Eine bescheidene Woche für grün Angehauchte

Die Energie- und Klimawochenschau: Benzin- und Dieselpreise gleichen sich an, deutsche Banken befürworten Wind, US-Hardliner lehnen gleiche Unterstützung für Wind und Kernkraft zugunsten letzterer eventuell ab, Deutschland beschließt Klimapaket, Offshore-Wind trifft sich in Berlin, und Klimaschützer blamieren sich bis auf die Knochen

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Deutschland und andere Länder schickten letzten Samstag ein missverständliches Signal nach Bali und in alle Welt: Wenn ihr Energiesparen wollt, kann man das Licht abends ausschalten. Anscheinend hat es sich in manchen Ökokreisen noch nicht herumgesprochen, dass der Mainstream ihnen vorwirft, man wolle uns zurück in die Steinzeit versetzen. Aber zum Glück lief alles gut, denn das Signal hätte deutlicher sein können - bei einem Stromausfall nämlich.

Die Aktion "Licht aus!" war gerade deshalb so erfolgreich, weil so wenig Leute teilgenommen hatten (Blackout als Folge der Aktion "Licht aus" am Samstag?). Laut Spiegel hatten sich "gerade mal ein Dutzend Menschen" vor dem Kölner Dom versammelt. Der Fernsehsprecher, der um kurz nach acht die Verdunklung in Berlin vor mehreren Beifall klatschenden Anwesenden kommentierte, beschwichtigte die Zuschauer zwar, ein Ausfall könne nur passieren, wenn alle in der gleichen Millisekunde das Licht ausschalten, doch klar ist: Es hätte passieren können, denn auch die Masse macht's. Wenn genug Haushalte genug Verbraucher innerhalb von wenigen Sekunden ausschalten, zum Beispiel bei einem Countdown im Fernsehen, wird es eng im Netz.

Vorsichtshalber hatte offenbar Hamburg die Lichter an der Kirche St. Michaelis deshalb bereits abgeschaltet, als das Fernsehen live schaltete. Man kann auch nicht sagen, wie viele Bundesbürger gegen die Aktion protestiert haben, indem sie beim Countdown im Fernsehen, der einem kalkulierten Angriff auf die Stromversorgung gleichkam, den Toaster und Wasserkocher anstellten.

Der Angriff hielt sich jedenfalls in Grenzen, auch wenn die Berichte uneindeutig sind: Die Netzzeitung zitierte einen Vattenfall-Sprecher, der den Rückgang im Stromverbrauch in den fünf Minuten nach 20 Uhr um "10 Megawatt, was 0,5 Prozent entspreche" bezifferte. Laut anderen Berichten schätzt Vattenfall die Stromschwankungen auf "250 Megawattstunden… das entspreche einer Stromabschaltung der gesamten Stadt Halle". Beides geht jedoch nicht: 10 MW eine Stunde lang = 10 Megawattstunden, 10 MW 5 Minuten lang = rund 0,85 Megawattstunden… von 250 MWh weit entfernt.

So erfolgreich die Aktion ohne Stromausfall war, sie verpuffte im Ausland und verfehlte wohl damit ihr Ziel, ein Signal nach Außen zu schicken. Wenn man bei den englischsprachigen Google News schaut, findet man gerade eine Handvoll Berichte.

Anders wäre es freilich gelaufen, wenn es zu einem Stromausfall gekommen wäre: Die Zeitungen wären voller Berichte über die Aktion gewesen. Egal wie Deutschland sich in den kommenden Jahrzehnten als Klimaschützer anstellt - man hätte uns bei einem Stromausfall am Samstag jahrzehntelang als lichtlose Höhlenbewohner ausgelacht. Schließlich wird man in 100 Jahren auch nur das Eine über Bill Clinton wissen. So gesehen kann man froh sein, dass "Licht aus!" relativ wirkungslos verpufft ist. Mögen sich die Umweltschützer in Zukunft sinnvollere Kampagnen ausdenken - es dürfte ihnen nicht schwer fallen.

Übrigens: Wie der Zufall es haben wollte, lag eine Email am Samstagmorgen in meiner Inbox - ein Verwandter in Kalifornien fragte, ob wir um 20 Uhr telefonieren könnten. Als ich ihn um 20 Uhr am Apparat hatte, musste ich ihm sagen, dass das Telefonat kurz sein könnte, wenn der Strom ausfällt, weil Deutschland den Zusammenschluss mit Bali demonstrieren wollte. Mein Verwandter wusste weder was von der "Licht aus"-Aktion, noch von der Konferenz auf Bali.

Germanwatch findet Germany toll

Nach einer Studie von Germanwatch, die letzte Woche vorgestellt wurde, liegt Deutschland in Klimafragen weltweit an zweiter Stelle hinter nur Schweden, und Frankreich landet auf Platz 18 von 56. Wie das passieren kann angesichts der recht hohen CO2-Emissionen in Deutschland und der bald verfehlten Kyoto-Ziele, wollte der Autor dieser Zeilen wissen - und wurde auf Seite 10 fündig:

Since nuclear power is a risky energy source, nuclear energy is evaluated with CO2 risk equivalent per energy unit. These equivalents match the CO2 emissions of an efficient coal-fired power plant.

Zu deutsch: Kernkraftwerke flossen mit den Emissionen von Kohlekraftwerken mit in die Berechnung. Damit zeigt die Studie eindrucksvoll, dass es nicht möglich ist, über CO2-Emissionen und die Kernkraft zu reden, ohne zu polemisieren. Die Studie ist für Befürworter der Kernkraft eine reine Provokation und für Klimaschützer kaum aussagekräftig, weil frei erfunden. Eine bessere Strategie wäre wohl, die allgemein anerkannten, niedrigen CO2-Emissionen der Kernkraft zu akzeptieren - und die Kernkraft den fairen Kampf dann mit anderen Energiequellen aufnehmen zu lassen. Den verliert sie dann nämlich - siehe unten.

USA für Atom oder Wind?

In den USA formiert sich im Augenblick offenbar richtiger Widerstand gegen die Erneuerbaren, denn ein Gesetzentwurf für eine neue Energiepolitik liegt vor. Die Gegner der erneuerbaren Energien im Kongress hielten letzte Woche Dauerreden (Filibuster), damit es zu keiner Abstimmung kommen konnte. Die Windenergie soll für weitere 4 Jahre 2 US-Cent pro Kilowattstunde als Steuerentlastung bekommen.

Zwar bekommt die Kernkraft 1,8 Cent Steuerentlastung pro kWh, aber das 8 Jahre lang - dabei ist die Kernkraft eine gestandene Industrie, die seit fünf Jahrzehnten riesige Subventionen einstreicht. Außerdem übernehmen US-Steuerzahler 2 Milliarden in Versicherungen für Kernkraftwerke, falls doch etwas passiert. Erwähnen lässt sich noch, dass immer noch mehr Forschungsgelder für die Kernkraft als für alle Erneuerbaren zusammen im Bundeshaushalt vorgesehen sind. Alles Auswüchse der USA? Mitnichten: Das siebte Rahmenprogramm der EU, das "die Forschung zu Kernfusion, Kernspaltungsenergie und Strahlenschutz" sowie "Maßnahmen der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) im Bereich der Kernenergie" fördert, hat "für den Zeitraum 2007 bis 2011 maximal 2 751 Mio. EUR zur Verfügung" gestellt. Zum Vergleich: Dem "Globalen Dachfonds für Energieeffizienz und erneuerbare Energien" im 7. Rahmenprogramm der EU (wohlgemerkt: alle Erneuerbaren & Effizienz zusammen) stehen "für den Zeitraum 2007 bis 2010 insgesamt 80 Millionen EUR" zur Verfügung. Während man also selbst für die Photovoltaik - die teuerste aller erneuerbaren Energien - bereits heute über die baldige Konkurrenzfähigkeit spricht (Solar kann bald mit Kohle- und Atomstrom konkurrieren, scheint alleine die Kernkraft mehr Subventionen zu brauchen als alle Erneuerbaren zusammen - und das nach rund 50 Jahren Netzbetrieb.

Zugegeben: Der Strom aus der Steckdose ist billiger in Frankreich als in der BRD, aber die Franzosen geben trotzdem mehr für Strom aus, z.B. 3,0 Prozent ihres Nettoeinkommens im Jahre 2004, weit mehr als die Deutschen, die 2004 nur 2,2 Prozent dafür bezahlen mussten. Die erneuerbaren Energien sind nämlich Exportschlager und schaffen gut bezahlte Arbeitsplätze. Sarkozy möchte zwar die Kernkraft exportieren, stößt aber auf Widerstand und Skepsis. Wieso eigentlich? Ist die Kernkraft nicht sicher? Anders gefragt: Würden Sie sich Sorgen machen, wenn der Iran morgen massenhaft Windanlagen und PV-Dächer installieren wollte?

Jedenfalls kommt man mit solchen Argumenten weiter als mit erfundenen Emissionen aus Kernkraftwerken.

Mehr Wind

Letzte Woche wurde das Klimapaket der Bundesregierung vorgestellt, das die CO2-Emissionen in Deutschland um 35% bis 2020 (Referenzjahr: 1990) senken soll. Der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung soll mehr als gedoppelt werden auf 25% der Stromerzeugung (das alleine würde den Atomausstieg etwa zur Hälfte abfedern, und zwar mit regelbarer Stromerzeugung). Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist auch endlich novelliert worden - Solar bekommt weniger Zuwendung, Offshore-Wind mehr. 2008 sollen noch weitere Novellen kommen; z.B. sollen Mieter ihre Vermieter auf Mietminderung verklagen können, wenn die Heizkosten zu hoch sind. Im Frühling bringt Telepolis zu diesen Novellen ein ausführliches Sonderheft heraus.

Apropos Offshore-Wind: Die European Offshore Wind Conference wurde letzte Woche in Berlin abgehalten. Das führte einerseits zur Präsentation der neuen englischsprachigen Zeitschrift Offshore Wind Energy - Future Energy Supply from Wind at Sea, andererseits zur Vorstellung einer Studie vom EWEA-Präsidenten Arthouros Zervos, die das Ziel des nächsten Jahrzehnts auf "bis zu 40.000 MW" installierte Leistung von bis zu fast 50 MW vor gerade zwei Monaten herabsetzt - zu langsam schreitet der Ausbau voran.

Zwei deutsche Banken bekundeten ihren Optimismus für die Windkraft letzte Woche. Die Hypovereinsbank http://press.hypovereinsbank.de/cms/german/press/showdetail.html?id=8803&pid=0&cid=0&dr=0 möchte vor allem mehr Repowering (mehrere Altanlagen durch weniger Neulagen ersetzen) und mehr Offshore-Anlagen sehen - genau das, was sich die deutsche Bank wünscht. Hoffentlich sind die zwei Häuser auch gewillt, dies zu finanzieren.

Weniger Öl?

Es tut sich Seltsames an den Tankstellen: Die Preise der verschiedenen Treibstoffarten gleichen sich an.

Vor wenigen Jahren fing Shell an, "V-Power" zu vermarkten - 100 Oktan. Damals musste Shell zugeben, die eigenen Reserven überschätzt zu haben. Shell hatte also weniger Liter zu verkaufen, musste also jeden Liter wertvoller machen.

Nun kostet Normalbenzin oft nicht weniger als Super. Wenn es dabei bleibt, gibt es mehr pro Liter für die Ölfirmen. Geht ihnen der Stoff aus?

Jedenfalls konnte die OPEC, wie ich bereits vermutete, ihre Produktion bis Nov nicht um 500.000 Barrel pro Tag erhöhen. Das wurde letzte Woche klar - Ziel knapp verfehlt. Zur Zeit investieren außerdem die Ölmultis ihre Profite nicht in neue Felder, sondern in die eigenen Aktien . Und letzte Woche gab die OPEC bekannt, die Produktion nicht weiter erhöhen zu wollen. Wir müssen also mit $90 pro Barrel leben.

Die Russen auch, wie diese interessante Diaschau der New York Times zeigt. Und wer sehen will, wie die Amerikaner mit ihrer Wirtschaftskrise auf den Immobilienmarkt umgehen, wenn die Miete von knapp $600 auf mehr als $1200 steigt, kann sich diese empfehlenswerte Diaschau des Christian Science Monitor ankucken.

Mögen uns Stromausfälle und Subprime-Krisen erspart bleiben…