"Eine recht originelle Demonstration"

Propaganda at its best: Russischer Kampfbomber soll AEGIS-Raketenabwehrsystem auf US-Zerstörer im Schwarzen Meer lahmgelegt haben

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Als am 9. April klar war, dass der US-Zerstörer Donald Cook am Tag darauf unangekündigt ins Schwarze Meer einfahren würde, empfand man dies in Russland als Provokation, es war auch als Demonstration der US-Truppenpräsenz für Russland und die osteuropäischen Länder gedacht. In Russland nahm man dies so wahr, dass die USA dem Land "auf den Zahn fühlen" wolle, weswegen man auch schnell eine entsprechende Reaktion entwickelte.

Der Zerstörer Donald Cook gehört zur Arleigh-Burke-Klasse und ist mit AEGIS-Luftabwehrraketen und Tomahawk-Marschflugkörpern ausgerüstet. Mit dem AEGIS-Kampfsystem kann der Luftraum überwacht und mögliche Gefahren bewertet werden. Der Zerstörer dient also als Teil des nationalen Raketenabwehrsystems und kann Ziele auf dem Boden, auf dem Wasser und unter dem Wasser angreifen.

Russische Medien ließen dazu den Vorsitzenden der russischen "Bewegung zur Unterstützung der Flotte", Kapitän zur See Michail Nenaschew, zu Wort kommen, um die offizielle Haltung zum Ausdruck zu bringen, ohne dafür verantwortlich gemacht werden zu können. Nenaschew meinte, die Stationierung der Donald Cook im Schwarzen Meer sei auch "ein Zeichen für Rumänien, Polen und Montenegro, die zuletzt ihre Bereitschaft signalisiert haben, Raketenabwehranlagen auf ihrem Territorium aufstellen zu lassen".

Um das Raketenabwehrsystem wirksam für das Schwarze Meer zu errichten, müssten mehrere Schiffe stationiert werden, was aber den Vertrag von Montreux verletzen würde. Demzufolge muss die Durchfahrt von Kriegsschiffen vorher der Türkei gemeldet werden, was allerdings zwischen den USA und Nato-Mitglied Türkei kein Problem darstellen würde. Aber es dürfen nur Kriegsschiffe mit einer Tonnage von 15.000 Tonnen passieren, Kriegsschiffe mit mehr als 10.000 Verdrängung von Staaten, die nicht ans Schwarze Meer grenzen, dürfen nicht einfahren. Die Donald Cook liegt allerdings darunter.

Russland hat die Stationierung des US-Raketenabwehrsystems in osteuropäischen Ländern an seiner Grenze stets als Provokation betrachtet. Dass es dazu dienen sollte, mögliche iranische Atomraketen abzuschießen, konnte tatsächlich niemand ernst nehmen, wird aber weiter behauptet. US-Präsident Obama hat schließlich auch die Stationierung an Land abgeblasen und will stattdessen see- und landgestützte AEGIS-Systeme einsetzen.

Das könnte der Hintergrund dafür sein, dass bereits Anfang März der Zerstörer USS Truxtun, ebenfalls Arleigh-Burke-Klasse, im Schwarzen Meer vor der Krim stationiert und nun durch Donald Cook ersetzt wurde. Das erste landgestützte AEGIS-System mit SM-3-Abfangraketen soll in Rumänien bis 2015 und ein zweites in Polen bis 2018 fertiggestellt werden.

Auf See dienen dann die Zerstörer Donald Cook, Ross, Porter und Carney als Ergänzung. Die USA kommen nun also in Polen und im Schwarzen Meer mit dem Raketenabwehrsystem Russland wieder nahe, so dass wenig verwundert, wenn Russland erneut nervös reagiert. "Wie würden die Amerikaner darauf reagieren, wenn unsere Zerstörer im Golf von Mexiko umherfahren und wir unsere Raketenabwehrsysteme dort aufstellen würden?", fragt Nenaschew nicht unverständlich, was man in Washington natürlich genau weiß.

Die Reaktion der russischen Streitkräfte, die sicher mit der Regierung abgesprochen war, bestand gleichfalls aus einer Provokation, die zumindest damit spielte, dass es zu einem Vorfall hätte kommen können. Am 12. April flog eine allerdings unbewaffnete Suchoi Su-24, begleitet von einer weiteren Maschine in der Ferne, während 90 Minuten insgesamt 12 Mal teils sehr dicht und in geringer Höhe an der Donald Cook vorbei, wie die US-Marine mitteilte. Das Schiff sei aber nicht überflogen worden. Es kam zu keiner Gefährdung, der Marinesprecher betont, dass der Zerstörer sich ohne weiteres gegen zwei Su-24 hätte verteidigen können. Der Vorfall wird als "provokativ und unprofessionell" gewertet, er verstoße gegen internationale Protokolle.

Su-24. Bild: Pavel Adzhigildaev/CC-BY-SA-3.0

Propagandistisch geht die russische Seite noch weiter. Gestern veröffentlichten die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti und die Stimme Russlands einen Beitrag, der als Meinung gekennzeichnet wird und "nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen" muss. Es ist auch einmal wieder keine offizielle Stellungnahme der Regierung oder des Militärs, sondern eines "Experten", in diesem Fall muss Pawel Solotarjow, Stellvertreter des Direktors des Instituts für USA und Kanada der Akademie der Wissenschaften Russlands, herhalten, der mit neuen Informationen aufwartet, die man glauben kann oder auch nicht und die etwas an die Geschichte der iranischen Revolutionsgarden erinnern, die im Dezember 2011 die US-Superdrohne RQ-170 Sentinel gehackt und mit minimalen Schäden zum Landen gebracht haben wollen.

Nach Pawel Solotarjow sei die Su-24 mit dem neuesten russischen "funkelektronischen" Kampfsystem namens Chibiny ausgestattet gewesen, das "unter äußerst realitätsnahen Bedingungen" jetzt erprobt worden sei. Das AEGIS-System auf der Donald Cook habe zwar die sich nähernde Maschine entdeckt und Alarm ausgelöst, aber dann seien plötzlich die Bildschirme auf dem Zerstörer erloschen, will der Mann wissen. Zudem sagt er, die russische Maschine habe den Zerstörer überflogen, was der Version der US-Marine widerspricht, und habe 12 Mal einen Raketenangriff simuliert. Angeblich seien die Versuche gescheitert, das AEGIS-System wieder funktionsfähig zu machen.

Es handelte sich um eine recht originelle Demonstration. Ein Frontbomber ohne jegliche Bewaffnung, jedoch mit Apparaturen für die funkelektronische Niederhaltung der Funkmessmittel des Gegners an Bord, trat gegen einen Zerstörer an. Jener war mit dem modernsten Luft- und Raketenabwehrsystem ausgerüstet. Doch hat dieses mobile, in diesem Fall ein bordgestütztes System, einen wesentlichen Mangel aufzuweisen. Das sind die Möglichkeiten für die Zielbegleitung. Solche Systeme bewähren sich gut, wenn es sich um mehrere Schiffe handelt, wenn man ihr Vorgehen irgendwie koordinieren kann. In diesem Fall ist es aber nur ein einziger Zerstörer gewesen. Und allem Anschein nach hat der Algorithmus für das Funktionieren der Funkmessmittel auf dem Zerstörer im System 'AEGIS' beim Einsatz des russischen Systems zur funkelektronischen Niederhaltung an Bord der Su-24 nicht angesprochen. Daher gab es nicht nur eine nervöse Reaktion auf die Tatsache des Umfliegens als solche, was nur während des Kalten Krieges zur allgemein üblichen Praxis gehörte. Es folgte auch eine Reaktion darauf, dass das modernste System, vor allen Dingen sein Informations-, sein Funkmessteil, nicht im gebotenen Maße funktioniert hatte. Daher war denn auch eine solche nervöse Reaktion der amerikanischen Seite zu beobachten.

Aber nicht genug, dass die russische Technik die amerikanische austricksen konnte, es kommt noch dicker. Nach dem Vorfall sei die Donald Cook zu einem Hafen in Rumänen gefahren. Tatsächlich befand sich der Zerstörer am 14. April im Hafen von Konstanza, wo der rumänische Präsident Traian Basescu ihn besuchte. Betont wurde, dass die Anwesenheit des Zerstörers im Schwarzen Meer den Nato-Mitgliedern versichern soll, dass die USA sich für "Frieden und Stabilität" engagieren. Dass dies nicht unbedingt der Deeskalation dient, wie immer von Russland gefordert wird, ist selbstverständlich kein Thema.

Im Hafen, so die russischen Medien weiter, hätten 27 Mann der Crew ihr Entlassungsgesuch eingereicht, weil sie nicht ihr Leben aufs Spiel setzen wollten. Indirekt habe das auch das Pentagon bestätigt, das gesagt haben soll, die Aktion habe die Besatzung demoralisiert. Das findet man allerdings nicht beim Pentagon, sondern nur auf obskuren Websites.

Eine schöne Geschichte, die vor allem eines zeigt: Die Propagandamaschinen laufen auf Hochtouren, zugleich wird deutlich, dass die Ukraine nur ein Anlass für den neuen Konflikt zwischen West und Ost ist, an dessen Hochkochen beide Seiten interessiert sind. So werfen die USA Russland vor, das Genfer Abkommen nicht zu erfüllen, während Russland nämliches der ukrainischen Regierung und den westlichen Staaten vorwirft. Lawrow erklärte, der Westen müsse die Verantwortung für diejenigen übernehmen, die er an die Macht gebracht habe.