rolle spielt. Sie interagiert ja nur über die Gravitation, während die gewöhnliche Materie auch vom Strahlungsdruck der Sterne beeinflusst wird.

Deshalb dürfte sich die Dunkle Materie in den Außenbereichen der Galaxis konzentrieren, dort, wo sie das Halo gebildet hat. Das interstellare Gas, gleichzeitig vom Kern der Galaxis (stark) und von ihrem Äußeren (schwach) angezogen, bewegt sich deshalb auf einer Spiralbahn auf den Kern zu, quasi als würde man eine Katze an ihrem Schwanz festhalten.

Das Problem bei diesem Modell: Die Kontraktion stoppt irgendwann, und die Kosmologen wissen noch nicht genau, warum. Sie haben allerdings einen Verdacht. Im Zentrum der meisten Galaxien findet sich nämlich ein superschweres Schwarzes Loch, das die entscheidende Rolle spielen könnte. Allerdings gibt es dabei ein kleines Dimensions-Problem. Zwar sind die superschweren Schwarzen Löcher wirklich sehr schwer. Sagittarius A im Zentrum unserer Milchstraße etwa wiegt so viel wie 4,1 Millionen Sonnen. Doch im Vergleich zur kompletten Galaxis mit ihrer Billion Sonnenmassen ist das Schwarze Loch ein Zwerg. Wie kann es da überhaupt einen signifikanten Einfluss geltend machen?

Im Wissenschaftsmagazin Nature zeigt ein internationales Forscherteam jetzt einen Weg. Die Astronomen haben die Galaxis IRAS F11119+3257 genauer studiert, und zwar parallel mit Infrarot-Aufnahmen des Herschel-Weltraumteleskops und mit Röntgenbildern des Satelliten Suzaku.

Dabei ist ihnen ein starker Gasfluss in unmittelbarer Nähe des Schwarzen Lochs im Zentrum dieser Galaxis aufgefallen, der sich in einem Bereich von ein paar Hundert Astronomischen Einheiten mit etwa einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit bewegt. Er entsteht, weil das Schwarze Loch die Materie um sich herum zu einer Akkretionsscheibe aufsaugt, die sehr heiß wird.

Künstlerische Darstellung des beschriebenen Vorgangs: Das Schwarze Loch in Galaxis IRAS F11119+3257 saugt Materie aus seiner Umgebung in Form einer Scheibe (orange) auf. Ein Teil des Materials wird als Wind abgestoßen (blau), der der gesamten Milchstraße einen Verlust an zur Sternenbildung nötigen molekularen Gasen (rot) beschert. (Bild: ESA/ATG medialab)

Die "Abgase" des Schwarzen Loches allein treiben nur Material von etwa einer Sonnenmasse im Jahr aus der Galaxis heraus. Doch der Wind wirkt in der Umgebung, und das konnten die Forscher nun erstmals zeigen, auch als eine Art kosmischer Staubsauger: Er führt dazu, dass IRAS F11119+3257 pro Jahr etwa 800 Sonnenmassen verliert - vor allem an interstellarem Gas, wie es zur Sternenbildung und zur Kontraktion der Galaxis gebraucht würde.

Damit aus der Beobachtung ein Beweis wird, müssen die Forscher sie nun an vielen anderen Milchstraßen wiederholen. Außerdem reichen die gegenwärtigen Daten noch nicht aus, unterschiedliche theoretische Modelle dieser Vorgänge ausschließen zu können.