Ein afrikanisches Belgien

Die Präsidentschaftswahlen in der Elfenbeinküste führten zu keiner Wiedervereinigung, sondern lediglich zu einer Vertiefung der Spaltung des Landes

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Im Oktober und November wurde an der Elfenbeinküste gewählt. Diese Wahlen führten allerdings nur bedingt zu einem Ergebnis: Die Wahlkommission sieht Alassane Ouattara mit 54 zu 46 Prozent der Stimmen als Sieger; der Verfassungsrat dagegen Laurent Gbagbo mit 51 zu 49 Prozent.

Wer näher an der Wahrheit liegt, ist unter anderem deshalb schwer zu beurteilen, weil es mit der Pressefreiheit nicht nur in der Elfenbeinküste nicht zum besten steht. Mittlerweile riefen sich beide Kandidaten selbst zum neuen Präsidenten aus. Gbagbo ist bereits seit 2000 formell Amtsinhaber - faktisch allerdings seit 2002 nur mehr im Süden des Landes, das sich nach einem Bürgerkrieg teilte. Die Demarkationslinie wird von UN-Truppen bewacht.

Sprachgruppen in der Elfenbeinküste. Karte: Etienne Ruedin. Lizenz: CC-BY 2.5.

Der Konflikt ist nicht nur ein Fall eines Amtsinhabers, der nicht abtreten will, sondern hat auch eine sehr ausgeprägte ethnische Komponente: Ouattara ist Dioula, während Gbagbo den Bete entstammt. Das Händlervolk der Dioula ist mit den in vielen westafrikanischen Ländern siedelnden Mandingo ("Malinke") verwandt und lebt selbst im Senegal, in Mali, in Burkina Faso und im Norden der Elfenbeinküste, während die Bete zu den (auf der Karte mit verschiedenen Blautönen markierten1) Kru-Völkern zählen, die außer in der Elfenbeinküste vor allem in deren westlichem Nachbarn Liberia siedeln.

Im Südosten des Landes finden sich die (auf der Karte in Grüntönen gekennzeichneten2) Akan-Sprecher, die im östlich gelegenen Ghana das Quasi-Staatsvolk stellen. Andere wichtige ivorische Volksgruppen sind die auch in Burkina Faso und Mali ansässigen Senufo, die in Guinea und Liberia beheimateten Dan (gelb), die Guro (braun), die Kulango (hellrosa) und die Lobi (pink).

Anhand der Siedlungsräume dieser Volksgruppen teilte sich auch das Land: Zum Norden gehören die Gebiete der Dan, der Mandingo, der Senufo, der Dioula, der Lobi und teilweise die der Kulango. Bis auf die Dan und die Kulango sind diese Völker mehrheitlich moslemisch und ihre Siedlungsräume setzen sich in den nördlichen Nachbarländern fort.

Demarkationslinie. Karte: QuartierLatin1968. Lizenz: CC-BY-SA.

Die in europäischen Medien teilweise kolportierte Darstellung, dass Gegensätze zwischen Einwanderern und Alteingesessenen den ivorischen Bürgerkrieg auslösten, ist insofern missverständlich, als die Migration in die Elfenbeinküste zu einem großen Teil innerhalb von Sprach- und Volksgruppen stattfand. Vergleichbar damit wäre beispielsweise eine Einwanderung von katholischen Niederländern nach Flandern oder von Franzosen in die Wallonie. Dem Senufo aus der Elfenbeinküste steht der Senufo aus Burkina Faso oder Mali meist durchaus näher als der Akan aus dem Süden seines Landes. Ähnlich verhält es sich mit den Mandingo, den Lobi und den Dioula. Auch Alassane Quattaras Eltern kamen angeblich aus Burkina Faso, weshalb ihm 1995 und 2000 die Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen aus rechtlichen Gründen verweigert werden konnte.

Verbreitung der Senufo. Karte: Mark Dingemanse. Lizenz: CC-BY 2.5.

Trotz des unklaren Ausgangs der Wahl erkannte der UN-Sicherheitsrat im Dezember, Quattara als Sieger an. Die EU, die USA, die Afrikanische Union und die ECOWAS hatten Gbagbo bereits vorher als Präsidenten abgelehnt. Hintergrund dieser Präferenzen dürfte nicht zuletzt sein, dass Quattara in der Vergangenheit für den Internationalen Währungsfonds (IWF) tätig war, was freilich nicht unbedingt garantiert, dass er ein weniger korruptes Regiment führt als Gbagbo. Über politische Macht verfügt der Dioula bereits seit 1990, als ihn der damalige Staatspräsident Félix Houphouët-Boigny zum Ministerpräsidenten ernannte.

Selbst wenn sich ermitteln ließe, ob Gbagbo oder Quattara die meisten Stimmen hätten, bliebe das Problem, dass die Nordvölker anscheinend ganz überwiegend für Quattara stimmten, während der Süden Gbagbo als seinen Vertreter sah. Entsprechend gering dürfte die Akzeptanz für den jeweiligen Kandidaten in der anderen Landeshälfte sein. Die Spaltung des Landes vertiefte sich deshalb durch die Wahl eher, als dass diese, wie von Internationalen Organisationen propagiert, die Einheit des Landes wiederhergestellt hätte. Darauf deuten nicht nur die mindestens 50 Toten hin, die es bei den Ausschreitungen seit Anfang Dezember gab. Die Präferenz dieser Internationalen Organisationen für Quattara dürfte jedoch auch verhindern, dass sie die faktische Spaltung des Landes anerkennen, wie im Sudan, wo am 9. Januar eine Volksabstimmung über eine Selbstständigkeit des Südens stattfindet.

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