Eine von vier Bomben verfehlte im Afghanistan-Krieg ihr Ziel

Mit den smart bombs, die 60 Prozent aller abgeworfenen Bomben ausmachten, lassen sich Kosten sparen und "Kollateralschäden" minimieren, doch das Militär neigt bei der Bewertung zu geschönten Angaben

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US-Verteidigungsminister Rumsfeld hat die Angriffe auf Afghanistan den genauesten Krieg genannt, der bislang geführt wurde. Gemeint waren damit natürlich vor allem die "smart bombs", die 60 Prozent aller abgeworfenen Bomben oder abgeschossenen Raketen ausmachten. Um die 90 bis 95 Prozent dieser Geschosse hätten auch ihr Ziel getroffen, insgesamt aber ging eine von vier Bomben daneben.

Mehr als 22.000 Bomben und Raketen sind nach einem Bericht des Pentagon im Laufe von 180 Tagen über Afghanistan abgeworfen worden, wie die New York Times berichtet. Das entspricht etwa der Menge, die im Kosovo-Krieg (78 Tage) eingesetzt wurde, und einem Zehntel der Menge vom Golfkrieg (43 Tage). Hier hatte man Präzisionsbomben vorwiegend zu Beginn der Angriffe gebraucht und ist später auf konventionelle Bomben umgewechselt, wenn die Gefahr für die Flugzeuge geringer war. Im Golfkrieg waren so nur 8 Prozent der eingesetzten Bomben, im Kosovo-Krieg schon 35 Prozent Präzisionswaffen oder "smart bombs".

Der vermehrte Einsatz von "smart bombs" wie Tomahawks, "bunker buster" GBU-28 oder GPS-gesteuerte JDAMs soll nicht nur einen saubereren Krieg mit geringeren "Kollateralschäden" ermöglichen, sondern er hilft auch sparen. Zwar sind die Präzisionsbomben selbst teurer, aber die Lufteinsätze und die Menge der abgeworfenen Bomben können reduziert werden, während die Trefferwahrscheinlichkeit steigt. Eine Flugstunde des F/A-18 Kampfbombers, der von Flugzeugträgern startet, kostet beispielsweise in der Stunde ungefähr 5.000 Dollar, eine Stunde Flug mit einer B-1 oder B-52 schon 10.000 Dollar. Eine Tomahawk kostet etwa eine Million Dollar. So denkt man jetzt auch daran, die Sprengkraft der Bomben zu reduzieren, wodurch sich nicht nur Geld sparen, sondern auch der unbeabsichtigt bewirkte Schaden minimieren ließe. Während jetzt angeblich 75 bis 80 Prozent aller abgeworfenen Bomben ihr Ziel getroffen haben sollen, sei dies im Golf- und Kosovo-Krieg nur bei der Hälfte der Bomben der Fall gewesen. Allerdings könnte auch diese Zahl zu hoch gegriffen sein, wie Berichte für die Effektivität sowohl der "dummen" als auch der lasergestützten Bomben der britischen Luftwaffe gezeigt haben (Bombiger Erfolg oder peinliche Lügen?). Und Militärs neigen dazu, ihre Effizienz in Sachen Destruktion rosiger oder eher: röter zu schildern, als sie tatsächlich ist (High-Tech-Krieg).

Immerhin heißt es jetzt, dass die Einschätzung der Treffergenauigkeit nur ein vorläufiges Ergebnis sei. Die Informationen, auf die sich die Bewertung stützt, stammen von Piloten, Satellitenbildern, Bildern von Aufklärungsflugzeugen oder Angaben von Bodentruppen. Über die Größe der "Kollateralschäden" durch daneben gegangene Bomben schweigt sich das Pentagon sowieso aus, da stets nur die Vorfälle ansatzweise untersucht und möglichst schnell wieder unter den Teppich gekehrt wurden, die über Medien an die Weltöffentlichkeit gedrungen sind (Fiktionen humaner Kriegführung).

Man kann davon ausgehen, dass seit dem Golfkrieg die Technik besser geworden ist, mit der die Raketen und Bomben an ihre Ziele gelenkt werden. Doch auch wenn etwa die Laser- oder GPS-gestützte Steuerung perfektioniert wurde, so hängt die Treffergenauigkeit von der Eingabe der Zielkoordinaten und überdies von der Bewertung des Ziels ab. Angeblich waren 80 Prozent der abgeworfenen Bomben der Navy-Flugzeuge nicht auf vorausgeplante Ziele gerichtet, sondern ihre Ziele wurden erst bestimmt, als sie sich bereits in der Luft befanden. Zu den technischen Mängeln oder auch den Problemen bei der Übermittlung der Daten, kommen also die Bewertungen und Fehler der Menschen, die Bilder von Satelliten oder Aufklärungsflugzeugen auswerten müssen oder am Boden die Koordinaten der Ziele bestimmen.

Als Vorbild für künftige Kriege taugt der Afghanistan-Krieg wohl auch nicht. Im Unterschied zum von den USA für den nächsten Angriff anvisierten Irak hatte das amerikanische Militär in Afghanistan von Anfang an die Lufthoheit, war der Feind kaum organisiert und technisch schlecht ausgestattet. Im Kosovo-Krieg hingegen hatte sich gezeigt, dass der sichere Krieg aus der Ferne mit Präzisionsbomben zwar die Treffgenauigkeit erhöhen mag, aber dass die Hightech-Angriffe offenbar leicht durch Attrappen getäuscht werden können und überdies auch falsch interpretierte Ziele treffen.